Umstellungsprojekt nach zwölf Jahren endlich abgeschlossen

BfG Bank: Was lange währt, wird endlich IBM

06.02.1998

Als "Jahrhundertwerk" bezeichnet Reinhard Käsler, Leiter Informationssysteme der in Frankfurt am Main beheimateten BfG Bank AG, das Vorhaben in der Mitarbeiterzeitung "Aktuell". Das ist zweifellos ein wenig übertrieben. Aber rekordverdächtig ist die Laufzeit des BfG-Projekts schon.

Wie in der CW Nr. 49 vom 4. Dezember 1987, Seite 1, nachzulesen ist, faßte die damalige Bank für Gemeinwirtschaft, bis dahin ein treuer Kunde des französischen Computerherstellers Bull, bereits 1985 den Entschluß, auf einen IBM-Mainframe aus der 3090-Reihe umzusteigen. Dieser Hardware-Austausch sollte mit einem Wechsel von der Bull-Version des hierarchischen Datenbanksystems "IDMS" auf das relationale IBM-Produkt "DB2" einhergehen. Branchenkenner mutmaßten damals, daß die enge Verbundenheit zwischen dem blauen Riesen und dem frischgebackenen BfG-Vorstand Eberhard Elsässer diese Entscheidung wenn nicht herbeigeführt, so doch untermauert habe.

Damit begann eine mehr als zehnjährige Leidenszeit für die BfG-Informatiker. Die betroffenen Mitarbeiter erkannten schnell, daß sie jedes einzelne Programm würden von Hand umstellen müssen, da es damals keine Tools gab, die zu einer maschinellen Konvertierung in der Lage waren.

Laut Karl-Heinz Hülsmann, seit 1991 Mitglied des BfG-Vorstands und in den vergangenen zwei Jahren für das Migrationsprojekt verantwortlich, hat sich das Unternehmen zwischenzeitlich dann doch nach einer automatischen Umstellungslösung umgesehen. Diese Idee sei aber wieder verworfen worden, weil sich herausgestellt habe, daß die besten Werkzeuge allenfalls 99,6 Prozent der Programmcodes konvertieren konnten und die verbleibenden 0,4 Prozent noch Arbeit genug bedeutet hätten.

Statt dessen gab sich die BfG offenbar weiter der Illusion hin, es wäre möglich, 60 GB an Datenbankinhalten sowie 1100 Anwendungsprogramme von Hand zu übertragen. Während der ganzen Zeit mußten die Bull-Welt und das IBM-System parallel betrieben werden, was nicht nur den doppelten Aufwand bei der Datenhaltung und Programmpflege nach sich zog, sondern den IT-Mitarbeitern zusätzlich die Last der Konsistenzüberwachung aufbürdete.

Als Elsässer Mitte 1990 aus dem Unternehmen ausschied, munkelten die gewöhnlich gut unterrichteten Kreise, daß er das Handtuch geworfen habe, weil die Systemumstellung den Bach hinuntergehe.

Elsässer selbst dementierte dies jedoch, beteuerte vielmehr, daß "die Weichen für die Umstrukturierung gestellt" seien (siehe CW Nr. 23 vom 8. Juni 1990, Seite 1). Tatsächlich wurde das Projekt weitere sechs Jahre mitgeschleppt.

Erst als Hülsmann 1996 die Projektverantwortung übernahm, setzte er einen Schlußstrich unter die bisherige Vorgehensweise. "Ich habe gesehen, daß wir mit der Bull-Umstellung so nicht fertig geworden wären", erinnert sich der BfG-Manager, der 1997 die höchste Hierarchiestufe des Finanzdienstleisters erklommen hat. Hülsmann: "Ich bin möglicherweise der einzige Vorstandsvorsitzende, der etwas von Datenverarbeitung versteht - zwangsläufig sozusagen."

Ein neues Team analysierte zunächst die vorhandenen Applikationen und fand heraus, daß nur 700 der 1100 Programme konvertiert werden mußten. Allerdings bestanden die Anwendungen aus völlig veraltetem Cobol-Code, weshalb sie vor der Umstellung erst einmal auf eine modernere Ausführung der Programmiersprache umzustellen waren.

Parallel dazu nahmen sich die IT-Fachleute der BfG auch den Datenbestand vor. Auf Hülsmanns Veranlassung ließen sie sich dabei von der SWS Software Services GmbH helfen, einem in Pforzheim ansässigen Anbieter von Konvertierungswerkzeugen.

Der SWS gelang es, die IT-Verantwortlichen der BfG für ihren Repository-basierten Ansatz zu begeistern. Er trägt die Bezeichnung "Daten-und-Anwendungssoftware-Evolution" (Dase) und arbeitet, vereinfacht gesagt, folgendermaßen: Die Dase-Tools analysieren die vorhandenen Daten und heften ihnen jeweils ein Etikett an, das sie dann in einer Metadatenbank erfassen. Diese Kategorisierung erlaubt es, Datentypen auszusondern und maschinell in ein anderes Format zu übertragen.

Folglich kann und wird die BfG zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die im Dase-Repository gespeicherten Informationen eignen sich nicht nur für die Umstellung von Bull- auf IBM-Datenbanken, sondern auch dazu, D-Mark-Summen in Euro-Werte zu verwandeln oder zwei- durch vierstellige Jahreszahlen zu ersetzen. Von dieser Möglichkeit will die BfG in zwei Folgeprojekten Gebrauch machen.

Die Frage, warum die BfG-Informatiker nicht eher auf die SWS-Lösung gestoßen seien, bleibt offen. Eine Rolle spielt möglicherweise die Tatsache, daß SWS sein Dase-Produkt "Exit" zunächst an die Bull-Spezifika anpassen mußte. Zudem hat bei der BfG wohl niemand Lust, sich mit etwaigen Versäumnissen der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Alle sind froh, daß die Datenbankkonvertierung im Juni vergangenen Jahres abgeschlossen werden konnte.

In der Endphase waren allein 70 hauseigene Mitarbeiter quasi rund um die Uhr mit dem Projekt beschäftigt. Als das IBM-System am 2. Juni 1997 in den Produktivbetrieb gehen sollte, stellte sich plötzlich heraus, daß es Doppelbuchungen gab. Auch beim zweiten Versuch 14 Tage später tauchte ein unerwarteter Systemfehler auf. Dank fieberhafter Anstrengungen liefen Bull- und IBM-Computer am 16. Juni konstant parallel.

Damit hatte es die BfG geschafft, von einem hierarchischen Datenbanksystem auf ein relationales umzusteigen. Auch die Konvertierung der Applikationen ist nahezu abgeschlossen. 80 Prozent der Cobol-Programme sollen noch im laufenden Quartal vom IBM-Mainframe betrieben werden.