Bill Gates vor den Kadi? Dieter Eckbauer

22.04.1994

Wo verlaeuft in der freien Marktwirtschaft die Grenze zwischen Wettbewerb und Machtmissbrauch? Diese Frage bringt auf den Punkt, womit sich Kartellbehoerden beschaeftigen. Dabei geht es keineswegs darum, Streitigkeiten unter hitzigen Konkurrenten zu schlichten, sondern die Verbraucher zu schuetzen. Der Einwand, dass sich die Kunden gegen eine Uebervorteilung wehren koennten, bezeichnet die Schwierigkeit, der sich die Wettbewerbshueter ausgesetzt sehen: Wenn sich niemand beklagt, sind Verstoesse der Industrie nur schwer nachzuweisen. Das beruehmteste Beispiel der DV-Geschichte ist mehr als zehn Jahre alt: Die Reagan-Administration stellte das Antitrust-Verfahren der US-Regierung gegen die IBM Corp. ein. Jetzt wird gegen Microsoft ermittelt (Seite 1).

Erwaechst den Anwendern ein Nachteil daraus, dass Microsoft ueber das PC-Betriebssystem-Monopol (DOS/Windows) auch den Desktop- Applikationsmarkt beherrscht? Man muss kein Jurist sein, um dies zu bejahen. Die Fakten, was Marktanteile und Wachstumsraten betrifft, sind eindeutig. Es ist natuerlich nicht gleichgueltig, ob Microsoft PC-Programme buendelt oder Schnittstellen veraendert, ohne dass unabhaengige Anwendungsentwickler Zugang zu den Spezifikationen haben. Das allein waere wettbewerbsschaedlich - auf den Vorsatz kommt es nicht an, obwohl Microsoft-Konkurrenten wie Novell oder Lotus anders darueber denken. Mit Wohlwollen seitens der Wettbewerbshueter koennen sie nicht rechnen.

Zurueck zum Kundenschutz, um den es im Kartellrecht geht: Wenn es im Interesse der Anwender liegt, unabhaengig von einzelnen Anbietern zu bleiben, warum ruehren sie sich dann nicht? Ein heikles Thema, bedeutet die Passivitaet der PC-Softwarekaeufer doch, dass es mit ihrem Eifer in Sachen Wahlfreiheit nicht weit her sein kann. Parallelen zur Mainframe-Welt sind offenkundig. Es ist nicht wahr, dass alle IBM-Kunden naiv in dem Sinne gewesen waeren, dass sie Big Blue blind vertraut haetten, Verfuehrte, die die Konsequenzen der Lock-in-Situation nicht absehen konnten. Das De-facto-Monopol der IBM im Markt der kommerziellen Rechenzentrumscomputer wurde toleriert - kein Wunder, dass das Vorgehen der US-Regierung gegen IBM bei den Kunden auf Misstrauen stiess; eine gestutzte IBM wollten und konnten sie sich nicht vorstellen. Dass die IBM auch ohne Fremdeinwirkung schliesslich doch schwach wurde, ist nicht das "Verdienst" der Kunden.

Es waere leichtfertig, darauf im Falle Microsoft zu hoffen, wie auch die Bemuehungen der Gates-Company um vertikale Integration im Bereich der Desktop-Software nicht unterschaetzt werden sollten - Abhaengigkeit der Anwender ist die Folge. Selbst wenn diese sich daran nicht stoeren wuerden - und es sieht so aus -, muessten die staatlichen Wettbewerbshueter unerbittlich sein, damit sich Zustaende wie im von IBM dominierten Mainframe-Markt nicht wiederholen. Denn dass der einzelne Anwender fuer sich selbst sprechen kann, ist eine unrealistische Unterstellung. Manchmal muessen die Marktteilnehmer zu ihrem eigenen Schutz bevormundet werden.