Geschäftseinbruch könnte für altgediente Mitarbeiter Folgen haben

Big-Blue-Boß John Akers liest seinen Managern die Leviten

07.06.1991

NEW YORK (CW) - Der drohende Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit hat IBM-Präsident John F. Akers zu einem unternehmensinternen Rundumschlag veranlaßt. Er hielt seinen Topmanagern eine Standpauke, in der er die nachlassende Produktqualität, schwache Verkaufsleistungen und einen lähmenden bürokratischen Overhead anprangerte.

"Ich werde krank und müde, wenn ich in unseren Werken gewaltige Dinge über Qualität und Produktzyklen höre - und wenig später von unseren Kunden die Probleme serviert bekomme", so zitiert das "Wall Street Journal" Akers. "Wenn sich die Mitarbeiter in den Labors und Werken nicht an gesetzte Liefertermine halten können, dann teilt ihnen mit, daß ihre Jobs gefährdet sind."

Die wütende Rede des IBM-Präsidenten war von Manager Brent Henderson aufgezeichnet worden und durch Dritte in das unternehmensweite Electronic-Mail-System geraten. Gewissensbisse hat Henderson keine: Akers habe nämlich, um den Ernst der Situation zu unterstreichen, sogar Wert auf eine "kontrollierte" Veröffentlichung im eigenen Hause gelegt.

"Die Tatsache, daß wir Marktanteile verlieren, bringt mich in Rage", so der Chef des weltgrößten DV-Konzerns. "Als ich seinerzeit meinen Job als Verkaufsrepräsentant antrat, da wußte ich um mein persönliches Risiko, wenn meine Verkaufszahlen zurückgingen. Sagt unseren Verkäufern, daß auch sie bei nachlassenden Erfolgen ein Risiko eingehen." Akers nahm in seiner Personalkritik kein Blatt vor den Mund: "Der Druck ist einfach nicht groß genug - die Leute sind verdammt bequem, obwohl das Geschäft in einer Krise steckt."

Die Sorgen des IBM-Chiefs resultieren aus dem für Big Blue ungewohnt schwachen Geschäftsergebnis des ersten Quartals. Der operative Gewinn war um 50 Prozent gefallen, und auch die Prognosen konnten kaum optimistisch stimmen.

Im Jahr 1991 soll der Gewinn nach Einschätzung von Analysten um insgesamt etwa 30 Prozent zurückgehen.

Seit mehreren Jahren verlieren die Armonker gegenüber dem Mitbewerb an Marktanteilen. Hatte man 1983 noch 37 Prozent des Marktes beherrscht, so waren es nach Angaben des Marktforschungsinstituts Gartner Group Inc. im vergangenen Jahr nur noch etwa 23 Prozent.

Akers fordert härteres Durchgreifen

Andauernde Restrukturierungsmaßnahmen, die eine Korrektur der Geschäftsstrategie, einen rigiden Personalabbau und vor wenigen Wochen den Austausch der europäischen Führungsspitze - für David E. McKinney kam Renato Riverso - zur Folge hatten, ließen bis dato einen durchschlagenden Erfolg vermissen. Obwohl der Spielraum für Sanierungsmaßnahmen inzwischen geringer geworden ist, fordert Akers härteres Durchgreifen: "Unsere Mitarbeiter müssen konkurrenzfähig sein. Wenn sie mit dem schnellen Wandel unserer Branche nicht Schritt halten können - Goodbye!"

An Vollmachten fehlt es den IBM-Topmanagern nicht: Wie der Informationsdienst "vwd" berichtet, haben Führungskräfte die Befugnis, Mitarbeiter jederzeit "zum Verlassen des Unternehmens zu bewegen", wenn der Verdacht besteht, daß diese Angestellten ihre Aufgaben nicht adäquat erfüllen.

Bis zum Jahresende soll die Belegschaft um 14 000 Arbeitsplätze auf insgesamt 360 000 gesenkt werden. IBM wird dann innerhalb der letzten fünf Jahre 47000 Arbeitsplätze abgebaut haben.

Ganz ohne Kritik seitens des Topmanagements blieben die Vorwürfe Akers nicht. Das "Wall Street Journal" zitiert einen IBMer mit der Bemerkung: "Es ist an der Zeit, daß auch die Mitarbeiter an der Spitze des Unternehmens einen Teil der Verantwortung für unsere gegenwärtigen Probleme übernehmen. Ich sehe bisher nicht, daß dies geschieht."