Aussicht auf legale PS2-Clones zeigt erste Wirkungen:

Big Blue verschärft Lizenzbedingungen

22.04.1988

MÜNCHEN (CW) - Mit einer Verschärfung ihrer Lizensierungspolitik will die IBM nach Ansicht von Branchenbeobachtern der unaufhaltsamen Erosion ihres Marktanteiles bei Personal Computern begegnen.

Nach einem Bericht des Wall Street Journal plant der DV-Riese eine Anhebung der Lizenzgebühren auf breiter Front und eine Intensivierung der Wettbewerbsbeobachtung, um mögliche Sünden der Konkurrenz schneller und umfassender als bisher ahnden zu können. Gleichzeitig werden anderen Quellen zufolge bei IBM Überlegungen angestellt, die im Klonen der PS/2-Serie auch positive Aspekte für Big Blue erkennen lassen. Durch den Nachbau von IBM-Maschinen gäben die Hersteller zu erkennen, daß IBM-Technik gut genug zum Kopieren sei. Außerdem seien die Anwender leichter zur Umstellung auf die PS/2-Familie zu bewegen, wenn es Zweithersteller dafür gäbe.

IBMs Flucht nach vorne findet zu einem Zeitpunkt statt, da die ersten legalen PS/2-Nachbauten schon fast greifbar nahe sind: So wird in Fachkreisen offen von einem dem PS/2 Modell 80 entsprechenden Rechner von Tandy gesprochen, der noch in diesem Monat der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll. Ein texanisches Unternehmen namens Dell plant ebenfalls noch im April einen Modell 50-Nachbau.

Auch haben sich die Erwartungen des Konzerns aus Armonk bezüglich der Rechnerserie bisher nicht erfüllt. Zwar gab das Unternehmen kürzlich bekannt, daß sich die Zahl der ausgelieferten Systeme der Zweimillionen-Marke nähere. Diese Zahl bezeichnen Marktanalysten jedoch als "getürkt", da im Gefolge der Erhöhung der Abnahmequoten die Händlerschaft gezwungen war, sich das ganze PS/2-Sortiment einschließlich der weniger gängigen Modelle 60 und 80 auf Lager zu legen. Den Anteil der tatsächlichen Verkäufe schätzen Experten einer Meldung der Nachrichtenagentur VWD zufolge auf "weniger als 40 Prozent". Gleichzeitig soll laut Marktforschungsinstitut Future Computing IBMs Marktanteil am weltweiten PC-Markt auf 17 Prozent zurückgegangen sein.

Experten erwarten nun eine Modernisierungsoffensive von der IBM in den kommenden zwölf Monaten. Die Rede ist von zwölf neuen PS/2-Modellen, darunter eine Workstation, diese möglicherweise auf Basis einer Risc-Zentraleinheit. Außerdem soll das Unternehmen planen, die Rechnerserie verstärkt in Spezialmärkten wie etwa Banken oder Versicherungen anzubieten.