Arbeitsmarkt

Biotechnik eröffnet Informatikern neue Chancen

05.10.2010
Von 
Peter Ilg ist freier Journalist in Aalen.
Trotz Krise beschäftigt die Biotechnik-Branche immer mehr Mitarbeiter - auch Informatiker. Die Aussichten für interdisziplinär denkende IT-Profis mit naturwissenschaftlichen Grundkenntnissen gelten als sehr gut.

Biotechnik findet nicht nur in Forschungslabors statt, sie ist in jeder Küche zu Hause. Ein klassisches biotechnisches Produkt ist der Joghurt. Er entsteht, wenn Bakterienkulturen durch ihren Stoffwechsel den Milchzucker in Milchsäure umwandeln, die das Eiweiß der Milch zum Ausflocken bringt. Diese chemischen Leistungen von Organismen nutzt die Industrie schon seit Jahrzehnten zur Herstellung zahlreicher Produkte mit biotechnischen Verfahren, beispielsweise Insulin.

Uwe Kritzler, Roche Diagnostics: "In der Verfahrenstechnik nimmt der Informatikanteil ständig zu."
Uwe Kritzler, Roche Diagnostics: "In der Verfahrenstechnik nimmt der Informatikanteil ständig zu."
Foto: Roche Diagnostics

Bereits seit 1982 wird menschliches Insulin aus gentechnisch veränderten Bakterien oder Hefezellen hergestellt. "Die Prozesse in der Biotechnologie sind kompliziert, deshalb ist der Grad der Prozessautomatisierung hoch", so Uwe Kritzler. Der technische Informatiker leitet die Prozessautomatisierung bei Roche Diagnostics im oberbayerischen Penzberg. Kritzler ist mit seinen rund 70 Mitarbeitern zuständig für den Support der Anlagen beispielsweise zur Produktion von Antikörpern gegen Krebs. Im Team hat er etwa 25 Informatiker, Tendenz steigend, "weil in der Mess-, Regel- und Verfahrenstechnik sowie der Prozessautomatisierung der Informatikanteil ständig zunimmt". Dafür werden hochqualifizierte Mitarbeiter gebraucht - zum Beispiel Informatiker.

Die Biotechnik sichert und schafft in Deutschland Hunderttausende von Arbeitsplätzen - bereits heute. Und die Chancen für neue Jobs sind beeindruckend. Zu diesen Ergebnissen kommt eine gemeinsame Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.

Biotechnikfirmen sind krisenfest

Im Gegensatz zu anderen Branchen ist die Biotechnik in der Krise gewachsen. Mit der Zahl der Unternehmen stieg auch die der Beschäftigten. So hielten die rund 530 reinen Biotech-Unternehmen im Vorjahr etwa 15.000 Mitarbeiter unter Vertrag (3,5 Prozent mehr als im Vorjahr). Doppelt so stark wuchsen die biotechnisch ausgerichteten Abteilungen der Pharma-, Chemie-, Lebensmittel- und Saatgutunternehmen. Deren Mitarbeiterbestand stieg auf 16.650. Damit hatte die Biotechnik 2009 erstmals über 30.000 Mitarbeiter, insgesamt waren es 31.600, was einem Plus von fünf Prozent entspricht. Das ergab dieses Jahr eine Firmenumfrage der Informationsplattform www.biotechnologie.de, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung in Auftrag gegeben hatte.

Die Branchenstruktur ist danach durch kleine und mittelständische Betriebe gekennzeichnet. Ein Großteil der Biotech-Unternehmen (45 Prozent) widmet sich der Entwicklung von Medikamenten oder neuen Methoden in der Diagnostik. An zweiter Stelle folgen Biotechnik-Unternehmen (36 Prozent), die keinem speziellen Feld zuzurechnen, sondern für mehrere Anwenderbranchen tätig sind. Das sind vor allem Dienstleister und Zulieferer. Die industrielle Biotechnik wächst seit Jahren überproportional. Firmen dieses Segments konzentrieren sich auf die Entwicklung von technischen Enzymen, neuen Biomaterialien oder biologischen Produktionsprozessen. Die Pflanzenbiotechnik dagegen schrumpft, und mit nur vier Prozent stellt die Bioinformatik die weitaus kleinste Gruppe unter den Biotech-Firmen.

Beim Umsatz zeigten sich die Biotechnik-Unternehmen im Jahr 2009 krisenfest. Mit rund 2,2 Milliarden Euro konnten sie die Erlöse auf dem Niveau des Vorjahres halten. Gewaltig sind die Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Dieser Posten lag 2009 bei etwa einer Milliarde Euro und damit bei fast 50 Prozent des Umsatzes. Es gibt wohl kaum eine forschungs- und entwicklungsintensivere Branche als die Biotechnik.

Auch der Staat investiert in Biotechnik . Sie ist auch aus Sicht der öffentlichen Forschung ein finanzielles Schwergewicht: 2008 verfügten die Einrichtungen über ein Gesamtbudget von vier Milliarden Euro. An den Hochschulen, außeruniversitären und staatlichen Forschungseinrichtungen arbeiteten insgesamt rund 27.000 Mitarbeiter in der Biotechnik und damit fast so viele wie in diesem Industriezweig selbst.

Bayer Technology Services ist eine Tochtergesellschaft der Bayer AG, die für den Konzern tätig ist, aber auch externe Services und Produkte anbietet. Zu diesen Services gehören Softwareentwicklung und -pflege und zu den Produkten fertige Softwarepakete. Jörg Lippert leitet das Kompetenzzentrum Systems Biology & Computational Solutions, in seinem Team arbeiten etwa zehn Softwareentwickler - Tendenz ebenfalls zunehmend.