Bildschirmtext hat sich 1987 wacker geschlagen

18.12.1987

Sachlichkeit und Pragmatismus kennzeichneten die Entwicklung des Mediums Bildschirmtext im Laufe dieses Jahres. Nach Aussagen von Eric Danke, Referatsleiter Bildschirmtext im Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen, "hat man sich inzwischen darauf eingestellt, daß die früheren Prognosen über ein schnelles Wachstum vor allem im privaten Bereich bisher nicht eingetroffen sind". Insgesamt hat sich das Blatt jedoch eher zum Guten gewendet, wovon vor allen Dingen die Steigerung der Teilnehmerzahlen um fast 60 Prozent, die höhere Verfügbarkeit von komfortablen und preisgünstigen Endgeräten sowie greifbare Verbesserungen im Rahmen des neuen Btx-Release-Standes zeugen. Bifoa-Projektleiter Heinz A. Gartner hebt in diesem Zusammenhang die Einführung der transparenten Daten hervor, die eine Nutzung bestehender Anwendungen ohne Anpassung an die Btx-Benutzeroberfläche ermöglicht. Natürlich gibt es bei Bildschirmtext weiterhin wunde Punkte. Dazu zählen aus der Sicht von Karin Bekelaer, Abteilungsleiterin im Bereich Handelsorganisationen bei BMW, zum Beispiel Btx-Gebührenerhöhungen und die noch fehlende Zulassung für Mehrplatzsysteme. Der Geschäftsführer der Btx Südwest Datenbank GmbH, Peter Mahnkopf, nennt in diesem Zusammenhang ungelöste nichttechnische Fragen wie Inkasso, Marketing und Umsatzsteuerproblematik, die für den weiteren Erfolg von Bildschirmtext einer dringenden Bearbeitung bedürften.

Für den Btx-Dienst der Deutschen Bundespost war 1987 ein Jahr nüchterner Sachlichkeit. Man hat sich inzwischen darauf eingestellt, daß die früheren Prognosen über ein schnelles Wachstum vor allem im privaten Bereich bisher nicht eingetroffen sind, und man hat sich mit den Stärken und Schwächen dieses neuen Mediums auseinandergesetzt. In vielen Fällen haben sich dabei interessante Anwendungsmöglichkeiten für den eigenen Bereich gezeigt. Sicher wurde diese Einstellung auch durch die Entwicklung in Frankreich begünstigt, wo über drei Millionen Minitel-Geräte zeigen, daß es für interaktive Videotex-Dienste durchaus ein größeres Marktpotential gibt, wenn nur die Eingangsschwellen genügend niedrig sind.

Der Schwerpunkt des Btx-Einsatzes liegt in der Bundesrepublik heute im geschäftlichen Bereich. Hier wird Btx hauptsächlich zur preiswerten Datenkommunikation für Bestellungen, Buchungen, Reservierungen, Datenabfragen und Datenerfassung, aber auch für den Austausch von Kurzmitteilungen genutzt.

Die Zahl der Btx-Anschlüsse ist 1987 auf 95000 angewachsen. Die Hälfte davon werden geschäftlich, 18 Prozent rein privat und 32 Prozent gemischt eingesetzt. Auch die Nutzung des Btx-Systems hat kontinuierlich zugenommen. Über zwei Millionen Btx-Verbindungen und eine halbe Million ausgetauschter Mitteilungen im Monat zeigen, daß die Teilnehmer den Dienst aktiv anwenden.

Nachdem es Btx-Interessenten in den ersten Jahren schwerhatten, ein geeignetes Endgerät zu finden, stehen mit der Markteinführung des Multitel und mit den Btx-Zusätzen für PCs und Heimcomputer jetzt erstmals auch breiter einsetzbare Geräte zur Verfügung. Allein das Multitel, eine Kombination von Btx-Gerät und Komfort-Telefon mit Bildschirmregister, macht die Hälfte aller Neuzugänge aus. Ein weiteres Viertel entfällt auf den Bereich der Mikrocomputer.

Mitte des Jahres hat die Bundespost den Btx-Dienst um eine ganze Reihe neuer Funktionsmerkmale erweitert. Vor allem sei hier der direkte Aufruf von Btx-Anbietern durch Namenseingabe, zum Beispiel *Post #, genannt, der die bisherigen Zugriffsverfahren erheblich verbessert hat. Die Entwicklung der Btx-Funktionen ist damit weitgehend abgeschlossen. Allerdings werden Ende 1988/ Anfang 1989 als weitere Möglichkeiten zeitabhängige Anbietervergütungen und die ständige Aktualisierung von Btx-Seiten im Dialog mit externen Rechnern eingeführt werden.

Außerdem werden für 1988 der Dienstübergang zu Telebox, die Verbindung mit dem neuen Stadtfunkrufdienst, die Weiterentwicklung des Chipkarteneinsatzes für Btx und vor allem die Zugangsmöglichkeit über das ISDN vorbereitet. Die ISDN-Teilnehmer werden dann das gesamte Btx-Angebotsspektrum nutzen können. Die 50mal schnellere Übertragung auf der Anschlußleitung verkürzt insbesondere die Ladezeit für aufwendige Grafiken. Wartezeit und Bildaufbau werden sich im ISDN deutlich beschleunigen lassen.

1987 war für Btx ein gutes Jahr. Die Entwicklung ging weiter voran, und auch die Perspektiven für die Zukunft sind günstig.

Mit einer Steigerung der Teilnehmer um fast 60 Prozent hat Bildschirmtext ein besseres Wachstum als andere Telekommunikationsdienste der Post. Wenn auch die überzogenen Erwartungen der frühen Btx-Zeit nicht erfüllt wurden, kann man dennoch feststellen, daß sich Bildschirmtext als Medium der geschäftlichen Kommunikation etabliert hat, Umfrageergebnissen zufolge kommen mehr als zwei Drittel aller Btx-Teilnehmer aus dem professionellen oder semi-professionellen Bereich.

Zu einem Teilnehmerschub haben sicherlich die seit diesem Jahr in größeren Stückzahlen und zu günstigeren Preisen verfügbaren Multitels geführt. Darüber hinaus kann mittlerweile praktisch jeder PC für relativ wenig Geld Btx-fähig gemacht werden. Entsprechende Programme ermöglichen die Integration der Kommunikation über Btx mit der Datenverarbeitung auf dem PC. Der Einfluß der Btx-Module für Homecomputer läßt sich bis jetzt noch nicht ganz abschätzen; diese Module dürften jedoch die private Btx-Nutzung beschleunigen.

In diesem Jahr hat auch die Post den Übergang von Btx zu Telex geschaffen, nachdem diese Möglichkeit von privaten Anbietern schon länger angeboten wurde. Für eine Grundgebühr von acht Mark im Monat kann somit an allen relevanten Arbeitsplätzen Telex zur Verfügung gestellt werden. Von privaten Anbietern sind auch Übergänge zu Teletex, Telefax sowie zu diversen Electronic-Mail-Diensten geschaffen worden. Insofern bietet Btx bereits jetzt für jedermann einen Vorgeschmack auf ISDN: Mit einem (Mehrdienste-)Endgerät können die Teilnehmer vieler Telekommunikationsdienste erreicht werden. Es liegt in der Natur der Sache, daß die Verkehrsgebühren bei Nutzung dieser Dienste über Btx höher sind. Die deutlich niedrigere Grundgebühr führt jedoch bei nicht allzu hohem Kommunikationsaufkommen dennoch zu Kostensenkungen.

Das´ neue Software-Release, das Mitte des Jahres in Betrieb genommen wurde brachte eine Reihe von Verbesserungen mit sich. Dies betrifft zum Beispiel den Mitteilungsdienst, der für den Benutzer wesentlich komfortabler wurde (unter anderem Löschen und Anzeigen von Mitteilungen aus dem Inhaltsverzeichnis, Werbekennzeichen), Verbesserungen im Anbieterbereich, die bei entsprechender Nutzung die Antwortzeiten für den Teilnehmer verbessern können (Referenzen für Decoder-Definitionen und Combined-Seiten), sowie Vereinfachungen für den Teilnehmer (zum Beispiel Kurzwahl, alphanumerische Suche, vereinfachtes Absenden von Dialogseiten). Wichtig für den Rechnerverbund ist die Einführung der transparenten Daten, die eine Nutzung bestehender Anwendungen ohne Anpassung an die Btx-Benutzeroberfläche ermöglicht. Diese Funktion erleichtere die Nutzung von Btx als billiges Transportmedium für die Anbindung kleinerer Einheiten sehr. Dafür verliert der Anbieter jedoch die Möglichkeit, die Benutzeroberfläche seiner Anwendungen an die spezifischen Bedürfnisse von DV-Laien, die erheblich zur Akzeptanz beitragen, anzupassen.

Außerdem hat sich das Angebot an Datenbanken, die (nur oder auch) über Btx zugänglich sind, in diesem Jahr stark erhöht.

Wichtig ist hierbei vor allem, daß viele Datenbanken eine spezielle Benutzeroberfläche in Btx aufweisen, die gerade dem Wenignutzer die Arbeit sehr erleichtern.