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Bill Gates hat Großes vor mit XML und ASP

23.05.2000
Interview mit dem Microsoft-Gründer

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mit Microsoft-Gründer, Chairman und Chief Software Architect sprach John Fontana von der CW-Schwesterpublikation "Network World".

CW: Ist eine Einigung im Kartellverfahren immer noch möglich? Welche Voraussetzungen müssten hierfür erfüllt sein?

GATES: Wir legen auf zwei Prinzipien Wert, die auch für unsere Kunden wichtig sind. Zum einen sollte Windows das Internet unterstützen. Die Regierung ist aber der Meinung, es sei keine gute Idee, zu diesem Zweck spezielle Programmier-Schnittstellen oder einen Browser in das Betriebssystem zu integrieren. Zum anderen wollen wir, dass Windows als Produkt eine bestimmte Integrität behält.

Die US-Regierung möchte, dass andere Anbieter die Möglichkeit haben, Teile von Windows zu entfernen, die Benutzeroberfläche zu verändern oder das System sonst wie zu modifizieren und zu vermarkten. Wir sind nicht dagegen, dass solche Veränderungen möglich sind - nur sollte das dann nicht unter dem Namen Windows laufen. Dieses Warenzeichen soll nicht verletzt werden.

CW: Erwarten Sie langfristige Folgen für die Industrie, falls die Regierung auf ihrer Entscheidung beharren sollte?

GATES: Die Regierung möchte eine klare Trennung der Benutzeroberflächen von Office und Windows. Auch die jeweiligen Microsoft-Teams sollen nichts miteinander zu tun haben. Taucht nun beim Kunden ein Problem auf, das genau im Grenzbereich zwischen diesen beiden Polen liegt, ist er der Gelackmeierte. Solche und ähnliche Details finden sich zu Dutzenden im Vorschlag der Regierung. Das zeugt von einer Fachkenntnis, die den Kunden in der tatsächlichen Softwarewelt nicht weiterhilft, und aus diesem Grund wird auch der Regulierungsansatz nicht funktionieren.

CW: Welche Projekte haben Sie in den etwas mehr als 100 Tagen als Chef-Softwarearchitekt in Gang gebracht, die das Enterprise Computing beeinflussen könnten?

GATES: Unser großes Ziel ist das Internet als Plattform. Wir könnten alle weitaus besser vom Internet profitieren, wenn wir Programme schreiben würden, die über das Internet hinweg funktionieren, etwa um Geschäftsvereinbarungen zu überwachen oder um Käufer und Händler zusammenzubringen.

Mit der Auslieferung von Windows 2000 und meiner neuen Rolle als Softwarearchitekt besteht mein Ziel nun darin, über das Potenzial von XML zu reden. Ich laufe bei uns rum, rede mit den Entwicklern und versuche herauszufinden, wie XML in unsere Pläne passt.

CW: Haben Sie XML-Projekte in der Pipeline?

GATES: Definitiv. Die 2000er Generation von "Exchange" und "SQL Server" wird um einige XML-Features erweitert. Wir haben die Programme nicht bis in den Kern neu entwickelt, aber mehr XML-Funktionalität hineingepackt, als notwendig gewesen wäre. Ich glaube, dass der Schlachtruf im Moment XML lautet.

CW: Welche Bedeutung hat die ASP-Idee (Application Service Provider) für Ihre Internet-Strategie?

GATES: Das ASP-Modell wird sehr wichtig sein, weil es die Dinge vereinfacht. Die Softwarewelt wird aber niemals hundertprozentig über Hosting-Dienste abgebildet. Wir schaffen eine gemeinsame Softwarearchitektur für die Programme, die im Unternehmen laufen, und denen, die als gehostete Services genutzt werden. Wir wollen sicherstellen, dass das zugrunde liegende Programmiermodell identisch ist.

Wenn also ein Teil der Software intern vorgehalten und der andere von externen Dienstleistern gemietet wird, bedarf es immer noch einer Integration der beiden Bereiche. Unsere Architektur erstreckt sich symmetrisch über die Bereiche Internet, Unternehmensserver und Arbeitsplatzrechner - so wollen wir sicherstellen, dass Anwender die Möglichkeit haben, eine bislang gehostete Anwendung wieder ins Unternehmen zu holen oder eine andere vom Unternehmen zu einem Dienstleister auszulagern.

CW: Wie sieht es mit dem Lizenzmodell aus?

GATES: Das wird ziemlich einfach: Mit Unternehmenskunden schließen wir "Enterprise Agreements", die drei Jahre gelten. Anhand der vorhandenen Desktop-Rechner vereinbaren wir die pro PC in diesem Zeitraum anfallende Gebühr. Auch bei einem eventuellen Wechsel zu einem gehosteten Modell funktioniert das, denn die Lizenz betrifft ja das geistige Eigentum.

CW: Kommen wir zum "ILOVEYOU"-Virus: Stellt Visual Basic Script eine Schwachstelle dar, um die sich Microsoft kümmern muss?

GATES: Dieses Virus war keineswegs neu. Wenn die Leute auf eine angehängte Datei klicken - sei es ein Skript, ein Programm oder etwas anderes - dann wird sie eben ausgeführt. Wir warnen doch ständig davor. Viele ignorieren es aber, wenn ein Warnfenster aufgeht, und klicken Attachments einfach an. Wenn die Leute nicht auf Warnungen achten, dann darf man einfach keine ausführbaren Dateien als Attachments erlauben. Administratoren haben die Möglichkeit, diese Anhängsel zu unterbinden.