Auslieferung und neue Produkte erwartet

Big Blue will ES/9000-Mainframes mit Hard- und Software erweitern

16.08.1991

FRAMINGHAM (CW) - Die Summit-Mainframes sind nun die Hoffnungsträger der IBM: Nach den verheerenden Zahlen der ersten beiden Quartale erhofft sich der Marktführer von den im September beginnenden Auslieferungen der ES/9000-Modelle 820 und 900 eine Verbesserung seiner Bilanz. Zudem glauben Marktbeobachter, daß die IBM weitere Hardware und Software-Produkte für die System-390-Familie ankündigen wird.

IBM-Verantwortliche bestätigten, daß die High-end-Modelle 820 und 900 ab kommendem Monat ausgeliefert werden. Zu den erwarteten Neuankündigungen mochten sich die Offiziellen von Big Blue zwar nicht äußern, gegenüber der COMPUTERWOCHE bemerkte ein Sprecher der Stuttgarter Deutschland-Zentrale jedoch: "Ich kann Ihnen zu diesen Aussagen eigentlich keinen Kommentar abgeben. Direkt abstreiten will ich sie aber auch nicht."

Auf die Frage, wann mit den Ankündigungen zu rechnen sei, stellte der IBM-Sprecher einen Zusammenhang mit der Auslieferung der 820- und 900-Summit-Modelle her: "Es dürfte wenig Sinn machen, die Systeme ab September auszuliefern, mit möglichen Ankündigungen hierzu aber bis zum November hinter dem Berg zu halten."

Insider avisieren vier neue Produkte in IBMs Enterprise-Systems-Portfolio: Dazu soll zum einen ein wassergekühltes Low-end-Modell aus der Summit-Serie gehören, was bedeutet, daß der neue ES/9000-Rechner schon mit der nächsten Generation der in Böblingen entwickelten Chip-Technologie ausgerüstet sein wird.

Die ES/9000-Systemreihe luftgekühlter Rechner soll zum anderen um eine Vierprozessor-Maschine erweitert werden. Darüber hinaus kann der Anwender nach Meinung der AnaIysten auch mit einem Ausbau des Angebots bei 3390-Plattenspeicher-Einheiten rechnen.

Zu guter Letzt soll sich auch bei der Software etwas tun: Einerseits präsentiert die IBM den Informationen zufolge Erweiterungen für AD/Cycle. Andererseits will Big Blue Einzelheiten ihres Konzeptes für eine systemübergreifende unternehmensweite Datenhaltung vorführen, die sie als "Data-Warehouse"-Strategie bezeichnet.

Dahinter steckt Big Blues Konzept der Distributed Relational Database Architecture (DRDA). Bei der Verwirklichung ihres Konzeptes verteilter Datenhaltung vor allem auch in heterogenen Rechnerwelten greifen nach Aussagen aus IBM-Kreisen Third-Party-Entwickler Big Blue unter die Arme.

Insbesondere Datenbankentwickler dürften für Big Blue von Interesse sein, wobei sich die Information Builders Inc. als aussichtsreicher Kandidat für eine Kooperation in den Vordergrund zu schieben scheint.

Marktbeobachter erwarten einen Nachfrage-Schub

Ein Unternehmenssprecher des Softwarehauses wollte hierzu zwar keinen Kommentar abgeben, ließ aber verlauten, daß man eine neue Abteilung mit Namen Enterprise Data Access Division aufgemacht habe.

Marktbeobachter erwarten von der Auslieferung der neuen Systeme einen Schub, angesichts des enttäuschenden Geschäfts von IBM im ersten Halbjahr. Zwischen 200 und bis zu 400 ES/9000-Systeme könne Big Blue noch bis Ende des Jahres absetzen, glauben Analysten.

Fachleute rechnen vor, daß sich allein die Mainframe-Verkäufe von neuen ES/9000-Rechnern für die IBM zu einem Drei-Milliarden-Umsatz summieren könnten. Abhängig sei dies von der jeweiligen Systemkonfiguration und davon, wie generös Armonk Rabatte an die Kunden verteilt.

Umsatzfördernd könnten sich auch Informationen auswirken, nach denen der IBM eine sehr konservative Einschätzung der Rechenleistungsfähigkeit ihrer Summit-Rechner 820 und 900 bescheinigt wird. Bereits anläßlich der Präsentation der System/390-Familie wurden kritische Stimmen laut, die die IBM-Angaben zur Rechenleistung der neuen CPUs mit 41 MIPS als zu niedrig bewerteten.

Jetzt veröffentlichte Big Blue für die 820- und 900-Rechner Vergleichszahlen zu ihren alten Systemen 400J und 620. Gingen die Armonker bislang von einem Leistungsschub bei kommerziellen Anwendungen um das 1,7- bis 1,9fache aus, so revidierte man den Faktor nun auf 2,0 beziehungsweise 2,2.

Die Floating-Point-Leistung gegenüber einer 400J-Maschine setzt Big Blue jetzt mit einem Faktor 2,4 bis 3,1 an, für Vektoroperationen kann der Anwender eine Verbesserung um das 2,4- bis 3,4fache erwarten. Bei den Tests wurden die Systeme zu 70 und 90 Prozent ausgelastet.

Wie viele Fachleute glaubt auch Frank Gens, Vice-President der Technology Investment Strategies Corp., daß Armonk den für IBM-Verhältnisse deprimierenden Umsatz- und Gewinnzahlen mit den Summit-Auslieferungen einen etwas rosigeren Anstrich verpassen kann: "200 bis 300 Systeme sind drin bis Ende des Jahres."

Damit segle Big Blue erst einmal aus der Verkaufsflaute im Großrechnerbereich heraus. Schuld an der unbefriedigenden Shipment-Situation sind nach Meinung von Gens und vieler seiner Kollegen vor allem die Hybridmodelle der System/390-Reihe. Damit meint der Analyst die kleineren, wassergekühlten ES/9000-Großrechner mit einer für diese Serie neuen Stromversorgung und neuer Peripherie, jedoch grundsätzlich alter Chip-Technologie. Hierzu gehört etwa das von der IBM als Durchgangsmodell für die 820- und 900-Summits positionierte 720-System, das leistungsmäßig der 3090/600J entspricht.

Nicholas Donofrio, IBMs President der Data-Systems-Abteilung, gab zu, daß die Verkaufszahlen für diese Systeme zu wünschen übrig ließen: "Von uns waren diese Rechner als Transition-Optionen auf die Summit-Rechner gedacht, aber sie gestalten sich für uns als echtes Problem."

Indirekt gestand Donofrio ein, daß die Anwender IBMs Migrationsvorstellungen nicht nachvollzogen haben. Vielmehr hätten sie kritisch die Vorteile des Wechsels auf Rechner abgewägt, die keine Leistungsvorteile gegenüber existierenden Systemen bieten: "Anfang des Jahres mußten wir aufgrund der Rezession und der weltpolitischen Lage Einbußen hinnehmen, aber mehr und mehr haben die Kunden überlegt, was für sie der beste Weg zur Systemausweitung ist."