BIK prophezeit Tendenzwende in der Datenverarbeitung:Evolution stabilisiert Kostenentwicklung

14.04.1978

FRANKFURT (de) - Seit der Ankündigung der IBM-370-Nachfolgesysteme 3031, 3032 und 3033 hat sich die Kostensituation in der Datenverarbeitung normalisiert. Weil viele IBM-Anwender heute mit längeren Installationszyklen rechnen, werden die installierten Zentraleinheiten zunehmend gekauft, stellt beispielsweise das Betriebswirtschaftliche Institut der Deutschen Kreditgenossenschaften BIK GmbH (Frankfurt) in seinem Geschäftsbericht 1977 fest. Kommentiert die BIK-Geschäftsführung die Tendenzen in der Datenverarbeitung: "Die Evolutionspolitik der Hersteller ... wird dazu führen, daß der Einsatz von Hardware aus den 70er Jahren auch im 9. Jahrzehnt durchaus angemessen sei". Im BIK-Geschäftsbericht heißt es weiter:

Die große Revolution in der Datenverarbeitungs-Technologie ist auch im Jahre 1977 ausgeblieben. IBM's im Frühjahr angekündigte 3000er Serie bringt eine stufenweise Verbesserung der Architektur der 370-Systeme im Sinne einer - dies ist die offizielle Lesart - "Evolution der Computertechnik. Diese Evolutionspolitik der Hersteller, der sich nach Aufgabe der "Future-Systems" durch die IBM inzwischen zumindest auch Univac durch Abbruch des "Roanoke"-Projekts offen .angeschlossen hat, wird dazu führen, daß der Einsatz von Hardware aus den 70er Jahren auch im 9. Jahrzehnt durchaus angemessen sein wird. Schätzungen, die plausibel erscheinen, gehen auf Installationszyklen von mehr als zehn Jahren. Diese Entwicklung wirkt sich in der Gruppe der genossenschaftlichen Rechenzentralen unter anderem darin aus, daß im vergangenen Jahr EDV-Systeme - zumindest die Zentraleinheiten - in zunehmendem Maße gekauft wurden, eine Tendenz, die durch beachtliche Preissenkungen in 1977 unterstützt wurde. In diesem Trend ist zweifellos ein stabilisierender Faktor in der Datenverarbeitungs-Kostenentwicklung zu sehen. Auch das BIK hat in 1977 die bei ihm installierten Zentraleinheiten gekauft.

Trend zur kleinen Maschine

Nahezu gleichzeitig mit der Vorstellung einiger Nachfolgesysteme für die 370er Serie kündigte der Marktführer bei den Universalrechnern eine "Mini-Serie" (IBM System /1) auch für den europäischen Markt an, nachdem sie vorher bereits in den USA eingeführt worden war. Ebenso hört man von Siemens, daß 1978 der Schritt in die "MDT", in die Welt der kleinen Systeme, wie wir sie nennen möchten, getan werden soll. Zweifellos kommt darin eine weitere Tendenz in der Entwicklung der Datenverarbeitungsorganisation zum Ausdruck, der sich noch verstärkende Trend zum "Distributed Processing", eine Entwicklung, die allerdings auch schon in den Vorjahren zu beobachten war.

Zurück zur Hardware

Auch die Softwarelandschaft blieb von Erdbeben verschont. Konsequenterweise müssen die Hersteller bei unveränderter Hardware eine entsprechende Beständigkeit bei den Betriebssystemen sicherstellen, wenn sie ihr erklärtes Ziel erreichen wollen, die Investitionen ihrer Kunden in Anwendungssoftware vor vorzeitiger Überalterung zu schützen. Daß dessen - ungeachtet die Betriebssysteme immer umfangreicher werden und die Selbstverwaltungsrate der Systeme damit tendenziell steigt, scheint ein Trend zu sein, dem die Hersteller möglicherweise eines Tages durch ein "Zurück zur Hardware", das heißt durch den Einsatz von Spezial-Rechnern für Datenbanksysteme und ähnlichen Aufgaben in einem Rechnerverbund begegnen werden. Die bereits realisierten Rückverlagerungen bestimmter Funktionen aus der Betriebssoftware in Mikroprozessoren scheint diese Annahme zu rechtfertigen.

Software-Wunder ausgeblieben

Im übrigen bleibt es im Bereich der anwendungsnahen Software vorläufig offensichtlich bei den bereits bekannten Datenverarbeitungs- und Datenbankmonitoren; auch die immer wieder angekündigten Wunder-Compiler zur weiteren Vereinfachung der Programmierung - etwa auf der Basis der Umgangssprache - haben sich bislang nicht bewähren können. Dennoch bleibt das Problem der rechnerunterstützten Entwicklung von Computerprogrammen bei zunehmender Komplexität der zu lesenden Anwendungsprobleme unverändert akut. Bei den genossenschaftlichen Rechenzentralen wie auch beim BIK werden deshalb in zunehmendem Maße in diesem Bereich gesicherte Verfahren eingeführt, die zur Zeit allerdings vor allem Hilfsfunktionen der Anwendungsentwicklung, wie Dokumentation, Bestandsverwaltung oder Online-Programmierung, umfassen.

Unabhängig von der eingesetzten Entwicklungs-Technologie werden die Kosten für die Erstellung und Wartung der Anwender-Software immer stärker zum bestimmenden Faktor bei der Realisierung von Datenverarbeitungs-Systemen. Es gibt heute auch in unserem Bereich bereits Systeme, in denen die auf einem Computer ablaufenden Programme mehr gekostet haben als der Computer selber und bei denen die Pflege der Anwendungsprogramme größeren Aufwand verursacht als die Wartung der Rechnersysteme. Wirtschaftliche Datenverarbeitung muß deshalb in Zukunft in weitaus stärkerem Maße als bisher die kooperative Entwicklung von Anwendungssoftware nutzen. Die hier gegebenen Einsparungsmöglichkeiten dürften auf lange Sicht um ein Vielfaches größer sein, als sie durch gemeinsames Vorgehen auf den Beschaffungsmärkten für Hardware (falls das möglich wäre) erzielt werden könnten.