Bayerische Arbeitgeber wollen Arbeitslosen die neuen Techniken nahebringen:

bfz-Konzept forciert Qualifizierungsoffensive

23.05.1986

MÜNCHEN (lo) - Bei der neuen "Qualifizierungsoffensive" gibt Bonn den Rahmen vor, Bayern will ihn mit weiß-blauen Aktivitäten füllen. "Unser maßgeschneidertes Bildungsangebot setzt Maßstäbe", glauben Bildungsverantwortliche der bayerischen Arbeitgeber. In den vergangenen drei Jahren besuchten 25 000 Personen ihre Schulungen: an Technikakzeptanz scheint es indes immer noch zu mangeln.

"Im gewerblichen wie im kaufmännischen Bereich ist der Computer nicht mehr wegzudenken", postuliert Heinrich Müller, Geschäftsführer der beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Arbeitgeberverbände (bfz) in München. Doch die Angst vor dem Computer scheint bei Arbeitnehmern tief zu wurzeln. Nicht jeder Teilnehmer sei der neuen Technik gegenüber nämlich auch aufgeschlossen, lehrt Bildungsbeauftragte häufig die Erfahrung. Sogar für Maßnahmen mit realer Aussicht auf einen Arbeitsplatz, so Müller, meldeten sich gelegentlich kaum Teilnehmer, selbst in einer von Arbeitslosigkeit hoch betroffenen Region.

Auch der Geschäftsführer der Vereinigung der Arbeitgeber in Bayern (VAB), Wolf Moser, will auf seine Weise zur Unterstützung beitragen: "Die bayerischen Unternehmer reden nicht, sondern handeln." Das Qualifizierungskonzept der bayerischen Arbeitgeberverbände und der angeschlossenen Fortbildungszentren sieht vor, in nahezu alle Bildungsmaßnahmen die Mikroelektronik miteinzubeziehen. Die Angst vor einer möglichen Überforderung des einzelnen Teilnehmers scheint unnötig. "Nicht den Spezialisten formen, sondern das anwendungsrelevante Wissen vermitteln", ist Anliegen des Bildungsverantwortlichen Müller. Ihn bekräftigten bisher dabei sowohl "hervorragende Erfahrungen mit Jugendgruppen" als auch der zu erwartende Bedarf an informationstechnischem Wissen bei rund 75 Prozent aller Arbeitnehmer in den 90er Jahren.

Die Richtung auf die Höherqualifizierung findet ebenso allgemeinen Beifall wie auch das "Anbauen an erworbene Qualifikationen". Denn traditionelle Arbeitsplätze, die einmal während einer Rezession wegfielen, könnten nicht mehr in dem Maß wie im Klima des Aufschwungs nachwachsen.

Eine in der Diskussion um die seit September 1983 laufenden Bildungsanstrengungen häufig gestellte Frage lautet, was denn diese Qualifizierungsoffensive "bringen könne", seien doch gerade die Eingangsqualifikationen - Kriterien für eine entsprechende qualitative Auswahl - beachtlich ausgeweitet worden. "Der Metzger oder Bäcker am CNC-Gerät ist möglich", benennt Müller einzelne Ausnahmen bei Maßnahmen im Bereich der neuen Technik. Allerdings müsse die persönliche Affinität, ergänzt durch die theoretischen Grundkenntnisse, vorhanden sein. Sonst sei üblicherweise für eine Weiterqualifizierung der Facharbeiter "der ideale Mann". Ausschreibungen indes könne man sich schenken, denn man suche jenen Mitarbeiter, den es gar nicht mehr gebe, ist der Markt doch mehr als ausgedünnt: Für den Raum München seien nur etwa 20 Facharbeiter arbeitslos gemeldet. "Wir müssen deshalb über das starre berufsgebundene Schema hinausgehen, hin zu verwandten Grundfertigkeiten", so Müller über seine bfz-Arbeit, "um engagierte Kräfte für den Einsatz in der EDV oder in den neuen Informationstechniken zu gewinnen."

Skepsis an der Bildungsoffensive löse aus, daß das Schwergewicht der Qualifizierung bisher zu wenig im Betrieb und zu stark bei Bildungswerken oder Instituten installiert wäre. Die Kritiker führen ins Feld, daß die Verzahnung von Beschäftigungs- und Bildungssystem im Unternehmen am umfassendsten gegeben sei. Deshalb strebt der bfz wechselweise Schulung und Betriebspraktika an - "bester der möglichen Kompromisse".

Allerdings gebe es bisher - hier will die Vereinigung der Arbeitgeberverbände in Bayern stark ermuntern - noch zuwenig Betriebe, die aktiv sind. Nur große Unternehmen hätten dabei die notwendigen Kapazitäten. Um jedoch auch das Volumen bei den kleineren zur Aus- und Weiterbildung nutzen zu können bietet das bfz ein individualisiertes Konzept an, das heißt, nur einen Kandidaten je Betrieb ausbilden, der von einem ,Paten' betreut werden kann", beschreibt Müller.

Die Grenze der Kooperation zwischen Fortbildungszentren und "Lernort Betrieb" sei allerdings gerade bei Hochtechnologie mit hohem Investitionswert, beispielsweise der CNC-Technik, zu ziehen. Deshalb gebe es Technikzentren des bfz etwa in München oder Coburg.

Arbeitslose Akademiker sammeln Technik-Know-how

Auch den stellenlosen akademischen Nachwuchs berücksichtigt das bfz in einem Modellversuch. So sammelten 47 Teilnehmer mit Uni-Abschluß, vorwiegend Lehrer, auf beruflichem Neuland Technikkenntnisse in der bisher ersten "Akademiker-Übungsfirma" der Bundesrepublik in Nürnberg. Die Vermittlungsquote lag, so Müller, bei über 90 Prozent. Ähnliche Einrichtungen, initiiert vom Fortbildungszentrum der bayerischen Arbeitgeberverbände, gibt es nun auch in München und Augsburg.

Auch die Management-Akademie München des Bildungswerks der Bayerischen Wirtschaft (bbw) konnte unter dem Motto "Wirtschaft im Dialog" eine gestiegene Akzeptanz von Veranstaltungen melden, die sich an Vertreter der Schulen, der Kirchen, der Bundeswehr und der Verwaltung wenden. Im Mittelpunkt standen Fragen einer sich wandelnden Arbeitswelt und der Technik.

Für die "Qualifizierungsoffensive" stehen zunächst 760 Millionen Mark aus dem Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit zur Verfügung. Diese Mittel müssen sich alle Bundesländer teilen.