IT-Mittelstand als Digitalisierungs-Schrittmacher

BITMi will Digitalkunde für Grundschüler einführen

22.03.2017
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Der BITMi fordert für die Stärkung des IT-Standorts Deutschlands Reformen im Bildungssystem, mehr Geld für Infrastruktur und passende rechtliche Rahmenbedingungen. Bleiben diese Impulse aus, dürfte auch die zweite Digitalisierungshalbzeit verloren gehen, warnt der IT-Mittelstandsverband.
Die Verantwortlichen des Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi, im Bild v.l.n.r.: Martin Hubschneider, Vizepräsident BITMi, Oliver Grün, Präsident BITMi, und Manuel Höferlin, Generalsekretär BITMi) setzen sich nachdrücklich für eine Stärkung des IT-Standorts Deutschland ein.
Die Verantwortlichen des Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi, im Bild v.l.n.r.: Martin Hubschneider, Vizepräsident BITMi, Oliver Grün, Präsident BITMi, und Manuel Höferlin, Generalsekretär BITMi) setzen sich nachdrücklich für eine Stärkung des IT-Standorts Deutschland ein.
Foto: BITMi

"Wir setzen uns dafür ein, dass es schon in der Grundschule das Fach Digitalkunde gibt", erklärte Oliver Grün, Präsident des Bundesverband IT-Mittelstand e.V. (BITMi) auf der CeBIT. "Hier kann der Grundstein für ein tiefes Verständnis digitaler Technologien und Programmierung gelegt und ein Bewusstsein für einen sensiblen Umgang mit Daten geschaffen werden."

Aus Sicht des Fachverbands für mittelständische IT-Anbieter stellt die Bildung einen der beiden wichtigen Faktoren für die Stärkung des hiesigen Standorts dar. Neben Reformen im Bildungssystem fordert Grün mehr Investitionen in den Ausbau der digitalen Infrastruktur. Deutschland brauche eine flächendeckende Gigabit-Infrastruktur, konstatierte der BITMi-Präsident und mahnte einen Ausbau des Glasfasernetzes an. Investitionen in Kupfer seien an dieser Stelle wenig zielführend. Den Investitionsbedarf taxiert Grün auf einen zweistelligen Milliardenbetrag, der unter anderem durch die derzeit erzielten Haushaltsüberschüsse finanziert werden könnte.

Digitalkompetenzen müssen in einem Ministerium gebündelt werden

Um die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft voranzutreiben fordert die IT-Mittelstandsvertretung außerdem von der Politik, die Rahmenbedingungen anzupassen. Dazu gehört Grün zufolge die Einrichtung eines Digitalministeriums. "Entscheidungskompetenzen der Netz- und Digitalpolitik sind in den Ressorts von gleich fünf Ministerien untergebracht." Daraus resultierten ein hoher Koordinationsaufwand, langsame Entscheidungen und Streitigkeiten um die Zuständigkeiten, monierte der BITMi-Mann. "Bei einem so zentralen Zukunftsthema können wir uns das nicht erlauben."

Darüber hinaus fordern die Verbandsvertreter Reformen rechtlicher Rahmenbedingungen und Regulierungen, beispielsweise eine Vereinheitlichung des europäischen Vertragsrechts, einen freien Markt für nicht-personenbezogene Daten sowie eine mittelstandsgerechte Standardisierungspolitik für Interoperabilität uns offene Schnittstellen. Auch auf finanzieller Seite seien Reformen notwendig. Gerade für Mittelständler sei es oft eine große Herausforderung, neue Geschäftsmodelle zu finanzieren, sagte BITMi-Vizepräsident Martin Hubschneider. "Zusätzlich konkurrieren sie auf dem internationalen Markt mit IT-Konzernen, die auf ihren Gewinn mitunter unter einem Prozent Steuern zahlen."

Ideen aus Adenauers Zeiten

Der BITMi setzt sich daher für ein Gesetz zur Förderung des Venture-Capital-Standorts Deutschland ein und fordert darüber hinaus die Europäische Union auf, Steuerschlupflöcher zu schließen, die einen wirklichen Wettbewerb des digitalen Mittelstands mit Konzernen verhindern. Grün bringt außerdem die Idee einer Sofortabschreibung auf Digitalprojekte in Höhe von 100.000 Euro ins Spiel - ein Steuermodell, dass es bereits unter Alt-Bundeskanzler Konrad Adenauer und dessen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard gegeben hatte. Der BITMi-Präsident verspricht sich davon einen "digitalen Ruck".

Ein solcher Ruck ist aus Sicht des Mittelstandsverbands auch dringend erforderlich. "Die erste Halbzeit der Digitalisierung haben Deutschland und Europa verloren", konstatierte Grün und verwies auf US-Konzerne wie Apple und Google, die gemeinsam eine höhere Marktkapitalisierung auf die Waage brächten als alle DAX-Konzerne zusammen. Um die zweite Halbzeit, in der es vornehmlich um die digitale Transformation des B2B-Geschäfts gehen wird, für sich zu entscheiden, dürfe man den Mittelstand nicht vernachlässigen. Dem IT-Mittelstand komme eine wichtige Rolle als Schrittmacher der Digitalisierung zu, machte Grün klar. Er stelle nicht nur die meisten IT-Arbeitsplätze und IT-Innovationen in Deutschland, sondern könne in einer Doppelrolle auch Multiplikator der Digitalisierung bei seinen Kunden, dem Anwender-Mittelstand, sein. Der BITMi fordert deshalb: "Der IT-Mittelstand muss endlich als eigenständige Wirtschafts- und Innovationskraft erkannt und gefördert werden."

Transformieren statt immer weiter zu optimieren

Aus Sicht des Verbands geht es darum, das Bewusstsein für die Potenziale datengetriebener Geschäftsmodelle im Anwender-Mittelstand zu stärken. BITMi-Generalssekretär Manuel Höferlin mahnte in diesem Zusammenhang einen differenzierten Blick auf die Digitalisierungsbemühungen an. Vielfach drehe sich der digitale Wandel für viele Mittelständler hauptsächlich um effizientere Prozesse. Doch statt immer weiter an der Effizienzschraube zu drehen, sollten sich die Verantwortlichen um die digitale Transformation kümmern. Das betreffe letztendlich einen grundlegenden Umbau der Geschäftsmodelle. Sollte dies nicht gelingen, sieht Höferlin die Gefahr, dass deutsche Mittelständler zu bloßen Hardware-Lieferanten degradiert würden, die keinen Anteil an den digitalen Plattformen der Zukunft hätten. Diese digitalen Plattformen würden sich zunehmend zwischen Produkt und Kunde schieben.