Big Blue stattet Bildschirmtext-Zentralen mit 4300-Rechnern und Serie 1-Minis aus:Btx-Landschaft wird Teil der IBM-Welt

04.12.1981

BONN/STUTTGART - Die Deutsche Bundespost bestellt die Btx-Zentralen für die erste Ausbaustufe dieses Dienstes bei IBM - einschließlich der Software. Das dürfen die Spatzen jetzt auch offiziell von den Dächern pfeifen, nachdem eine um etliche Tage verzögerte Bekanntgabe des Ausschreibungsergebnisses noch einmal für Spekulationen Zeit gelassen hatte. Konkurrenten waren die SEL, zusammen mit Siemens, sowie die British Telecom, vertreten durch GEC Computers. GEC soll in letzter Minute und auf Minister-Ebene noch versucht haben, den 50-Millionen-Coup zu landen.

Eric Danke beim Postministerium kommentiert den Wettbewerb zwischen den drei ausländischen Kommunikationskönnern: ". . . ein hartes Geschäft, da kann man keine Sentimentalitäten gelten lassen. Wenn man einen Wettbewerb macht, dann muß man auch zu dem Ergebnis stehen, so bitter das für alle Beteiligten ist - uns eingeschlossen."

Bedauern und Bitterkeit herrscht insbesondere bei SEL, woher auch die Indiskretion über den Vertragsabschluß zwischen Post und IBM, noch vor einer Verlautbarung des

Ministeriums, kam. Das veritable "Amtsbauunternehmen" (Branchenjargon), eine von der Post ansonsten mit Aufträgen wohlbedachte Tochter der US-amerikanischen ITT, hat eigenen Angaben zufolge einen Entwicklungsaufwand von allein 50 Millionen Mark betrieben, allerdings zum Teil auf Veranlassung der Deutschen Bundespost. Die DBP vergab 1979 den Auftrag, den Prototyp einer Btx-Zentrale zu entwickeln, an die Stuttgarter. Und dies, obwohl das "unglückliche Projekt EWS" (Elektronisches Wählsystem) noch nicht vergessen war. Hier hatte der Telefonriese vor Jahren via Entwicklungsabteilung schon einmal 1,5 Milliarden in den Sand gesetzt. Wie Insider wissen wollen, ist die Post dieses Mal mit insgesamt 31 Millionen "Lehrgeld" dabei. 200 Ingenieure sollen an der verfehlten Entwicklung des Prototyps mitgearbeitet haben, des weiteren Softwareschreiber des Münchner Software-Hauses Softlab.

Berechtigte Hoffnungen hatte sich GEC Computers machen können. Die Briten waren mit ihren Rechnern und der Erfahrung mit Prestel, dem englischen Btx-System, schon einmal bei der Post erfolgreich gewesen. Immerhin hatten sie Hardware und Software für die noch laufenden Btx-Feldversuche in Berlin und Düsseldorf geliefert. Hier hatte die Konstellation zunächst so ausgesehen, erzählt GEC-Geschäftsführer Bernt Ruppert, daß die British Telecom als Generalunternehmer und Lieferant der Software aufgetreten war, die deutsche AEG "auf der anderen Seite". Ziel war, laut Ruppert, schließlich das gesamte Produkt hard- und softwaremäßig an das Haus AEG übergehen zu lassen.

Gute Chancen und damit "Gelegenheit, ihr angekratztes Image aufzupolieren", hätte auch die Siemens AG gehabt, behaupten in Postangelegenheiten gewöhnlich gut informierte Softwerker: "Siemens war aufgefordert, aber die Münchner haben schon auf dem Trittbrett von SEL draufgestanden." Gerade Siemens hätte eine Chance gehabt, "wenn die sich ein bißchen Mühe gegeben hätten".

Daß IBM nun seine Chance voll wahrnehmen wird, damit darf gerechnet werden. Und von Anwenderseite klingt erleichterte Zustimmung: zum Beispiel aus dem Hause der Stiftung Warentest in Berlin, wo derzeit ein BMFT-unterstütztes Telekommunikations-Forschungsprojekt läuft, abgewickelt zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher (AGV). Projektleiter Martin Straub hofft nun endlich von "der absurden Situation" wegzukommen, daß identische Inhalte getrennt eingegeben werden müssen: "Das ist ja nun wirklich nicht das Arbeitssparendste." Er hält es für einen Vorteil, daß man jetzt zu Neuüberlegungen kommt, "wobei ich davon ausgehe, daß die kleinen Informationsanbieter von der Struktur her nicht benachteiligt werden." Das Problem wäre mit der IBM-Lösung wahrscheinlich vom Tisch, meint Straub. IBM wird zwei Rechnertypen liefern: Zentraleinheiten der Serie 4300, die zum Bereich "Datenverarbeitung" gehört, und Rechner der Serie/1. Die Minicomputer werden vom Unternehmensbereich "Basis-Datenverarbeitung" (BD) vertrieben. Wären beide Rechner im Unterhaus der IBM beheimatet, so wäre der Postauftrag der größte, den BD in Deutschland je eingefahren hat. Gebaut werden die 4300-Maschinen im Werk Mainz, die Serie /1-Rechner kommen aus Vimercate in Oberitalien. Geliefert werden soll bis Ende 1984. Offenbar konnte IBM die Realisierung und Termin-Einhaltung glaubhaft machen.

Ein Branchenkenner, der die Vergabeverhandlungen aus nächster Nähe verfolgen konnte, ist der Ansicht, daß das IBM-Konzept von der Techniker-Seite der Bundespost als die gangbarste und schnellste Lösung akzeptiert wurde. Schon die Vorentscheidung sei zu Gunsten IBMs gefallen, und zwar im Fernmeldetechnischen Zentralamt (FTZ).

Ausschlaggebend seien die technischen Details gewesen und die "Glaubhaftigkeit, was Machbarkeit, Termineinhaltung und Systemerweiterung betrifft". Vor allem sei "so und nicht anders" entschieden worden, weil die IBMer beweisen konnten, daß sie auch im Bereich Vermittlungstechnik mit den Systemen 1750 und 3750 Erfahrung vorzuweisen haben - entsprechende und gleichwertige zu SEL".

Der froh gestimmte Informant hält mit seinen Beobachtungen nicht hinter dem Berg. Man habe "wenig politische Einflüsse einwirken lassen" - und "Lobbyisten aus Stuttgart und München sind nicht so oft zur Tür hereingelassen worden wie sonst". Anscheinend habe man aus Erfahrungen der Vergangenheit gelernt. Zwei Einwände jedoch sind aus der Nähe des FTZ zu hören. Erstens: Die Post muß sich hüten, daß über IBM nicht auch das IBM-Netzkonzept SNA durch die Hintertür ins Posthaus eingeschleppt wird (SNA wird kolportiert als "so und nicht anders"). Dann könne man sich den Gedanken der "offenen Kommunikation" aus dem Kopf schlagen. Als Problem sieht man dort auch die zu geringe Durchsatzrate zwischen den zentralen und peripheren Systemen; diese Schwierigkeiten aber werde man sicherlich noch in den Griff bekommen. Am schwerwiegendsten sei "das politisch zu sehende Eindringen von SNA".

Diese Befürchtung weist Eric Danke vom Postministerium entschieden zurück: "Es bestehen völlig unberechtigte Befürchtungen, denn Grundlage unseres Pflichtenheftes im Wettbewerb waren die "Einheitlichen Höheren Kommunikations-Protokolle".