Bewertung von Ist-Zuständen

31.10.1975

Diplomkaufmann Einar Scholz

Überall, wo organisatorische Konzeptionen entworfen werden, müssen die bisherigen Abläufe in irgendeiner Art und Weise erfaßt und später einer Bewertung unterzogen werden, indem eine sogenannte Schwachstellenanalyse durchgeführt wird. Es gibt eine Reihe von Problemen, die immer wieder bei den verschiedensten Abläufen wiederkehren, so daß sich diese Punkte im Sinne einer Checkliste zur Bewertung von Ist-Zuständen zusammenfassen lassen.

Aufbau der Checkliste

Wissenschaftliche Perfektion nützt bei Ist-Zustandserhebungen im allgemeinen wenig. Viel wichtiger ist die Sachkenntnis des Organisators, gepaart mit einem gewissen Gespür für Schwachstellen. Es empfiehlt sich, die folgenden Problemkreise senkrecht in eine Checkliste einzutragen und daneben globale Bewertungen wie sehr gut, gut, befriedigend, katastrophal oder weiß nicht einzutragen. Man lasse ferner viel Platz für Bemerkungen, so daß der Organisator gleichsam vorort bereits gewisse Bewertungen durchführen kann.

Checklistenpunkte

Die folgenden Punkte werden ohne eine entsprechende Rangfolge dargestellt, um dem Leser einen Eindruck von der Fülle der möglichen Probleme zu geben, auf die man bei der Untersuchungsarbeit achten sollte.

1. Terminprobleme, Durchlaufzeiten und Stapelbildungen von Akten sind besonders markante Schwachstellen, auf die man achten sollte.

2. Arbeitsspitzen, Mengenprobleme, Wartezeiten, Pufferzeiten, saisonale Schwankungen ergänzen den Punkt 1.

3. Sicherheitsaspekte aus der Sicht des Datenschutzes und der Auslagerung sind bei konventionellen Abläufen meist vergessen worden.

4. Die Revidierbarkeit von Abläufen ist meist nicht gegeben.

5. Personalkapazitätsprobleme incl. Reservenbildung und Abhängigkeit von bestimmten Mitarbeitern finden sich auch in den Fachbereichen.

6. Statusprobleme können so manche EDV-Lösung torpedieren.

7. Kompetenzprobleme ergänzen den Punkt 6.

8. Kommunikationsprobleme sind ein wesentlicher Aspekt.

9. Ausbildungsprobleme sind auch in Fachbereichen zu finden, treten jedoch nicht so deutlich wie in der EDV hervor.

10. Leistungsprobleme einschließlich deren Erfassung und Bewertung sind Probleme, die mit dem Betriebsrat genau durchzusprechen sind.

11. Personalbeschaffungs- und Fluktuationsprobleme beschäftigen die Fachbereiche in ganz erheblichem Maße, da keine Verlagerung auf eine Maschine möglich ist, wenn eine manuelle Organisation vorliegt.

12. Ausreichende Arbeitsanweisungen sind meist erst dann vorzufinden, wenn eine maschinelle Lösung dazu zwingt, es entstehen damit Synchronisationsprobleme im eigenen Bereich.

13. Arbeitsverlagerungsprobleme auf andere Bereiche sind ein Zeichen einer schlechten Unternehmensorganisation .

14. Integrationen zu anderen Arbeitsgebieten sind bei manuellen Abläufen meist nicht exakt definiert.

15. Notverfahren für den Fall von Krankheit, Urlaub etc. sind kaum vorhanden.

16. Jedenfalls muß genau geprüft werden, ob die bisherigen manuellen oder teilmaschinellen Verfahren langfristig überhaupt beibehalten werden können und ob man in den nächsten Jahren noch Personal für derartige Arbeiten bekommen wird.

17. Gesetzliche oder behördliche Auflagen können ganze manuelle Systeme mit einem Schlag gefährden weil man bei großen Mengen nur entsprechend langsam reagieren kann.

18. Probleme können dadurch entstehen, daß die einzelnen Fachbereiche nur mit unzureichenden Sachmitteln ausgestattet sind.

19. Mangelnde Investitionsbereitschaft kann einen Engpaß hervorrufen, der weitere Schwachstellen entstehen läßt.

20. Transportprobleme sind speziell dann wichtig, wenn das hausinterne Transportsystem einer dringenden Reorganisation bedarf.

21. Raumprobleme entstehen durch übermäßige Ablagen und durch ein Zuviel an Personal .

22. Änderungsprobleme sind bei manuellen Abläufen genauso schwierig wie bei maschinellen Verfahren, da besonders bei Routineabläufen viele Fehler durch häufiges Ändern entstehen.

23. Dokumentationsprobleme sind vielen Fachbereichen gar nicht bewußt, da keine Dokumentation existiert.

24. Die Auskunftsbereitschaft gegenüber Dritten wird vielfach nicht berücksichtigt.

25. Die Kosten der Abwicklung eines gesamten Verfahrens sind in den meisten Fällen unbekannt.

26. Zukünftige Erfordernisse werden vielfach erst dann berücksichtigt, wenn die Anforderungen konkret vorliegen .

27. Entscheidungen seitens der Geschäftsleitung werden allzuoft kritiklos hingenommen, obwohl sich auch ein Vorstandsmitglied einmal irren kann.

28. Externe Restriktionen machen mitunter viel Kummer genauso wie die Mißachtung gewisser interner Restriktionen.

29. Wichtig ist auf die Prüfung der Eindeutigkeit des Informationsflusses ohne Umwege.

30. Die Vollständigkeit aller Informationen ist oft nicht gegeben, genauso oft kommt jedoch auch eine Überinformation vor.

31. Letztlich kann es auch vorkommen, daß völlig überflüssige Restriktionen beachtet werden.

Beachtet man bezogen auf ein Arbeitssystem alle die vorstehenden Punkte bei einer Schwachstellenanalyse so wird man ein entsprechend gut abgestimmtes neues System entwerfen können welches die Basis für eine erfolgreiche Reorganisation bildet.