Bill Gates erobert Las Vegas

21.01.2003
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Eine Woche lang war Las Vegas das Mekka der Unterhaltungselektronik. Auf der Consumer Electronics Show zeigte die Industrie die neuesten Trends, die wohl das Weihnachtsgeschäft 2003 bestimmen dürften.

Nachdem das Geschäft mit der klassischen IT zurzeit eher stagniert, hat nun auch Microsoft-Gründer Bill Gates seine Liebe zur Unterhaltungselektronik entdeckt. Sein jüngster Streich ist die „Smart Personal Objects Technology“ (Spot), die selbst im kleinsten Endgerät eine Netzanbindung ermöglicht. Ein Beispiel hierfür sind Armbanduhren, die künftig ihren Besitzer über das kommende Wetter oder aktuelle Börsennachrichten informieren. Als Übertragungsmedium dient die Gemeinschaftsentwicklung „Directband“ von Microsoft und SCA Data Systems. Ähnlich wie beim in Europa gebräuchlichen Radio Data System (RDS) sollen die Informationen dabei über Rundfunksender ausgestrahlt werden.

Uhren mit Datenanschluss

Gates Faible für die Consumer-Elektronik beschränkt sich jedoch nicht auf Uhren, die Fossil, Citizen oder Suunto herstellen wollen. In Las Vegas zeigte der Softwarekonzern zudem den gemeinsam mit Intel entwickelten „Personal Video Recorder“. „Media 2 Go“, wie die Kreation heißt, besitzt eine 30-Gigabyte-Festplatte sowie einen Bildschirm mit zehn Zentimetern Diagonale und dient zur Aufzeichnung von Musik oder Videos, die etwa aus dem Internet stammen können. In Sanyo und Samsung hat Microsoft bereits zwei Partner gefunden, die bis zum Jahresende entsprechende Geräte auf den Markt bringen wollen.

Beide Produktlinien sowie die „Windows Powered Smart Displays“ zeigen, dass Microsoft in jeder Ecke der Consumer-Welt Fuß fassen will. Andere Versuche sind etwa die Spielekonsole „Xbox“, das im Herbst vorgestellte „Windows Media Center“ oder aber die Smartphones mit Microsoft-Betriebssystem.

Allerdings haben die etablierten Player der Unterhaltungselektronik nicht die Absicht, Microsoft widerstandslos das Feld zu überlassen. Kämpferisch verkündete etwa Sonys President und Chief Operating Officer Kunitake Ando die Wiedergeburt des Fernsehers. Im Breitbandzeitalter soll er als Linux-basierende Plattform das Zentrum des Home-Entertainments bilden. Schützenhilfe in Sachen Linux erhält Sony von einem weiteren japanischen Großkonzern: Matsushita, besser bekannt etwa unter der Handelsmarke Panasonic, setzt ebenfalls auf das offene Betriebssystem.

Foto: Microsoft
Foto: Microsoft

Offenheit war denn auch das Schlagwort, mit dem Sony-Manager Ando für seine Vision einer Linux-Zukunft warb und die Hersteller dazu aufrief, die Interoperabilität zwischen PCs, Audio- und Video-Geräten sicherzustellen. Im Gegensatz zu Microsofts spielt der PC in der Sony-Welt jedoch nur eine untergeordnete Rolle: Mit dem Fernseher verbunden, dient er als Server und liefert Inhalte wie Fotos oder Videos. Außerdem soll sich auf PCs gespeicherte Musik über ebenfalls vernetzte Stereoanlagen abspielen lassen. Mittels einer von Sony „Room Link“ genannten Technik bedient der Benutzer alle Geräte über eine Fernbedienung. Unter der Bezeichnung „Cocoon“ bringt Sony zudem eine Set-top-Box mit Linux als Betriebssystem heraus.