Berufsprofil mit Zukunft

Big Data ist Teamsport

18.11.2013
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
In den kommenden Jahren entstehen viele neue Jobs im Big-Data-Umfeld. Das Tätigkeitsprofil ist vielschichtig und bietet unterschiedliche Schwerpunkte.

Zweifellos ist Big Data eines der wichtigsten IT-Trendthemen. Ob Spezialisten oder Generalisten die neuen Aufgaben übernehmen werden, welche Berufsfelder sich herauskristallisieren und wie viele Jobs zu erwarten sind, darüber gehen die Meinungen zum Teil weit auseinander. Die Marktforscher von Gartner zum Beispiel brachten imposante Zahlen in Umlauf. Bis 2016 sollen aufgrund von Big Data weltweit rund 4,4 Millionen neue IT-Jobs entstehen.

Die Optimisten von Gartner sagen, dass bis 2016 weltweit 4,4 Millionen Jobs im Big-Data-Umfeld entstehen.
Die Optimisten von Gartner sagen, dass bis 2016 weltweit 4,4 Millionen Jobs im Big-Data-Umfeld entstehen.
Foto: Dreaming Andy - Fotolia.com

Dabei stellt sich die Frage, wie die neuen Aufgaben aussehen und welche Qualifikationen IT-Experten mitbringen sollten, die sich mit der Technologie beschäftigen. "Den typischen Big-Data-Experten gibt es nicht", sagt etwa Klaas Bollhöfer vom Berliner Unternehmen The unbelievable Machine Company GmbH - kurz "um" genannt. Das 2008 in Berlin gegründete Startup konzentrierte sich anfangs auf Serviceangebote rund um Cloud-Technologien, doch seit 2011 kamen immer mehr Kundenanfragen zu Big Data hinzu.

Das Interesse der Kunden wächst

Von den mehr als 40 IT-Mitarbeitern betreut heute ein Viertel Big-Data-Projekte, die anderen kümmern sich um klassische Infrastrukturanfragen und Cloud Computing. Doch Bollhöfer sieht die Chancen, die sich für seine Kunden aus der Analyse großer, teils unstrukturierter Datenmengen ergeben. Welche Geschäftsmodelle sich darauf aufbauen ließen, sei noch nicht voll absehbar: "Das Potenzial ist groß, schon heute fließt viel Geld in die Infrastruktur. Doch wie sich dieser Schatz heben lässt, darüber denken wir intensiv mit unseren Kunden nach."

Steffen Braun, Geschäftsführer von KI Business Performance, einem IT-Beratungshaus in Köln, sieht vor allem für die Branchen Handel, Finanzen und Versicherungen sowie Automobil Anknüpfungspunkte und freut sich über das zunehmende Kundeninteresse: "Viele wollen von uns wissen, wie Projekte aussehen könnten und was von den Versprechen der Hersteller zu halten ist." In den vergangenen zwei Jahren sei die Technik reifer geworden, was das Vertrauen auf Kundenseite erhöht habe.

KI Business Performance beschäftigt rund 45 Mitarbeiter, darunter auch einige ausgewiesene Big-Data-Spezialisten. Benjamin Rossel ist einer dieser begehrten Experten. Er hatte sich während des Studiums auf das Thema spezialisiert. Nach einem Bachelor in Betriebswirtschaft entschied sich der heute 30-Jährige für das Master-Studium Innovations- und Informations-Management an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. "Ich habe während des Studiums schon für KI Business Performance gearbeitet und konnte so Theorie und Praxis miteinander verbinden", erläutert Rossel. In seiner Master-Arbeit untersuchte er, warum Unternehmen Schwierigkeiten haben, relevante Informationen in großen Datenmengen zu erkennen und Geschäftsmodelle daraus abzuleiten: "Für viele Firmen ist das die schwierigste Hürde für den Einstieg in dieses Themenfeld."

Noch kein einheitliches Berufsbild

Ein einheitliches Berufsbild gibt es nicht, doch Steffen Braun identifiziert drei unterschiedliche Rollen: "Der Consultant oder Analyst versteht den Kunden, die Branche und die Prozesse. Er berät in Projekten und tritt auch als Projekt-Manager auf." Für die zweite Rolle kommen nur Kandidaten in Frage, die sich in den Disziplinen Mathematik und Statistik zu Hause fühlen, denn sie übernehmen den methodischen Teil innerhalb des Projektteams. Schließlich braucht auch jedes Big-Data-Projekt Entwickler, die alles in eine Programmiersprache übersetzen können. Berufserfahrung und Branchenkenntnisse runden das Bild ab. "Es ist sehr selten, dass ein Mitarbeiter alle diese Rollen ausfüllen kann", bilanziert Braun.

Auch für Bollhöfer von The unbelievable Machine vereint kaum jemand alle wichtigen Kompetenzen auf sich. Er selbst nennt sich Data Scientist, die englische Bezeichnung umfasst etwa das Profil eines Analysten, wie es Steffen Braun beschreibt. Bollhöfer entwickelte nach einem Ingenieurstudium bei einer Multimedia-Agentur Web-Portale und Content-Management-Systeme: "Business, IT und konzeptionelle Ideen waren schon immer mein Metier." Mathematik und Programmieren mit einer Affinität zum Hacken zählen ebenso zum Profil wie Kommunikationsstärke. "Man muss der Typ dazu sein", meint der eloquente Bollhöfer. Und das klingt so, als ob nicht jeder Informatiker Data Scientist sein könne.

Noch existieren kaum formale universitäre Ausbildungswege zum Big-Data-Spezialisten, doch das muss kein Nachteil sein, wie die Gesprächspartner betonen, denn es gebe vielfältige Einstiegsoptionen. Neben herstellerspezifischen Zertifikaten und Schulungen finde man im Netz auch zahlreiche kostenlose Online-Kurse, etwa vom Hasso-Plattner-Institut in Potsdam. Bollhöfer lernte beim Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssys-teme (IAIS) in St. Augustin die Kniffe der Datenanalyse. Genauso wichtig wie das theoretische Wissen sei jedoch Berufserfahrung. Doch genau daran fehlt es in dieser noch jungen Disziplin.

"Die Themen sind da", freut sich Jürgen Rohrmeier, Personalberater sowie Senior Partner und Mitglied des Vorstands der Pape Consulting Group in München, auch wenn sich die Nachfrage nach Big-Data-Experten noch in einem überschaubaren Rahmen bewege. Zum Anforderungsprofil zählt Rohrmeier neben exzellenten Datenbankkenntnissen und Projekt-Management auch ein fundiertes Verständnis der Geschäftsprozesse: "Für Wirtschaftsinformatiker sehe ich in dieser Sparte die größten Chancen, denn sie verstehen Unternehmenszusammenhänge und Technik."