Tipps für die Jobsuche

Bewerbungsstrategien in der Rezession

08.11.2002
MÜNCHEN (CW) - Die Jobsuche in der IT-Industrie gestaltet sich immer schwieriger. Mit Bewerbungen nach Schema F, die vor zwei Jahren ausreichten, ist heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Engagement und Phantasie sind gefragt.

Die Situation auf dem IT-Arbeitsmarkt ist für alle Bewerber offensichtlich: dramatischer Rückgang der Stellenangebote in den Zeitungen und Online-Jobbörsen sowie Massenentlassungen vor allem bei Großunternehmen. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn sich auf eine ausgeschriebene Stelle 200 bis 300 Bewerber melden. Die arbeitslosen IT-Fachleute fragen: Wie komme ich zu einem Job? Wie mache ich mich mit meinen Qualifikationen bemerkbar, wie schaffe es ich, dass meine Mappe in diesem Berg von Unterlagen auffällt? Hier einige Punkte, die es zu berücksichtigen gilt.

1. Wie findet man eine offene Stelle?

Nach wie vor sind die Jobofferten in den Zeitungen eine wichtige Quelle, auch wenn die Wochenendausgaben im Vergleich zu den Vorjahren dünn geworden sind. Wer dort nicht fündig wird, sollte sich auf die Suche via Internet machen und darf nicht nur in öffentlichen Jobbörsen stöbern. Kleinere Firmen mit einem knapp bemessenen Budget für die Personalabteilung bieten ihre offenen Stellen häufig ebenfalls auf der eigenen Homepage an. Auch der Besuch von Messen oder Recruiting-Veranstaltungen lohnt sich, da man hier wertvolle Informationen über Unternehmen einholen kann. Zudem lassen sich schon erste Gespräche mit Personalverantwortlichen in die Wege leiten. Und warum nicht mal unkonventionelle Wege gehen? Auch Recherchen im erweiterten Familienkreis oder bei ehemaligen Schulkameraden können zum Erfolg führen.

"Es existieren noch offene Stellen", meint Susanne Liebscher, Personalberaterin bei der PSD Group in Frankfurt am Main. Man müsse allerdings gezielt danach recherchieren. Viele Firmen schalteten keine Anzeigen mehr, weil sie eine Menge Initiativbewerbungen bekämen. Wer sich für die Suche gut vorbereiten möchte, dem sei das Buch "Durchstarten zum Traumjob" von Madeleine Leitner empfohlen, die konkrete Tipps liefert, wie man eine neue Arbeitsstelle findet, auch wenn keine Offerten in den Zeitungen stehen. Karriereexperten weisen immer wieder darauf hin - auch in diesem Punkt hilft das Buch -, dass sich jeder selbstkritisch unter die Lupe nehmen und ehrlich die Frage beantworten sollte, was er kann und was er will.

2. Worüber muss man sich im Vorfeld informieren?

Immer wieder Anlass zur Kritik gebe die schlechte Vorbereitung auf die Jobsuche. Personaler monieren, dass sich die Wechselwilligen nicht ausreichend mit der Stelle, auf die sie sich bewerben, befassen. Ärgerlich sei etwa, wenn es an Wissen über den künftigen Arbeitgeber, und noch schlimmer über die künftigen Aufgaben, fehle. Einer der profiliertesten Personalberater in Münchens IT-Szene, Jürgen Herget, rät, in jedem Fall vorher anzurufen und sich genau über die Aufgaben in der freien Position zu informieren. Der Bewerber falle dadurch schon früh positiv auf. Wenn der Personaler später die Unterlagen in der Hand hält, erinnert er sich an die gut gestellten Fragen des Kandidaten. Für den Finanzchef des Münchner E-Business-Unternehmens Mindmatics, Christian Hinrichs, ist die telefonische Kontaktaufnahme von Kandidaten auch eine Form der Arbeitserleichterung, denn er erfährt in fünf Minuten Telefongespräch oft mehr als aus den Unterlagen. Er empfindet auch die Hartnäckigkeit von Anrufern positiv: "Solche Leute haben Vertriebsqualitäten."

Herget empfiehlt folgende Faustregel: Wenn das verlangte Profil mit dem eigenen nicht mindestens zu 50 Prozent übereinstimmt, sollte man die Finger von einer Bewerbung lassen. Auch Karriereberaterin Ulla Hoffacker vom Synergie-Netzwerk in Bonn rät davon ab, unzählige Initiativbewerbungen zu schreiben: "Manche bewerben sich aus Verzweiflung auf alle Stellen, die auch nur am Rande in Frage kommen können - eine Vorgehensweise, die ich nicht empfehlen kann." Die vielen Absagen würden nur die Frustration erhöhen.

3. Wie sollte eine Bewerbung aussehen?

Hier mussten die IT-Spezialisten in den vergangenen zwei Jahren umdenken. "In der Boom-Zeit reichte eine Drei-Zeilen-E-Mail, um bei den Unternehmen Interesse zu wecken", erinnert sich Andreas Mönch, Geschäftsführer der Saxonia Systems AG aus Dresden. Mittlerweile sind formale Kriterien wie ein aussagekräftiges Anschreiben, das auf jedes einzelne Unternehmen zugeschnitten ist, wieder wichtig.

Dazu Uwe Holländer, Personal-Manager bei der Bayer AG in Leverkusen: "Der Interessent sollte sich überlegt haben, weshalb Bayer für ihn in Frage kommt, und sich als jemand darstellen, der auf dem Boden geblieben ist und keine überzogenen Vorstellungen hat." Das Geschriebene müsse authentisch sein und später im Bewerbungsgespräch glaubwürdig ausgeführt werden.

Im Anschreiben sollten nicht nur die eigene Person und die Berufserfahrungen, die zum gewünschten Job passen, dargestellt werden. "Es ist wichtig, Anknüpfungspunkte zum Unternehmen zu suchen", betont Personalexpertin Liebscher. Außerdem gehört es in schwierigen Zeiten dazu, sich möglichst vorteilhaft von den Mitbewerbern abzuheben. Hier empfiehlt Liebscher den Bewerbern, die eigene Qualifikation besonders herauszustellen und beim telefonischen Kontakt zu punkten. Auch für Herget kommt dem Anschreiben eine zentrale Bedeutung zu. "Die Unternehmen werden konservativer. Sie achten stärker auf Loyalität, Geradlinigkeit und Kontinuität". Das Anschreiben sollte nicht länger als eine Seite ausfallen. Beim Lebenslauf können die Bewerber zwischen der amerikanischen Version, die mit der aktuellen Tätigkeit beginnt, und der traditionellen (deutschen) Variante wählen, die den beruflichen Werdegang chronologisch nachzeichnet.

Dass die Unternehmen inzwischen hohe Ansprüche an die Bewerbungsunterlagen stellen, scheint sich unter den IT-Profis noch nicht herumgesprochen zu haben. So auch Hinrichs Erfahrungen: "30 bis 40 Prozent der Bewerbungen, die auf meinem Schreibtisch landen, enthalten Rechtschreibfehler. Wenn außerdem in der Anrede Heinrichs statt Hinrichs steht, habe ich keine Lust mehr weiterzulesen."

Auch die äußere Form der Bewerbung lässt zu wünschen übrig, was viele Personaler Rückschlüsse auf die Arbeitsqualität des Absenders ziehen lässt. "Wenn ich eine schmierige, schlampige Bewerbung sehe, da frage ich mich, wie derjenige dem Kunden eine saubere Softwaredokumentation vorlegen will", sagt Rudolf Resch, Chef der Berner & Mattner Systemtechnik GmbH. Außerdem will er sofort erkennen, dass der Interessent Informationen über das Unternehmen eingeholt hat: "Es gibt nichts Schlimmeres als 08/15-Bewerbungen."

Standardbewerbungen akzeptiert auch Marcus Purzer, Vorstandsmitglied des E-Commerce-Anbieters 100 World, nicht: "Absender von Serienbriefen scheiden sofort aus." Für ihn ist wichtig, dass die Motivation des Bewerbers auf den ersten Blick sichtbar wird. Hinrichs von Mindmatics fügt hinzu: "Die meisten Bewerbungen sind standardisiert. Aber die Interessenten müssen beweisen, dass sie das Puzzle-Teil sind, das im Unternehmen fehlt." Auch in Sachen Foto gibt es noch Nachholbedarf: So berichtet Michael Neumann von der Frankfurter Personalberatung Nexecute, dass sich ein Kandidat im Holzfällerhemd beim Survival-Kurs ablichten ließ, oder von gescannten Fotos mit so schlechter Auflösung, dass das Gesicht nicht zu erkennen war. Egal ob eingescannt oder Originalfoto, schwarzweiß oder farbig - wichtig ist eine Aufnahme in Profiqualität - am besten vom Fotografen.

4. Was muss man beim Vorstellungsgespräch beachten?

Zum Vorstellungsgespräch gehört eine gute Vorbereitung. "Jedes Unternehmen ist eitel. Verdeutlichen Sie Ihr Interesse gerade diesem Haus", fordert Berater Herget. Um sich auf mögliche Fragen zum eigenen Werdegang und zur Qualifikation vorzubereiten, empfiehlt der Münchner Headhunter, darüber nachzudenken, mit welchen fünf Eigenschaften man sich selbst beschreiben würde. Bei Gehaltsverhandlungen rät er zu Bescheidenheit. "Nehmen Sie den neuen Job als Chance, zu beweisen, dass Sie gut sind." Nach der Erfahrung von Herget erkennen Unternehmen sehr wohl ihre fähigen Leute und fördern sie entsprechend. Schreibt Hergets Personalagentur eine Position per Stellenanzeige aus und fordert die Bewerber ausdrücklich auf, ihre Gehaltswünsche zu nennen, dann erwartet er auch konkrete Angaben. Da in manchen Bewerbungsbüchern immer wieder geraten wird, die Gehaltsvorstellung durch geschickte Tricks zu umgehen, könnte so manche Bewerbung trotz interessanten Lebenslaufs auf dem Absagenstapel landen.

Auch Mindmatics-Mann Hinrichs fordert die Bewerber auf, auf dem Teppich zu bleiben: "Die Zeit der großen Forderungen ist vorbei." Sein Tipp: Die Kandidaten sollten Vergleiche mit früheren Positionen vermeiden. Für ihn lautet die Killerphrase: "Im letzten Job habe ich die Summe X verdient, das möchte ich wieder erreichen." Firmen wünschen sich den engagierten Kandidaten, der sich auch nach der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens erkundigt: "Das ist für mich eine Pflichtfrage. Wer sie nicht stellt, nimmt die momentane wirtschaftliche Lage nicht wahr", so Hinrichs.

Herget warnt allerdings davor, jeden Job anzunehmen: "Nur Kompromisse einzugehen ist ein Fehler." Wichtig sei, die Zeit intelligent zu nutzen. Er räumt ein, dass die Jobsuchenden eine starke Psyche bräuchten, um sich nicht hängen zu lassen. "Lernen Sie lachen und treten Sie nicht miesepetrig auf", denn das verdirbt nur die Chancen. "Der beste Mist ist immer noch der Optimist." (bw, ho, iw, hk)

Abb: Wer wird gesucht?

Nach CAD/CAM-Spezialisten haben Anwendungsentwickler trotz der hohen Rückgänge noch die besten Chancen. Quelle: EMC/Adecco