Das neue Business Intelligence

BI wird schlauer, mobiler und vorausschauender

27.09.2010
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

1. Analyse unstrukturierter Daten

Eine der größten Herausforderungen besteht darin, die immer schneller anwachsenden Datenberge in den Griff zu bekommen. Einer Analyse von IDC zufolge belief sich das globale Gesamtvolumen sämtlicher digitaler Daten im vergangenen Jahr auf rund 487 Milliarden Gigabyte. Man bräuchte über 100 Milliarden Standard-DVDs, um alles abzuspeichern. Der Stapel der Speicherscheiben würde zweieinhalb Mal die Strecke zwischen Erde und Mond ergeben.

Analysten gehen davon aus, dass sich das Datenvolumen etwa alle eineinhalb Jahre verdoppelt. Der Löwenanteil davon entfällt auf unstrukturierte Daten. IDC schätzt, dass in Unternehmen rund 80 Prozent des Datenwachstums bereits auf das Konto unstrukturierter Informationen gehen wie beispielsweise Dokumente, E-Mails, Blogs und andere textbasierte Informationen. Dazu kommen jede Menge weiterer Daten, die außerhalb der Firmengrenzen im Netz kursieren, wie beispielsweise Produkt- und Unternehmensbewertungen in Online-Communities.

Diese Informationen auswertbar zu machen, um Geschäftsentscheidungen besser zu unterstützen, rückt mehr und mehr in den Fokus der IT-Verantwortlichen. Es geht zum Beispiel darum, Produktprobleme oder Unzufriedenheiten und Missstimmungen im Kundenkreis frühzeitig zu erkennen. Der Meinungsaustausch zwischen Kunden und Kaufinteressenten über Produkte und Firmen im Netz spielt zunehmend eine kaufentscheidende Rolle. Bevor Medien relevante Themen aufgreifen, werden diese zuvor meist schon im Internet diskutiert. Communities und Social Media Networks fungieren deshalb oft als ein Frühwarninstrument.

Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr gab es Probleme rund um die Einführung des neuen iPhone 3GS von Apple. Viele Kunden, die ungeduldig auf das neue Kult-Handy gewartet hatte, konnten es nicht nutzen, da es bei Apple und dem Provider AT&T zu Verzögerungen bei der Aktivierung der Geräte kam. Binnen kürzester Zeit häuften sich im Netz die Beschwerden enttäuschter Kunden. Medien griffen das Thema auf, und schließlich standen weniger das neue iPhone im Mittelpunkt der Berichterstattung als die Probleme rund um dessen Einführung. Doch Apple reagierte schnell: Der Konzern nahm Kontakt zu den betroffenen Kunden auf, entschuldigte sich und verteilte als Entschädigung Gutscheine für seinen iTunes-Online-Store. Damit gelang es, die Stimmung wieder zu drehen.

Was sich auf den ersten Blick einfach anhört, ist jedoch alles andere als trivial. Schließlich geht es darum, statistisch belastbare Daten zu erheben, diese auszuwerten und die Ergebnisse entsprechend den eigenen Geschäftsprioritäten richtig einzuordnen. Im oben genannten Fall haben einerseits die Apple-Verantwortlichen richtig reagiert, da sich eine regelrechte Anti-Apple-Woge aufzutürmen drohte. Andererseits wäre es völlig überzogen gewesen, sofort eine aufwendige Marketing-Kampagne loszutreten, nur weil sich ein paar wenige Blogger abfällig über das eigene Unternehmen äußern, die zudem womöglich kaum Gehör finden im weiten Online-Kosmos.

In fünf Schritten zur richtigen Textanalyse

Um an dieser Stelle die Balance zu finden und Überreaktionen zu vermeiden, benötigen Unternehmen die richtigen Werkzeuge. Tools für Textanalysen setzen sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, erläutert Forrester-Analystin Leslie Owens:

  1. Zunächst geht es darum, die Rohinformationen aus einer Reihe von verschiedenen internen und externen Quellen zu erfassen und einzusammeln.

  2. Sind alle Informationen erfasst, müssen diese nach verschiedenen Kategorien geordnet werden, beispielsweise geografisch beziehungsweise nach Sprache. Außerdem gilt es, die Inhalte thematisch zu sortieren.

  3. Die so geordneten Informationen müssen im nächsten Schritt miteinander in Beziehung gesetzt werden. Außerdem ist das Material anhand von vorgegebenen Kriterien semantisch zu analysieren und zu bewerten.

  4. Sind die Daten ausgewertet, müssen die Ergebnisse aufbereitet werden, beispielsweise in Berichten, Reports und Dashboards, um aufgrund einer übersichtlichen Darstellung auf Entscheider-Level erforderliche Maßnahmen schnell ableiten zu können.

  5. Diese nun strukturierten Daten können abschließend in bestehende BI-Systeme integriert werden, um dort ablaufende Analysen zu ergänzen und zu unterstützen.

Noch stecken Techniken rund um Textanalysen in den Kinderschuhen, so die einhellige Meinung vieler Analysten. Eine fertige Lösung, die alle Anforderungen in Sachen unstrukturierte Daten erfüllt, lässt sich so am Markt noch nicht kaufen. Vielmehr experimentieren die Hersteller mit entsprechenden Werkzeugen und bieten einzelne Tools innerhalb ihrer BI-Suiten an. Beispielsweise offeriert SAP seinen Kunden im Rahmen des zugekauften Business-Objects-Portfolios Funktionen, um Twitter-Daten auszuwerten. Das Tool zeigt in einem Dashboard an, wie viele Diskussionen sich um einen bestimmten Markennamen drehen und in welchem Grad diese positiv beziehungsweise negativ ausfallen. IBM hat für den "SPSS Modeler" ein Werkzeug entwickelt, das es Anwendern erlaubt, online verwendete Emoticons im Zusammenhang mit bestimmten Produkt- und Firmennamen auszuwerten.

Angesichts der jungen, vielfach noch nicht ganz ausgereiften Technik nähern sich auch die Anwender nur langsam dem Thema an. Forrester-Analystin Owens empfiehlt, den Einsatz von Tools für die Textanalyse gut vorzubereiten. Unternehmen müssten im Vorfeld exakt definieren, welche Quellen untersucht und welche Ziele damit erreicht werden sollen. Erst dann könnten sich die Verantwortlichen auf die Suche nach geeigneten Werkzeugen machen. Die verschiedenen Tools offenbarten Stärken und Schwächen. Während das Sammeln von Informationen meist keine Schwierigkeit bedeute, gebe es bei komplexeren Anforderungen wie der Analyse der Informationen jedoch deutliche Unterschiede, warnt die Expertin.

Rüdiger Eberlein, Principal Business Information Management: "Die vom Umfang viel größeren unstrukturierten Daten liegen hinsichtlich ihrer Analyse noch ziemlich brach."
Rüdiger Eberlein, Principal Business Information Management: "Die vom Umfang viel größeren unstrukturierten Daten liegen hinsichtlich ihrer Analyse noch ziemlich brach."
Foto: Capgemini

Auch Rüdiger Eberlein, Principal für den Bereich Business Information Management bei Capgemini, sieht noch Defizite. "Die vom Umfang viel größeren unstrukturierten Daten liegen hinsichtlich ihrer Analyse noch ziemlich brach." Dabei schlummerten genau an dieser Stelle immense Schätze an ungehobenem Geschäftswissen. Um sie zu heben, seien die derzeit verfügbaren Techniken und Produkte noch zu wenig ausgereift. "Es mangelt an der nahtlosen Integration in die bestehende IT-Welt, es fehlen intuitive Interfaces für jedermann, die Erfüllung gängiger Richtlinien zum unternehmensweiten Einsatz liegt noch in weiter Ferne." Eberlein zufolge ist es jedoch nur eine Frage der Zeit, bis die Probleme gelöst sind.