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Bill Gates und die Kreativen Kommunisten

10.01.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Ganz schön in die Nesseln gesetzt hat sich Microsoft-Gründer Bill Gates mit einem Interview mit "Cnet". Auf die Frage, ob seiner Meinung nach das Urheberrecht reformiert werden müsste, antwortete der Redmonder Chief Software Architect: "Nein, das würde ich von der Weltwirtschaft sagen, es gibt heute mehr Menschen als je zuvor, die an geistiges Eigentum glauben. Es gibt weniger Kommunisten auf der Welt als früher. Es gibt ein paar Kommunisten der Neuzeit, die unter allerlei Deckmänteln die Belohnungen für Musiker und Filmschaffende und Softwarehersteller abschaffen möchten. Sie denken, es sollte keine derartigen Belohnungen geben."

Aus Sicht von Befürwortern eine Änderung der Urheberrechts zeigen diese Äußerungen, wie weit sich Gates von einer großen und wachsenden Gemeinschaft von Menschen entfernt hat, die die Ideen von Open Source angenommen haben und deren kreative Werke aufeinander aufbauen. Zum Beispiel Creative Commons (CC), das versucht, eine ausgewogenere Alternative für die zu bieten, die zwar ihre Werke schützen möchten, aber bereit sind, sie unter bestimmten Bedingungen zu teilen.

Glenn Otis Brown, Executive Director von CC, fragt sich jedenfalls, wen Gates mit seinen Bemerkungen gemeint haben könnte. Sicher nicht Creative Commons, das ein "freiwilliger und marktgerechter Ansatz für Copyright" sei, schrieb er in einer E-Mail. "Ich werde traurig, wenn Leute Wörter wie 'Kommunist' oder 'Faschist' entwerten, indem sie damit gedankenlos um sich werfen, vor allem wenn man bedenkt, was sie vor nicht allzu langer Zeit bedeuteten", so Brown.

"Mein Vater war 35 Jahre lang Kalter Krieger bei der CIA, er hat nicht gegen Software unter der GPL gekämpft. Stalinistische Säuberungen, die Berliner Mauer, Panzer in Budapest - das ist Kommunismus. Lassen Sie uns auch nicht vergessen, wie vieler kreativer Leute Leben durch unverantwortliche Anschuldigungen ruiniert wurden. Erinnern Sie sich an die schwarzen Listen Hollywoods?"

Der Stanford-Jurist und Verwaltungsratsvorsitzende von CC, Lawrence Lessig, spottete auf der zweiten Jubiläumsparty von Creative Commons am vergangenen Donnerstag in San Francisco über Gates' Bemerkungen. Der Microsoft-Gründer sei falsch verstanden worden, so Lessig - die Befürworter der Copyright-Reform hießen "Commonists" und nicht Kommunisten.

Auf einschlägigen Websites wie Boing Boing tauchten jedenfalls laut "Wired News" rasch "Creative-Commies"-Logos und anderes "Propaganda-Material" auf, das auch schnell seinen Weg in T-Shirt-Druckereien wie Giant Robot Printing oder CafePress fand. Giant-Robot-Chef Ken Mickles verkaufte in weniger als einem Tag mehr als 250 der je nach Größe fünf oder sechs Dollar teuren Hemdchen. "Ich kann nicht behaupten, dass mich Gates' Kommentare sonderlich überrascht hätten, erklärte er. "Das war das, was man erwarten würde." (tc)