Bewerbungsstrategien in der Rezession (Teil 15) Aktivitaet und Sympathie bringen Pluspunkte bei der Vorstellung

04.03.1994

Personalchefs stellen nach Vorstellungsgespraechen jenen Kandidaten ein, der den aktivsten Eindruck hinterlaesst, das groesste Interesse an der Stelle, dem Unternehmen und dem Gespraechspartner zeigt. Darueber hinaus soll er sympathisch wirken und Sicherheit ausstrahlen. Bernd Andersch* gibt einige Tips aus der Praxis, damit Bewerber nicht in unnoetige Fallen tappen.

Viele Kandidaten sind im Vorstellungsgespraech zu verkrampft. Ein offenes Laecheln mit namentlicher Begruessung des Gespraechspartners empfiehlt sich als "Entree".

Gespannt und oftmals unangenehm ist fuer Einsteller und Bewerber die Anfangsphase des Gespraechs. Zwischen Betreten des Bueros und tatsaechlicher Gespraechseroeffnung liegen meist angespannte Sekunden der Ruhe. Hier sollte der Kandidat nicht verharren, bis das Gespraech durch den Einsteller eroeffnet wird. Vielmehr empfiehlt es sich, gleich nach dem Handeschuetteln einen individuellen Gespraechsaufhaenger zu finden. Das kann irgend etwas sein, das der Bewerber auf dem Weg durch das Unternehmen oder im Gespraechszimmer wahrnimmt. Solche individuellen Gespraechsaufhaenger sind fuer jedes gute Gespraech zwischen Unbekannten fuer eine anfaengliche persoenliche Annaeherung wichtig. Sie dienen als Eisbrecher, um eine lockere Gespraechsathmosphaere zu schaffen. Damit tut sich der Bewerber selbst den groessten Gefallen. Ausserdem wird Interesse am Gespraechspartner und sofortige Aktivitaet signalisiert. Platte Tatbestaende dagegen wie das schlechte Wetter, die umstaendliche Anfahrt, die volle Autobahn auf der Fahrt zum Einsteller etc. bewirken eher das Gegenteil. Sie sind wenig einfallsreich und stellen Allerweltsprobleme des Bewerbers in den Mittelpunkt.

Nach dem Platznehmen sollte der Bewerber nicht genuesslich die Beine uebereinander schlagen, die Arme verschraenken und in leichter Rueckenlage die typische Fernsehhaltung einnehmen. Es wird ein aktiver Gespraechspartner erwartet und keine Person, die das Gespraech ueber sich ergehen laesst und hin und wieder antwortet.

Der eingeladene Kandidat sollte oefters Ausfuehrungen des Gespraechspartners aufgreifen, darauf eingehen und vertiefende Fragen nachschieben. Damit wird aktives Zuhoeren signalisiert. Welcher spaetere Fachvorgesetzte hat es nicht gerne, wenn zukuenftige Mitarbeiter zuhoeren und auf ihn eingehen koennen?

Was sich auf jeden Fall im Vorstellungsgespraech verbietet, sind Arroganz, Besserwisserei und negative Kritik. War noch vor zehn Jahren bei den meisten Bewerbern ein zu geringes Selbstbewusstsein Gegenstand der Kritik, scheinen sich heute einige Bewerber als Nabel der Welt zu begreifen. Hochmut und ueberzogenes Selbstbewusstsein sind heute absolute Bewerberkiller.

Als Einsteller war ich selbst einmal etwas ueberrascht, als ein Bewerber mich fragte, ob die im Unternehmen soeben eingefuehrte "intelligente" Mikrofilmloesung im Archivbereich nicht bereits antiquiert sei. Ein anderer Bewerber fragte mich, ob es ueberhaupt noch zeitgemaess sei, mit Grossrechnern, wie sie mein Unternehmen damals einsetzte, zu arbeiten.

Auseinandersetzungen sind fehl am Platz

Sympathien kann man so natuerlich nicht gewinnen. Mir waere der Kandidat lieber gewesen, der gesagt haette: "Es muss sicherlich ein schwieriges Unterfangen gewesen sein, diese Archivierungsloesung im Unternehmen durchzusetzen. In vielen Fachzeitungen wird ueber optische Speicherplatten als Zukunftsmedium fuer das papierlose Buero hingewiesen. Wie beurteilen Sie die Zukunftsaussichten fuer ein solches Archivierungsmedium in Ihrem Unternehmen?"

Konfrontationen sollte hingegen aus dem Weg gegangen werden. Der bekannte amerikanische Verkaufstrainer Dale Carnegie sagte einmal: "Die einzige Moeglichkeit, einen Streit zu gewinnen, ist die, ihn zu vermeiden." Dieser Verkaufsgrundsatz hat fuer das Bewerbungsgeschehen allemal Bedeutung. Welcher Vorgesetzte favorisiert schon gerne den Kandidaten, der seine Auseinandersetzungsfreudigkeit bereits im Vorstellungsgespraech zu Markte traegt und keinem Streit aus dem Weg geht?

Unterwuerfigkeit, Bittstellerei, Nachtelefonieren des Bewerbers sowie Dankesbriefe und Interessenbekundungen im Anschluss an das Vorstellungsgespraech, um die Entscheidung des Einstellers zum eigenen Vorteil zu wenden, verbieten sich gaenzlich. Das hat nur ein Kandidat noetig, der bei anderen Einstellern keine Chance hat. Und da gilt das Klischee: Was andere nicht wollen, das moechte ich auch nicht. Von seinem gesamten Verhalten sollte sich der Bewerber mit dem Einsteller auf eine Ebene stellen, nicht darueber und nicht darunter.

Personaler hat kein Interesse an Monologen

Ein letzter Hinweis: Monologe sollten im Vorstellungsgespraech weder gefuehrt noch ertragen werden. Wer selbst dazu neigt, liefert fuer den Einsteller in seinen Ausfuehrungen meist jede Menge K.o.- Kriterien. Solche Bewerber sollten knappes Antworten trainieren, wobei im Idealfall die Antworten mit Fragen abgeschlossen werden. So wird die Gegenseite zum Gespraech ermuntert.

Haben Sie Fragen zum Bewerbungsgeschehen, koennen Sie sich an den Autor der Serie unter der Rufnummer 05231/355 88 wenden. Die Gespraechszeit ist allerdings auf maximal zehn Minuten begrenzt.