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Bilanzmauscheleien bei AOL: Die Spur führt zu Worldcom

23.08.2002

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - America Online (AOL), die Internet-Sparte von AOL Time Warner, hat offenbar den größten Teil der möglichen Falschbuchungen in Höhe von 49 Millionen Dollar (Computerwoche online berichtete) durch Geschäfte mit dem bankrotten US-Carrier Worldcom erzielt.

Nach einem Bericht der "Washington Post" ist die US-Börsenaufsicht SEC bei ihren Untersuchungen unter anderem auf einen Megadeal zwischen AOL und dem TK-Konzern vom Juli vergangenen Jahres gestoßen. In dessen Rahmen soll sich Worldcom bereit erklärt haben, bei AOL Anzeigen für über 200 Millionen Dollar zu kaufen. Danach habe sich der Online-Dienst bereit erklärt, weiterhin seinen Bedarf an Internet-Kapazitäten bei der Worldcom-Tochter Uunet abzudecken. Die SEC vermutet, dass es sich hierbei um eine sogenannte "Round-tripping"-Transaktion handelte. Dabei können alle Beteiligten ihre Umsätze künstlich aufblähen - in der Hoffnung, von gestiegenen Aktienkursen zu profitieren.

Da das fragwürdige Geschäft bereits nach der Fusion zwischen AOL und Time Warner geschlossen wurde, wird weiterhin spekuliert, dass der Online-Dienst mit Geschäften dieser Art versucht habe, die optimistischen Umsatz- und Gewinnprognosen vor dem Merger um jeden Preis zu erfüllen. Insiderinformationen zufolge wurde die Verhandlungen zumindest teilweise zwischen dem inzwischen entlassenen Manager David Colburn und dem wegen Bilanzbetrug geschassten Worldcom-CFO Scott Sullivan geführt. Auch sonst gibt es auffallend enge Beziehungen zwischen AOL und Worldcom. Steve Case, AOL-Gründer und Chairman bei AOL Time Warner, saß ein Jahr im Aufsichtsrat der Telefongesellschaft und ist mit dem aktuellen Worldcom-Chef John Sidgemore befreundet. Sidgemore erklärte jedoch, er wäre in den damaligen Deal nicht involviert gewesen.

Nach einem Bericht der "Financial Times" soll sich die SEC bei ihren Ermittlungen außerdem für die Umstände interessieren, unter denen 15 Führungskräfte des Medienkonzerns im Frühjahr vergangenen Jahres im großen Stil Unternehmensaktien verkauft und dabei fast 500 Millionen Dollar verdient haben. Bislang sei jedoch noch unklar, inwieweit die Topmanager von möglichen Bilanztricks wussten oder Zweifel am Erreichen der Unternehmensziele hatten. Der Meldung zufolge soll der AOL-Gründer Case bei den Aktienverkäufen zwischen Februar und Juni vergangenen Jahres fast 100 Millionen Dollar eingenommen haben. Der jetzige AOL-CEO Richard Parsons profitierte immerhin noch mit 21 Millionen Dollar.

Vor dem Verkauf hatten Case und andere Topmanager den Investoren wiederholt versichert, das Unternehmen werde im Geschäftsjahr 2001 trotz Einbruchs des Anzeigengeschäfts und der allgemeinen Schwäche der Medienbranche die Einnahmen gegenüber dem Vorjahr wie geplant um zwölf Prozent steigern. Außerdem stellten die Führungskräfte beim Profit vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen einen Zuwachs von 30 Prozent in Aussicht. Nachdem der Aktienkurs daraufhin bis Mai auf fast 57 Dollar geklettert war, erfolgte dann im September die erste Gewinnwarnung, Seitdem hat das Papier drastisch an Wert verloren, aktuell notiert die Aktie bei unter 14 Dollar. Die SEC will nun untersuchen, ob die Prognosen unrealistisch waren und primär zum Ziel hatten, den Aktienkurs künstlich hoch zu halten. (mb)