Bildschirme mit Perspektive "Fuer den industriellen Einsatz sind Datenhelme ungeeignet"

01.09.1995

Von Hilde-Josephine Post*

Head-mounted Displays (HMD) sind eine umstrittene Attraktion. Wie mit einer Art Tauchermaske sollen kuenftig Ingenieure, Chemiker, Architekten oder Designer in dreidimensionale virtuelle Computerwelten eintauchen und damit arbeiten. Industrielle Anwender bemaengeln jedoch nicht nur unzureichende Qualitaet und hohe Kosten, sondern die Technik an sich.

"Worueber man nachdenken muss, ist die Tatsache, dass HMDs nicht nur fuer Demonstrationszwecke, sondern fuer den Acht-Stunden-Tag geeignet sein sollen", kritisiert Nat Durlach, der am Massachusetts Institute of Technology (MIT) untersucht, wie Menschen virtuelle Raeume wahrnehmen.

Mittlerweile zeichnet sich am Horizont ein anderer Weg in die dreidimensionale Welt ab: der 3D-Bildschirm. "Keiner moechte unbedingt etwas auf seinem Kopf tragen", hat Mark Bolas, President der Firma Fakespace, gelernt. "Wir schauen deshalb, was die Anwender wirklich brauchen!"

Ein Designer muesse waehrend seiner Arbeit auch telefonieren oder in Unterlagen schauen. Ein elektronischer Helm erweise sich da als sehr laestig. Deshalb will das erfolgreiche Unternehmen aus dem Silicon Valley im Herbst "Push", einen 3D-Bildschirm fuer den Schreibtisch, auf den Markt bringen: Ein schwarzer Kasten als stereoskopisches Display, das auf drei beweglichen Beinen steht.

Nur halb so teuer wie ein Datenhelm

Ein Designer braucht damit nicht von seinem Schreibtisch aufzustehen und kann dennoch um sein virtuelles Auto herumlaufen. Er benoetigt weder eine 3D-Maus noch einen Joystick als Steuergeraet. Durch die kuenstliche Welt navigiert er sich, indem er ganz einfach den Kasten nach vorne, hinten, oben, unten oder zur Seite bewegt. So fuehrt ein leichter Stoss nach rechts mit gleichzeitigem Drehen nach links den Designer um sein Auto herum.

Diese Steuerung sei den intuitiven menschlichen Bewegungen angepasst, was bei vielen 3D-Navigatoren (Joystick, Spaceball, Handschuh oder 3D-Maus) nicht der Fall ist. Da im Unterschied zu einem HMD das Gewicht keine Rolle spielt, koennen gute Darstellungssysteme verwendet werden, die zudem individuell austauschbar sind.

So setzt Fakespace auf Kathodenstrahlroehren, die zwar schwerer als HMDs mit LC-Monitor sind, aber dafuer eine bessere Aufloesung (mit bis zu 1280 x 1024 Bildpunkten) bieten. Zusaetzlich ist das Blickfeld groesser als bei HMDs, die als Kompromiss zwischen Optik und Aufloesung haeufig nur 50 Grad statt der optimalen 120 Grad anzeigen. Mit Push dagegen blickt der Anwender auf ein 110 Grad grosses Sehfeld. Marketing-Chef David Eggleston ergaenzt: "Und das alles wird nur halb soviel kosten wie ein vergleichbares HMD."

In Deutschland entwickeln Sachsen einen 3D-Monitor

Auch in heimischen Gefilden arbeitet man an einer Art 3D- Bildschirm. So stellte die Universitaet Dresden auf der "Laser 95" in Muenchen einen dreidimensionalen Monitor vor, den sie im Rahmen der Technologiefoerderung des Saechsischen Wirtschaftsministeriums entwickelt hat. "Hier ist der Ingenieur wenigstens noch faehig, seine natuerliche Umgebung wahrzunehmen", erklaert Holger Heidrich den wesentlichen Vorteil dieses Systems im Vergleich zu einem HMD. Auf dem Bildschirm werden zwei stereografische Halbbilder zeilenweise ineinander verschachtelt und abwechselnd angezeigt. Basis ist ein Fluessigkristall-Bildschirm.

Das linke Halbbild wird ueber eine Prismenmaske aus dem Gesamtbild des Monitors gefiltert und auf das linke Auge des Betrachters gelenkt. Das gleiche passiert mit dem rechten Halbbild. Zur Marktreife reicht es allerdings noch nicht: "Wir hoffen, innerhalb eines Jahres eine Version zu entwickeln, bei der sich der Betrachter auch bewegen darf. Ein Mehrfachbetrachter-System wird weitere zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen", erlaeutert Entwicklungschef Armin Schwerdtner.

Erstes Anwendungsgebiet soll die minimal invasive Chirurgie sein, doch auch im 3D-Videospiele- oder Home-Shopping-Bereich sehen die Dresdner einen Markt.

Was die unterschiedlichen 3D-Monitore oder -Brillen taugen, versucht auch die British Telecom in ihren Labors in Ipswich herauszufinden. Es gilt, komplexe Telefonnetze ueberschaubar zu halten. Zudem arbeiten die Forscher an einem 3D-Videotelefon: "Die Faehigkeit, einen dreidimensionalen Eindruck zu vermitteln, ohne dass die Benutzer spezielle Brillen tragen muessen, ist ein bedeutender Durchbruch. Brillen sind unbequem!"

So entsteht in Ipswich gerade ein System, in dem der Sprecher von zwei Kameras aufgenommen wird. Die Bilder entsprechen damit denen, die das linke beziehungsweise rechte Auge sieht. Sie werden auf einem LCD-Bildschirm angezeigt, auf dem zwei zusaetzlich Linsen sitzen, die fuer die Augen des Betrachters wieder linkes und rechtes Halbbild trennen.

* Hilde-Josephine Post ist freie Jouralistin in Muenchen.