Big Blue soll OS/2 aufgeben und das Mac-OS vermarkten Apple wirbt weiter um IBM als Lizenznehmer fuer das Mac-OS

06.10.1995

MUENCHEN (CW) - Einmal zurueckgewiesene Liebhaber geben sich bei erneuten Annaeherungsversuchen sehr zurueckhaltend, das muss jetzt auch die Apple Computer Inc. erfahren. Ihr Versuch, der IBM das Macintosh-Betriebssystem als Alternative fuer das wenig erfolgreiche OS/2 schmackhaft zu machen, stoesst bei Big Blue auf wenig Gegenliebe. Vor einem Jahr, als beide Unternehmen ueber eine Fusion sprachen, waere das sicher anders gewesen.

Eingedenk schwindender Marktanteile auf dem Markt fuer PC-Systeme (siehe CW Nr. 39 vom 29. September 1995, Seite 29: "Verfehlte Produktplanung...") ist die Apfel-Firma gezwungen, sich neue Strategien auszudenken, um nicht voellig im Sog der sogenannten Wintel-Allianz, also der Marktmaechte Windows-Microsoft, und Intel unterzugehen.

Dabei hofft Apple, doch noch die Trumpfkarte IBM spielen zu koennen. Die Mac-Leute stellen sich nach den Worten von Mike Markkula, dem Nachfolger von John Sculley auf dem Chairman-Posten, vor, Big Blue sollte das eigene Betriebssystem OS/2 aufgeben und statt dessen das Macintosh-Betriebssystem vermarkten.

Apples Werben sehen viele Analysten als letzten Versuch, der 1991 unter grossem Medieninteresse aus der Taufe gehobenen Allianz Apple-IBM-Motorola (AIM) neues Leben einzuhauchen und sich doch noch zum veritablen Wintel-Kontrahenten auszuwachsen. Die gemeinsame Power-PC-Prozessorplattform war da nur ein - allerdings wichtiger - Baustein im Gefuege. Doch laesst die vor nunmehr vier Jahren angekuendigte Verabschiedung einer Common Hardware Reference Platform (CHRP) immer noch auf sich warten. Ohne diese koennen die in der Poweropen-Vereinigung zusammengeschlossenen Mitglieder keine Rechner bauen, die in wesentlichen Hardwarekomponenten und Software-Schnittstellen uebereinstimmen. CHRP wird mittlerweile fuer Mitte bis Ende 1996 avisiert.

Eine zweite Kooperation zwischen Apple und IBM, das Taligent- Joint-venture, hat seine hochfliegenden Erwartungen mittlerweile ebenfalls zurueckgesteckt. Urspruenglich war Taligent gedacht als Geburtsstaette eines zumindest evolutionaeren, weil komplett objektorientierten Betriebssystems fuer die Poweropen-Gemeinde. Heute konzentriert sich Taligent auf die Entwicklung von "Common Point", einem objektorientierten Baukasten aus Frameworks und Klassen.

Apple-Kauf scheiterte an den Preisvorstellungen

So bleibt die Hoffnung auf eine konzertierte IBM-Apple-Aktion in Sachen Mac-OS 7.5 beziehungsweise dessen Nachfolger System 8 (Codename "Copland"), das fuer Mitte 1996 angekuendigt ist. Doch bislang macht IBM keine Anstalten, OS/2 zugunsten des Mac-OS ueber Bord zu werfen. Dies, obwohl IBM-CEO Louis Gerstner bereits angedeutet hat, dass das IBM-Betriebssystem den Kampf um die Vorherrschaft auf dem Desktop nicht mehr gewinnen koenne.

Zu den Plaenen, Lizenzrechte fuer das Mac-OS zu erwerben und OS/2 auszumustern, sagte Gerstner jetzt, die IBM denke "momentan" nicht daran, ihr Betriebssystem in Rente zu schicken. In diesem Zusammenhang aeusserte Big Blues Manager fuer Software- Angelegenheiten, Trink Guarino, man rede zwar mit Apple permanent ueber Moeglichkeiten, die gemeinsamen Technologien zu verbessern. "Zum gegenwaertigen Zeitpunkt" trage sich die IBM aber nicht mit dem Gedanken, auf das Macintosh-Betriebssystem umzusatteln.

Argumentativen Flankenschutz fuer die Vermutung, Big Blue werde auf das Mac-OS wechseln, erhielten Insider auch von anderer Seite: Im vergangenen Jahr hatten sich Spekulationen verdichtet, Big Blue koenne ein Interesse an der Uebernahme von Apple haben. In der Tat gab es entsprechende Verhandlungen zwischen Big Blue und Apple, die aber im Herbst 1994 scheiterten (vgl. CW Nr. 34 vom 25. August 1995, Seite 29: "IBM wollte Apple...").

Wie das "Wall Street Journal" jetzt schreibt, haetten sich im September 1994 die IBM- mit den Apple-Unterhaendlern zweimal auf dem Flughafen von Chikago getroffen. Fuer Big Blue traten Gerstner, der diesen September zurueckgetretene Finanzchef Jerome York, sein Nachfolger Richard Thoman sowie James Cannavino in den Ring. Fuer Apple stritten Michael Spindler (CEO), Markkula und Finanzchef Joseph Graziano.

Gerstner sei bereit gewesen, fuer Apple bis maximal 5,5 Milliarden Dollar oder 50 Dollar pro Aktie zu zahlen. Spindler schwebten demgegenueber 60 Dollar pro Aktie vor. Ausserdem wollte sich das Topmanagement von Apple die Aufnahme in das blaue Reich mit lukrativen Zahlungen versuessen lassen.

Spindlers Ton und seine exzessiven Forderungen muessen, schreibt das "Wall Street Journal" mit Bezug auf Quellen, die mit den seinerzeitigen Verhandlungen vertraut sind, das IBM-Team so vor den Kopf gestossen haben, dass es die Verhandlungen abgebrochen hatte.