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Bill Gates präsentiert "Longhorn"

28.10.2003
Geht es nach Bill Gates dann handelt es sich beim nächsten Windows-Betriebssystem um das wichtigste Software-Release dieser Dekade, vergleichbar mit Windows 95.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Geht es nach Microsofts Chief Software Architect Bill Gates, dann handelt es sich beim nächsten Windows-Betriebssystem (Codename: Longhorn) um das wichtigste Software-Release dieser Dekade, vergleichbar mit Windows 95. Er bezog seine vollmundige Ankündigung vor allem auf die Art und Weise, wie Entwickler künftig Software für Windows schreiben und wie Anwender mit dem Desktop arbeiten werden.

Der Longhorn-Desktop (Betaversion Build 4051)
Der Longhorn-Desktop (Betaversion Build 4051)

Gates präsentierte einige Details der voraussichtlich im Jahr 2006 erscheinenden Systemsoftware vor Fachpublikum auf der Professional Developer Conference (PDC) in Los Angeles - zumindest denen, die es trotz der Waldbrände im Bundesstaat geschafft hatten, zu erscheinen. Der Firmengründer versprach eine leichtere Entwicklung von Applikationen. Dazu zählt etwa das Konzept der deklarativen Programmierung auf der Grundlage der "Extensible Application Markup Language" (XAML). Da die Abkürzung auch von Sun für die "Transaction Authority Mark-up Language" verwendet wird, sucht der Softwarekonzern noch nach einem anderen Namen.

Deklarative Programme basieren auf der Manipulation von Ausdrücken, die Werte definieren. Im Gegensatz zu prozeduralen, also auf Befehlen aufgebauten Sprachen wie etwa C, mit denen der Ablauf eines Programms festgelegt wird, beschreibt der Anwendungsentwickler beim deklarativen Ansatz das zu lösende Problem, nicht aber die Art der Lösung.

Darüber hinaus arbeitet der Hersteller an einer neuen Programmierschnittstelle namens "WinFX", über das Longhorn-Funktionen aufgerufen werden. WinFX ersetzt das heutige Win32-Interface. Erleichtern möchte Microsoft zudem das Bauen von Web-Services. Die Grundlage dafür soll "Indigo" schaffen, die nächste Version des .NET Framework. Mit Indigo können Anwender Programme auf dem gleichen System oder zwischen verschiedenen Rechnern über Web-Services verknüpfen, wobei das Framework weitgehend automatisch die erforderlichen Verbindungen und Transaktionssteuerung einfügt.

Auch die Benutzer-Schnittstelle des Windows-XP-Nachfolgers erhält ein Facelifting: "Avalon", so der Codename der Engine, basiert auf XML-gestützten Vektorgrafiken und soll trotz aufwändiger Darstellung die Rechner-CPU nicht stark belastet. Avalon wird Erweiterungen der bereits verfügbaren Techniken "DirectX" und "Cleartype" beinhalten. Offenbar hält Microsoft viel von Apples "Mac OS X", denn die Animationen und transparente Fenster erinnern stark an das Look&Feel des kalifornischen Computerherstellers. Überarbeitet wurde ebenfalls die Taskleiste, die nun auch eine Buddy List enthält. Ein integrierter Rich-Site-Summery-(RSS-)Reader präsentiert News auf dem Desktop.

Longhorn implementiert das Konzept Next-Generation Secure Computing Base (NGSCB, früher bekannt als Palladium), das sich auf Hardware-basierende Sicherheitstechnik stützt. Damit sollen Benutzer auf Rechnern abgelegte Daten und Inhalte besser vor fremdem Zugriff schützen.

Die Setup-Routine der Betaversion lässt sich nicht als Update auf ältere Windows-Installationen aufspielen.
Die Setup-Routine der Betaversion lässt sich nicht als Update auf ältere Windows-Installationen aufspielen.

Wie bereits zuvor berichtet, verfolgt Microsoft in Sachen File System nicht mehr ganz so ehrgeizige Pläne. Das Longhorn-Dateisystem "Windows Future Store" (WinFS) wird demnach das mit Windows NT eingeführte "New Technology File System" (NTFS) lediglich erweitern und nicht, wie ursprünglich gedacht, komplett ersetzen. Der Sinneswandel ist nicht zuletzt in der geforderten Abwärtskompatibilität begründet. WinFS nutzt Datenbankfunktionen des SQL-Server-Nachfolgers "Yukon".

Apropos Kompatiblität: Ein Microsoft-Manager bewies, dass uralte DOS-Programme auch unter Longhorn noch ablaufen können. Alte Zöpfe abschneiden hingegen will der Hersteller mit "Clickonce": Das Modul soll es erlauben, neue Software ohne Neustart zu installieren - dies mag ein Novum für Windows sein, Unix- und Linux-Anwender kennen dies bereits seit Jahr und Tag. Darüber hinaus erlaubt es Clickonce, Applikationen auf Rechnern im Netz einzurichten.

Wie bei jedem Windows-Release steigen auch mit Longhorn die Hardware-Anforderungen. Allerdings sagt Gates voraus, dass im Jahr 2006, wenn das neue Betriebssystem auf den Markt kommen soll, die PCs mit CPUs von 4 bis 6 GHz Taktfrequenz, zwei Gigabyte Arbeitsspeicher, mindestens einem Terabyte Festplattenkapazität und Grafikchips ausgestattet sein werden, die dreimal so leistungsfähig sind wie die heutigen. (fn)