Einführung von optischen Speichern bei Anwendern

Bildverarbeitung: Ohne ein Pilotprojekt geht gar nichts

15.11.1991

Die Einführung optischer Speicher in Unternehmen ist nach Auffassung von Andreas Bölscher nur mit Hilfe von Pilotprojekten erfolgreich. Der Münchner Berater analysiert aufgrund der gewonnenen Erfahrungen Einführungsstrategien von abteilungs- und unternehmensweiten Systemen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen ist der Grad der Automatisierung des Büros vergleichsweise gering, die Information auf Papier herrscht vor. Der Computer soll auch hier in der Entwicklung zum papierarmen Büro - mehr unterstützen, zum Beispiel durch Imaging.

Sind Kosten und Nutzen eines Imaging-Systems analysiert, die Entscheidung für eine Anwendung getroffen, eine Systemkonzeption erstellt und eine Systemauswahl durchgeführt worden, steht der Anwender vor der betrieblichen Einführung des Systems.

Warum aber braucht Imaging Pilotsysteme? Hersteller von Imaging-Systemen versuchen ihre Kunden häufig davon zu überzeugen, daß es auch ohne Installation eines Pilotsystems funktioniere. Sie weisen darauf hin, daß die Technologie stabil sei und die Einführung des neuen Systems mit einem Pilotprojekt nur Zeit verschwende.

Dies ist richtig für Ein- und Zweiplatzsysteme ins Stand-Alone-Betrieb, widerspricht aber unserer Erfahrung für größere Systeme. Jedes Verfahren, das neu für ein Unternehmen ist, sollte durch eine Pilotphase eingeführt werden.

Daher muß das Unternehmen sein Pilotsystem unter möglichst gleichen Rahmenbedingungen in die Organisation integrieren, unter denen auch das spätere gesamte System einzufahren ist.

Setzen Betriebe Imaging-Systeme richtig ein, dann verändert sich die Arbeit vieler Mitarbeiter entscheidend. Ist-Arbeitsabläufe müssen analysiert und in einer Soll-Konzeption grundlegend neu strukturiert werden, um das Nutzenpotential von Imaging voll zu erschließen. Bei derart großen Änderungen in einer Organisation ist es aber angezeigt, die geplanten Auswirkungen der Organisationsänderungen in einer möglichst kleinen und überschaubaren Organisationseinheit zu erproben. Daher bieten sich Pilotprojekte an, um die Konzeption in betriebliche Realität umzusetzen. Denn zu den geplanten Auswirkungen kommen immer auch ungeplante hinzu, die in einem überschaubareren Umfeld besser zu handhaben sind.

Weitere Gründe für die Einführung von Imaging-Systemen mit Hilfe von Pilotprojekten sind:

- Widerstände gegen Änderungen vorbeugen. Durch kleine und handhabbare Pilotsysteme lassen sich Organisationsänderungen einfacher durchsetzen und die Auswirkungen auf die Mitarbeiter besser ermitteln.

- Unerfahrenheit des Projektteams mit Imaging. Die Technologie ist benutzerfreundlich, nicht nur weil sie die Informationsanforderungen der Fachabteilung erfüllt, sondern auch weil sie zentrale und dezentrale Papierarchive ersetzen, mit denen die Mitarbeiter teilweise seit Jahrzehnten arbeiteten. Bevor ein Imaging-System und damit automatisierte Informations- und Belegflüsse konzipiert werden kann, muß das Projektteam diese verstehen und analysieren. Man kann nicht Unordnung automatisieren und erwarten, daß etwas herauskommt, was nicht automatisierte Unordnung ist. Das Projektteam hat durch die Pilotphase die Möglichkeit, mit der neuen Technologie Erfahrungen in der Neuorganisation zu sammeln.

- Minimieren der technischen Risiken. Die technischen Risiken zu minimieren, kann ein wichtiger Grund für die Einführung eines Pilotsystems sein. Insbesondere dann, wenn die Organisation noch kein Know-how mit lokalen Netzen (LAN) gesammelt hat oder anspruchsvolle Schnittstellen zu anderen Systemen implementiert werden müssen.

- (Versteckte) Kosten aufdecken. Die Kosten für einen Imaging-Arbeitsplatz können schnell bei 30 000 bis 40 000 Mark liegen. Imaging-Systeme haben zudem wie auch andere DV-Systeme versteckte Kosten wie Training, zusätzliche Anforderungen der Fachabteilungen, Raum für Hardware, Verkabelung usw.

- Rechtliche Anforderungen an das System prüfen. Mit der Einführung eines Imaging-Systems ist die Ordnungsmäßigkeit tangiert. Die vollständige und richtige Verarbeitung und Speicherung der Belege muß gewährleistet bleiben.

- Imaging-System auf spezifische Anforderungen des Unternehmens testen. Es liegt im besonderem Interesse einer späteren erfolgreichen Einführung das Pilotsystem auf spezifische Anforderungen des Unternehmens zu testen. So kann die Verarbeitung von zum Beispiel, angeschmutzten oder eingerissenen Belegen geprüft oder die Retrieval- und Reproduktionsgeschwindigkeit von Images per Druck oder Hardcopy getestet werden.

Kriterien für die Auswahl eines Pilotsystems

Wie läßt sich ein Pilot für Imaging finden? Einer Studie von Nolan, Norton & Co. zufolge sind nur 17,3 Prozent der Pilotinstallationen in produktive Systeme überführt worden. 80,6 Prozent hatten weder einen positiven noch einen negativen Eindruck hinterlassen und 2,1 Prozent der Pilotprojekte sind von den Organisationen mit überwiegend negativen Attributen belegt worden.

Die Auswahl eines Anwendungsbereiches für ein Pilotsystem ist also eine sehr wichtige Aufgabe, die nicht zu unterschätzen ist. Politische und sachliche Umstände sind zu berücksichtigen. Notwendig ist auch eine sorgfältige Analyse der möglichen Anwendung.

Der folgende Abschnitt gibt einige Anhaltspunkte für die Auswahl eines geeigneten Pilotsystems:

- Imaging-System entlang der Wertekette einsetzen. Das Pilotteam sollte zukünftige Systeme entlang der Wertekette eines Unternehmens einsetzen und nicht als unterstützende Funktion in der Organisation dienen. Die Auswirkungen von Verbesserungen haben einen größeren Einfluß auf den Geschäftserfolg und können Entscheidungsträger eher beeindrucken.

- Parallellauf möglichst ohne großen Aufwand. Während der Anfangsphase eines Pilotprojektes erfolgt ein Parallellauf des alten manuellen und des neuen Verfahrens, bis die Entscheidung für ein unternehmensweites System gefallen ist. Es ist zu bedenken, daß Mitarbeiter während dieser Zeit teilweise doppelte Arbeit verrichten müssen.

Die gescannten Belege werden nicht vernichtet, sondern nach dein bisherigen Verfahren anschließend archiviert, das heißt entweder verfilmt oder in Papierarchiven abgelegt. Die Doppelarbeit fällt also nicht in der Sachbearbeitung, sondern in der Registratur an, die in den meisten Fällen voneinander getrennt ist. Einige Anwender stellten während dieser Phase Zeitarbeitskräfte ein.

- Mitarbeiter sollten technologiefreundlich eingestellt sein. Wichtig bei der Auswahl eines Pilotprojektes ist, daß die Mitarbeiter neuer Technologien aufgeschlossen gegenüberstehen und bereit sind, während der Versuchsphase den Parallellauf durchzuführen.

- Papier sollte der wesentliche Informationsträger sein. Sachbearbeiter machen ihre Arbeit in starker Abhängigkeit von Papier. Die Informationen darauf sollten von mehreren Personen gebraucht werden.

- Archive dienen nicht nur als ordentliche Altablage, sondern es sollte ein möglichst häufiger Zugriff durch Sachbearbeiter möglich sein. Interessant sind vor allem die Anwendungsgebiete, in denen bisher konkurrierende Zugriffe stattfanden und sequentiell gelöst werden mußten. Mit Imaging ist ein (fast) paralleler Zugriff möglich.

- Wenn bisher Akten verlorengingen, war ihre Rekonstruktion sehr teuer. Beim Imaging-System erhöhen optische Speicher die Sicherheit der Aktenablage und des Zugriffs auf das Archiv.

Die optimale Größe für ein Pilotsystem beträgt sechs bis zwölf Benutzer. Dies ist groß genug, um die Konzeption der Netzanforderungen zu testen und klein genug, um die technische Unterstützung für das Pilotsystem zu begrenzen.

Die Dauer der Pilotphase

Das Pilotsystem simuliert das zukünftige System. Daher sollten es die Teilnehmer an dieser Phase in einem abgegrenzten Bereich des zukünftigen Einsatzgebietes erproben. Ist ein Zugriff von weiter entfernten Stellen notwendig, so kann auch dies in dem Pilotprojekt durch einen Remote-Betrieb simuliert werden.

Die Dauer der Pilotphase sollte sechs bis neun Monate nicht überschreiten, wobei während der ganzen Zeit kein Parallellauf notwendig ist.

Es empfiehlt sich, ab sechs Monaten nach Systemstart alle Auswertungen durchzufahren und Anforderungen zu testen, die Benutzer zu schulen und die Auswirkungen auf die Arbeitsweise der Sachbearbeiter ausreichend zu erproben und zu dokumentieren.

Das Pilotsystem darf in dieser Phase kein Technologie-Pilot mehr sein. Entscheidend ist die Erprobung unter möglichst realen Bedingungen.

Die Einführung von Imaging-Systemen mit einer bestimmten Größe ohne Pilotprojekt ist nicht zu empfehlen. Trotzdem sollte man sich der Grenzen der Pilotphase bewußt sein:

- Wide-Area-Networks werden in einem Pilotsystem selten getestet: Die Zugriffsgeschwindigkeit auf ein Archiv ist ein wesentlicher Faktor für den Erfolg eines Imaging-Systems. Problematisch kann dies in solchen Fällen sein, wenn man bei größeren Entfernungen zwischen den zu verbindenden Organisationseinheiten von Öffentlichen Netzen abhängig ist.

- Parallellaufende Systeme sind Ressourcenschlucker. Mit einem langen Parallelbetrieb kann es passieren, daß die Sachbearbeiter nicht den vollen Nutzen der papierarmen Abläufe erfahren.

- Meist können nicht alle Schnittstellen in einem Pilotsystem realisiert werden, da die Organisationen die Kosten eines Pilot-Projektes begrenzen wollen.

- Die Erfahrungen, die Unternehmen mit einem Pilotsystem gewinnen, lassen sich nie 100prozentig auf das unternehmensweite System übertragen. Die Anforderungen anderer Abteilungen können differieren.

Die Einführung von abteilungs- oder unternehmensweiten Imaging-Systemen wird mit Pilotprojekten Erfolg haben. Allerdings muß man den Projektteams und den Anwendern Zeit lassen, mit der neuen Technologie in einer neuen Organisation Erfahrungen zu sammeln. Dies ist am besten in kleinen, abgegrenzten Teilbereichen mit Pilotprojekten möglich, bevor eine abteilungs- oder unternehmensweite Lösung verwirklicht wird.