Online-Dienste/Praesenz zu zeigen ist alles

Bisher taugen Online-Maerkte eher zum Schaufensterbummel

02.02.1996

Kein Online-Anbieter oder -Dienst wagt es heute noch, ohne bequemen Internet-Zugang aufzutreten, denn nur ueber diesen Netzverbund sind fuer den Kunden auch ferne Laender zu erreichen. Die ganze Welt steht offen, fuer Verkaeufer sind die weltweit rund 40 Millionen Teilnehmer ein gutes Argument, ihre Produkte im Netz anzubieten.

Doch auch um nicht nur einer unter vielen "Nur"-Internet-Providern zu sein, bieten einige Anbieter eigene Dienstleistungssysteme an. Die zahlenmaessig groessten sind zur Zeit in Deutschland T-Online und Compuserve. Das Microsoft Network (MSN) hat zwar nach Angaben des Softwareriesen weltweit auch schon ueber eine halbe Million Teilnehmer, ist aber in Deutschland noch nicht sonderlich praesent.

Da der Abruf von derartigen Dienstleistungen teilweise kostenpflichtig ist, ist ein entscheidender Faktor fuer die Anbieter, in welchem Netz sie ihren Service auch zur Verfuegung stellen, die moegliche Art der Abrechnung. Da diese bei den verschiedenen Netzen sehr unterschiedlich erfolgt, fallen auch die Art und das Angebot der Dienste unterschiedlich aus.

Die Entstehung der Systeme und ihr Aufbau erklaeren dabei vieles. Daher ein wenig Hintergrundinformationen: T-Online, das fruehere Btx beziehungsweise Datex-J (fuer Jedermann) ist ein ausschliesslich in Deutschland verfuegbarer Netzbetrieb, der sich dementsprechend vor allem durch innerdeutsche Angebote auszeichnet: Telefonauskunft, Online-Banking und Bundesbahn-Fahrplan gehoeren als Standard zur Palette.

Compuserve bietet vor allem Dienste aus den USA. Es gibt aber in vielen anderen Laendern auch Einwaehlpunkte, und zwar entweder direkte Compuserve-Knoten oder Netze von Drittanbietern, die mit Compuserve verbunden sind.

In Deutschland arbeiten mittlerweile zwoelf direkte Einwaehlpunkte, und durch die starke Nachfrage gewinnen auch immer mehr deutschsprachige Service-Unternehmen Lust an der Praesenz. Compuserve ist recht gut strukturiert und bietet eine einfache Bedienung.

Im Gegensatz zu den genannten Anbietern besitzt das Internet keine zentrale Steuerung. Es lebt durch den Zusammenschluss von Rechnern auf der ganzen Welt und jeder, der seinen eigenen Internet-Server anschliessen moechte, kann dies tun. Daher sind Abrechnungsverfahren viel schwerer zu realisieren als bei anderen Systemen.

Compuserve und T-Online sind also vom Ansatz her geschlossene Systeme mit Anbindung an das Internet.

Durch diese halboffene Struktur ist es bei ihnen - im Gegensatz zum Internet - moeglich, Abrechnungen durch den Netzbetreiber vornehmen zu lassen. Will der Online-User sich kostenpflichtige Informationen anschauen oder etwas bestellen, reicht hier die einfache Bestaetigung der mehr oder minder deutlichen Kostennote; die Kosten werden dem Benutzerkonto mit der Monatsabrechnung belastet.

Ein kleiner Hinweis zur Kostennote ist hier angebracht. Bei Btx muss der User ab zusaetzlicher Kostenpflichtigkeit mit Eintippen der Nummer 19 die Gebuehren akzeptieren. Sie reichen pro Minute von einem Pfennig bis zu mehreren Mark. Compuserve belastet das Kreditkartenkonto zumeist beim Download besonderer Software, was der Anwender explizit online bestaetigen muss.

Durch die offene Struktur des Internet und die Anonymitaet der Nutzungsmoeglichkeit funktioniert dieses System dort nicht. Um Dienstleistungen einkaufen zu koennen, muss deshalb anders abgerechnet werden.

Eine der moeglichen Varianten ist die Kreditkarte, eine andere funktioniert wie folgt: Der Kunde besitzt ein eigenes Abrechnungskonto beim angewaehlten Unternehmen und loggt sich mit seinem Passwort ein. Dann werden seine Aktivitaeten protokolliert und entsprechend abgerechnet. Manche Unternehmen setzen auch weiterhin auf Bestellung per Post oder Fax, denn damit ist der rechtliche Nachweis im Beweisfall - noch - erheblich einfacher. Eine ganz andere Art der Finanzierung ist das Sponsoring. Dabei ist - aehnlich wie in Zeitungen - Werbung zwischen die Informationen gesetzt. Der Online-Kunde zahlt entweder nichts oder nur einen Bruchteil der eigentlichen Kosten.

Doch jetzt zu denen, die im Netz Services anbieten. Ein Beispiel hierfuer ist Microsoft. Aehnlich wie andere Unternehmen versorgt diese Firma den Massenmarkt und ist aus diesem Grund gerne bei allen Online-Anbietern vertreten, meist sogar mehrfach.

In Compuserve gibt es das Microsoft Central Europe Forum (GO MSCE) und viele andere produktspezifische Plaetze. Hier findet der Interessent Informationen zu alten und neuen Produkten, Treiber und den Gedankenaustausch mit anderen Compuserve-Usern. Fuer Struktur in den Foren sorgen eigene Verwalter. Fragen beantworten entweder Microsoft-Mitarbeiter oder andere Compuserve-User.

Permanentes Donnerwetter in den Newsgroups

Ganz anders im Internet: Hier muss zwischen den Bereichen WWW und Newsgroups unterschieden werden. Im WWW praesentiert sich Microsoft auf dem eigenen Server http://www.microsoft.com. Durch die - im Gegensatz zu Compuserve - freie Struktur kann sich das Unternehmen werbewirksam nach den eigenen Wuenschen darstellen. Normale User duerfen nur anschauen, aber keine Kommentare hinterlassen.

Verglichen mit dem Passiv-Gucken im weltweiten Web, herrscht in den Newsgroups Anarchie. Allein die Namen wie zum Beispiel alt.os.windows95.crash.crash.crash, klingen nicht gerade danach, als haette sie der Hersteller erfunden. Jeder User kann nach Herzenslust Lobeshymnen verbreiten oder auch in das Gegenteil verfallen (was durchaus haeufiger vorkommt). Zumindest kann sich ein potentieller Neukunde schon einmal mit den Problemen vertraut machen, die auch ihn vielleicht nach dem Kauf betreffen.

Die weltweite Nutzung der Newsgroups bietet einen unvergleichlichen Vorteil. Egal, wie exotisch die Hard- und Softwarekombination auch sein mag, die sich ein User zusammengebastelt hat, irgendwo auf der Welt findet sich bestimmt noch einmal das gleiche System. Dadurch haben auch hoechst spezielle Fragen eine Chance auf eine schnelle, moeglicherweise kompetente Antwort. Aber auch Fragen breiteren Interesses, wie "HELP: how do I remove windows 95?" werden oft gestellt und gerne beantwortet.

"Btx-Windows" heisst das aehnliche Angebot in T-Online und ist per *MS- erreichbar. In deutscher Sprache wird der Anwender Fenster fuer Fenster - fuenf hintereinander verschachtelte sind mehr die Regel als die Ausnahme - durch das Microsoft-Angebot an Tips und Tricks, Seminaren und auch Bestellformularen gefuehrt.

Das Angebot wird aber anscheinend nicht gerade intensiv gepflegt. Sonst waere es wohl kaum moeglich, dass auch Mitte Dezember - nach Einfuehrung von MS-Access 7.0 - noch das Update auf die Version 2.0 im Bestellformular angeboten war.

Doch nicht nur Microsoft ist vertreten, annaehernd jeder DV- Anbieter ist im Netz. Die am haeufigsten genutzte Moeglichkeit zum Online-Kundenkontakt bleibt aber das Internet. Auf dem Pfad http://www.FIRMENNAME.com ist meist ein Zugriff moeglich.

Doch auch wenn diese einfache Adressierung nicht funktioniert, ist die entsprechende URL-Adresse (Uniform Resource Location) mit etwas Recherche (zum Beispiel bei http://www.yahoo.com/Computers-and-Internet/) meist schnell gefunden. Software zum Download wird aber in der Regel nur in Free- oder Shareware-Versionen angeboten. Falls ueberhaupt, werden Vollversionen ueber die oben beschriebenen Verfahren abgerechnet.

Nicht nur Computerfirmen, sondern auch Verlage verbreiten ihre Informationen - ausser in der gedruckten Form - immer oefter ueber Telefonkabel. Ob "Der Spiegel", "c't", oder die COMPUTERWOCHE, aktuelle Informationen stehen fuer jedermann zur Verfuegung. Um trotzdem noch die Papierpublikationen zu verkaufen, gehen die Verlage verschiedenen Wege.

"Der Spiegel" (GO SPIEGEL oder http://www.spiegel.de) bringt aktuelle Berichte, und bricht - gerade wenn es spannend wird - gnadenlos ab. Der Heise-Verlag mit "c't" und "ix" bietet Ueberschriften und aktuelle Kurzinformationen. Die COMPUTERWOCHE gibt es in ungekuerzter Form auch ueber das Internet http://www.computerwoche.de zu lesen - allerdings nicht mehr kostenlos wie in der Pilotphase.

Die COMPUTERWOCHE im Internet-Abo

Gerade im Bereich der Verlage sind aber noch einige Aenderungen zu erwarten. Da das Medium sehr neu ist, hat sich noch keine eindeutige Kundenpraeferenz herauskristallisiert. So sind noch sehr unterschiedliche Varianten im Gespraech. Die Moeglichkeiten reichen vom "Neugierig machen", um dann die gedruckte Ausgabe zu verkaufen, ueber Sponsoring durch Werbung bis hin zu Abos. Die letztgenannte Methode praktiziert die COMPUTERWOCHE: Der Zugang auf saemtliche ungekuerzte Artikel ist nur noch ueber Passwort moeglich.

Eine weitere grosse Anbietergruppe sind Versandhaeuser. Vom Otto- Versand bis zu Beate Uhse reicht hier die Schar der Anbieter. Auch Autofirmen erkennen immer mehr den Nutzen der Netze. BMW praesentiert neben den eigenen Autos Gebrauchtwagen von weiteren 36 Autoherstellern unter *BMW-. In der Schwacke-Liste http://www.eurotax.ch kann der Interessent gleich nachschauen, ob die Preise auch mit "dem Standard" uebereinstimmen.

T-Online wird auch oft - von etlichen Anwendern wohl ausschliesslich - fuer Home-Banking eingesetzt. Entweder mit der bankeigenen Terminalfunktion oder ueber Programme wie "Money" oder "Quicken" ist der Bankschalter - leider nicht die Kasse - Tag und Nacht verfuegbar.

Am Anfang - noch zu Btx-Zeiten - liessen sich nur wenige Banken auf diese Art der Kundenkommunikation ein. Heute werden jedoch Kontoauszuege, Ueberweisungen und Dauerauftraege auch ueber den Computer akzeptiert.

Ein Punkt unterscheidet die Systeme aber oft noch erheblich. Compuserve gibt es zur Zeit mit nur maximal 14400 Baud in Deutschland, T-Online ist mit bis zu 28800 Baud ueber Modem oder schneller noch mit ISDN zugaenglich, und das Internet ist in allen denkbaren Varianten verfuegbar: vom einfachen Modem ueber ISDN bis zum Backbone mit mehreren MB pro Sekunde.

Jeder User wird sich wohl das suchen, womit er am besten arbeiten kann und was ihm persoenlich den groessten Nutzen verschafft. In lokalen Angebot ist T-Online eindeutig fuehrend. Wenn es um internationale, strukturierte Informationen geht, ist Compuserve erste Wahl. Das Internet bietet alles, aber vor lauter Vielfalt kann der Ueberblick schnell verlorengehen. Anwender, fuer die schon die Verzeichnisse auf dem eigenen PC ein Raetsel sind, koennen im Netz der Netze leicht den Ueberblick verlieren und sich verirren.

Kaum ein Markt verzeichnet so grossen Wachstum wie zur Zeit die Online-Netze. Auch die Kette Call-a-Pizza verhandelt schon. So wird es bald wohl auch in Deutschland moeglich sein, zu Hause am Computer die Pizza per Maus im Drag-and-drop-Verfahren zu belegen. Die Bestellung geht dann ueber den Datenautobahn raus, und die Pizza kommt ins Haus - hoffentlich auf einem Highway ohne Stau.

*Edgar Koribalski ist freier Fachjournalist in Muenchen.

Kurz & buendig

Online-Dienste sind noch sehr junge und entsprechend unausgereifte Marktplaetze. Zwar ist das Angebot schon beachtlich, aber sehr viel mehr als das Betrachten der Waren beziehungsweise ihrer Beschreibungen ist in den meisten Faellen noch nicht moeglich. Denn der Schwachpunkt ist das immer noch nicht zufriedenstellend geloeste Problem der Zahlungsmodalitaeten. Typisch sind die unterschiedlichen Experimente der Verlage, ihre Publikationen auch elektronisch zu verbreiten, ohne die Druckauflage zu gefaehrden.