Anwender des Jahres/Anwender des Jahres 2002: DHL Worldwide Express

BI sorgt für den richtigen Durchblick

29.11.2002
Mit einem im März 2000 begonnenen Business-Intelligence-(BI-)Projekt bereiteten die IT-Verantwortlichen von DHL dem Wildwuchs der im Unternehmen verwendeten Analyse-Tools ein Ende. Außerdem ermöglichte das Projekt neben effizienteren Reports und Analysen auch Zusatzgeschäfte. Aus diesem Grund errangen die DHL-IT-Verantwortlichen den Titel "Anwender des Jahres".

"Wir haben viele Leute getroffen, die darüber sprachen, einige, die einen kannten, der es angeblich schon gemacht hat, und nur ganz wenige, die selbst an der Business-Intelligence-(BI-)Schraube gedreht haben", erinnert sich Klaus Heym, IT-Direktor der deutschen DHL-Filiale, an die Anfangsphase des eigenen BI-Vorhabens. Der Startschuss für das Projekt "Business Evaluation Support Tool" (BEST) fiel im Frühjahr 2000. Die Initiative dafür ging von der IT-Abteilung des weltweit tätigen Luftexpressversenders aus, berichtet Peter Barysch, Business Intelligence Manager von DHL in Langen. Man habe vor zweieinhalb Jahren festgestellt, dass Fachbereiche wie Verkauf und Marketing viele Informationen benötigten, es aber andererseits immer lange gedauert habe, bis die erforderlichen Daten verfügbar waren. Außerdem hätten die Informationen, die in aller Regel in Form von Ausdrucken vorlagen, meist mehr Fragen aufgeworfen als sie beantworteten.

Dies habe an den unterschiedlichen Tools für die Analysen und Reports gelegen. Barysch schätzt, dass rund 500 verschiedene Excel-Sheets und zirka 20 Access-Datenbanken im Einsatz waren. Wegen dieses Wildwuchses und der inkonsistenten Datenbasis, die den Auswertungen zugrunde lag, präsentierten die Kollegen nicht selten unterschiedliche Ergebnisse. Folge war, dass es oft Streit darüber gab, wer denn nun die richtigen Zahlen besaß.

Seine Abteilung habe daraufhin zusammen mit zwei Beratern der Firma Cognos innerhalb einer Woche auf einem NT-Server einen Prototypen für eine DHL-Business-Intelligence-Lösung installiert, auf dem bereits einfache Abfragen und Reports mit grafischen Darstellungen funktionierten. Mit diesem Prototypen ist man dann DHL-intern auf Werbetour gegangen, erzählt Barysch.

Nach einer Wirtschaftlichkeitsanalyse starteten die Entwicklungsarbeiten im Spätsommer 2000. Dabei unterscheidet Barysch zwischen drei Teilprojekten, an denen parallel gearbeitet wurde: die Data-Warehouse-Datenbank, die Business-Intelligence-Server und die Visualisierung, die der Anwender auf seinem Client zu sehen bekommt.

BI braucht eine konsistente Datenbasis

Für den Aufbau der Data-Warehouse-Datenbank setzte die IT-Abteilung von DHL auf das Case-Tool "Innovator" der Firma MID GmbH. Damit konnten mit Hilfe von Star- und Snowflake-Datenmodellierung die physische Datenbank, eine Highlevel-Design-Specification- (HDS-)Dokumentation sowie alle Metadaten erstellt werden. Alle Informationen sind in einem zentralen Repository verfügbar und können jederzeit ausgewertet werden.

Um das Data-Warehouse zu füllen und die Daten konsistent aufzubereiten, entschied man sich für das Extract-Transform-Load-(ETL-)Tool "Datastage XE" der Ascential Software Corp. Damit ließen sich große Datenmengen aus unterschiedlichen Quellen in der Datenbank integrieren und bedarfsgerecht in verwertbare Informationen umwandeln.

Insgesamt lagern im System rund 500000 Kundendaten. Dazu werden monatlich etwa 600000 neue auftragsbezogene Datensätze erfasst. Der gesamte Datenbestand mit einem Volumen von zirka 2 Terabyte (TB) liegt auf einem zentralen Datenbank-Server von DHL in London. Von dieser Basis aus können die DHL-Mitarbeiter Analysen nach unterschiedlichen Dimensionen wie Märkten, Kunden, Transportleistungen oder über bestimmte Zeiträume hinweg erstellen.

Standardsoftware besorgt die Auswertung

Das zweite Standbein von BEST bilden zwei NT-basierende BI-Server, auf denen die Cognos-Produkte "Impromptu Web Reports Server", "Powerplay Enterprise Server", "Visualizer Web Server" und "Query Server" installiert sind. Nur über diese beiden Server, die in der Deutschland-Zentrale in Langen stehen, werden alle Datenbankzugriffe gesteuert, was unter Security- und Verwaltungsgesichtspunkten unverzichtbar ist. Außerdem lassen sich damit lokale Data Marts erzeugen, die mit der Olap-Technik analysiert werden können. Ferner wird so das Netz zwischen der deutschen Niederlassung und dem Datenzentrum in London entlastet und die Abhängigkeit des WANs nach London verringert. Auch die Verwaltung von Zugriffsrechten, die auf LDAP-Einträgen wie User-Kennung, Passwort und Gruppenzugehörigkeit basieren, lässt sich auf den BI-Servern regeln.

Die Präsentation der Informationen - der dritte und letzte Teil des Gesamtprojekts - funktioniert Browser-basierend über Netscape-Produkte, die auf Client-Rechnern unter Windows NT 4.0 installiert sind. Hier lassen sich individuell an jeden User angepasste "Cubes" darstellen. Darunter versteht man ein Bündel verschiedener Datendimensionen, aus denen sich mit Hilfe unterschiedlicher Kombinationen und Filter die gewünschten Informationen gewinnen lassen. Ist die Analyse abgeschlossen, können die Ergebnisse in einer User-News-Box über ein personifizierbares Portal abgelegt, im Excel- oder Portable Document Format (PDF) abgespeichert oder ausgedruckt werden.

Projekt schnell und flexibel durchgezogen

Appetit auf BI habe das Management vor allem durch die Visualisierung der Ergebnisse bekommen, erzählt DHL-BI-Engineer Matthias Fleischmann. Die Möglichkeit, das aktuelle Business-Geschehen auf Knopfdruck darzustellen, habe die Unternehmensleitung überzeugt. Besteht bei einzelnen Reports weitergehender Analysebedarf, könnten die Mitarbeiter einfach durch Klicken tiefer in die Auswertung einsteigen - bis hin zu einer einzelnen Auslieferung.

"Man muss schnell und flexibel liefern. Wenn das Business zwei Jahre warten muss, dann ist das BI-Projekt tot", zieht Barysch Bilanz. Deshalb habe die IT-Abteilung bereits im März 2001 einige BI-Clients installiert. Damit ließen sich erste Analysen erstellen, allerdings griff die BI-Applikation noch auf die alten Datenbanken zu. Im Lauf der nächsten Monate wurde parallel zum ersten BI-Einsatz an der Data-Warehouse-Datenbank gearbeitet. Diese wurde in zwei Stufen bis zum März 2002 fertig gestellt. Das Datum gilt auch als offizieller Abschluss des BEST-Projekts.

Während der Umstellung mussten einige Probleme überwunden werden. Vor allem die neue Datenbankbasis wurde von den Mitarbeitern zu Beginn mit Skepsis betrachtet. Da die Zahlen während des Parallelbetriebs von alter und neuer Datenbank wegen unterschiedlicher Business-Regeln und verschiedener Quellen oft nicht identisch waren, misstrauten die Anwender dem neuen System. Um die Inkonsistenzen aufzuklären, mussten intensive und zeitaufwändige Tests gefahren werden. "Das neue System war natürlich immer das schlechtere, während die 20 Jahre alte Umgebung richtig lag", gibt Fleischmann die Stimmung der Nutzer wieder. Die Akzeptanzprobleme seien massiv gewesen. Gewonnen habe man dadurch, dass die IT-Abteilung mehr Informationen schneller anbieten konnte.

Breite Akzeptanz für Business Intelligence

Aktuell arbeiten zwischen 600 und 750 Nutzer mit dem BI-System. Der Durchdringungsgrad in den Bereichen Verkauf und Marketing liegt laut Barysch sogar bei 100 Prozent. Daneben greifen auch DHL-Mitarbeiter aus der Operations-Abteilung auf die BI-Server zu, sogar aus Unternehmensteilen, die man ursprünglich gar nicht im Visier hatte.

Die Einsparungen durch das BI-Projekt in den Jahren von 2000 bis 2002 beziffern die Verantwortlichen auf rund 670000 Euro. Den Löwenanteil machen Produktivitätsvorteile aus, die mit etwa 500000 Euro zu Buche schlagen. Weitere Posten sind ein um 120000 Euro geschrumpftes Schulungsbudget sowie Einsparungen bei der IT-Administration von 50000 Euro. Dem stehen Projektkosten in Höhe von 780000 Euro gegenüber. Dazu zählt der Aufwand für interne Personalkosten, den Barysch auf rund 400000 Euro schätzt. An externen Kosten wurden 30000 Euro für Beratungsleistungen, 50000 Euro für zwei NT-Server und 250000 Euro für die Cognos-Applikationen fällig. Gespart wurde dadurch, dass bestehende Unix-Server für die Datenbank sowie PC-Clients weiter genutzt werden konnten. Außerdem besaß man bereits Softwarelizenzen für Datastage XE, das Case-Tool sowie für die Informix- und SQL-Datenbanken. Mit den Zahlen, was Budget und Zeitplan betrifft, habe die IT-Abteilung die selbst gesteckten Vorgaben für Kosten und Zeitrahmen eingehalten, erklärt Barysch. Außerdem sei es gelungen, bereits innerhalb der Projektlaufzeit den Return on Investment (RoI) zu erreichen.

Die laufenden Kosten schätzen die IT-Verantwortlichen auf etwa 32500 Euro, wovon die Cognos-Wartung mit 30000 Euro pro Jahr den größten Teil des Budgets verschlingt. Diese Aufwendungen werden allerdings von Zusatzeinnahmen mehr als wettgemacht. So bekam das deutsche IT-Team 2001 den Zuschlag über 98000 Euro für ein DHL-internes BI-Projekt. Für 2002 rechnet man mit weiteren Aufträgen mit einem Gesamtvolumen von 200000 Euro.

Ein weiteres neues Geschäftsfeld hat sich dadurch ergeben, dass DHL auch seinen Großkunden Analysen zu den über DHL abgewickelten Lieferprozessen verkauft, erzählt BI-Architect Stefan Ruf. DHL bietet seinen Kunden 21 Standardauswertungen an. Das Reporting wird nachts automatisch gestartet. Der Key-Account-Mitarbeiter überprüft am Morgen kurz die Analyse und schickt sie dem Kunden per E-Mail.

Mittlerweile nutzen zwischen 250 und 400 Kunden die Zusatzinformationen von DHL. Die daraus resultierenden Einnahmen beliefen sich im Jahr 2001 auf rund 50000 Euro. Für 2002 erwarten die Verantwortlichen eine deutliche Steigerung. Mit dem Informationsangebot könne sich DHL außerdem von seinen Mitbewerbern differenzieren und neue Kunden gewinnen, meint Ruf. So habe das Unternehmen beispielsweise im vergangenen Jahr den Zuschlag von einem führenden Versandhaus bekommen, weil die IT-Abteilung in der Lage war, die vom Versandhändler geforderten Daten zu liefern. "Man bekommt kaum mehr einen Großkunden, wenn man ihm nicht diese Zusatzleistungen anbietet." (ba)

DHL Worldwide Express

1969 gründeten Adrian Dalsey, Larry Hillblom und Robert Lynn das Unternehmen DHL. Ihre Geschäftsidee beruhte darauf, Schiffspapiere per Flugzeug von San Francisco nach Honolulu zu liefern, um das Verzollen der Ladungen bereits vor dem Eintreffen der Schiffe abzuwickeln. Heute bietet DHL seinen Luft-Express-Service rund einer Million Kunden weltweit in 220 Ländern an. Das Unternehmen beschäftigt etwa 71000 Mitarbeiter, davon 3000 in Deutschland, und unterhält eine Flugzeugflotte von 251 Maschinen, mit denen pro Jahr rund 160 Millionen Sendungen transportiert werden. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete DHL einen Umsatz von 6,2 Milliarden Euro. Dem Expressversender stehen allerdings umfassende Umstrukturierungen ins Haus. So wird zum Jahresende der Zusammenschluss mit der Deutschen Post Worldnet vollzogen, die bereits seit 1998 an DHL beteiligt ist. Welche Auswirkungen dies auf die IT von DHL haben wird, ist bislang noch nicht abzusehen.