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Bewahrt Numerus clausus für Informatik deutsche Hochschulen vor dem Kollaps?

26.01.2001

Der Werbefeldzug von Bund und Ländern für die neuen Technologien war erfolgreich. Die Zahl der Informatikstudenten hat sich seit 1997 mehr als verdoppelt, Tendenz steigend. Trotzdem gibt es bei den Vertretern der Politik besorgte Gesichter. Denn dem Ansturm sind die vorhandenen Kapazitäten an den Universitäten nicht gewachsen. "Es bedarf konzentrierter Anstrengung von Regierung, Industrie und Hochschule, um die Situation zu entschärfen", meint Volkmar Richter zum momentanen Ausnahmezustand in den Hörsälen. "Hektische Reaktionen" seien aber unangebracht. Vielmehr müsse Ursachenforschung betrieben werden, um die Gründe der Misere offen zu legen. Und diese seien vor allem im finanziellen Bereich der Hochschulen zu suchen. "Es hat an vielen Einrichtungen großer Diskussionen bedurft, die Meinung zu korrigieren, dass die Haushaltsmittel nicht im Verhältnis eins zu sechs zwischen Informatik und Ingenieurwissenschaften aufgeteilt werden."

Besonders betroffen sind nach Richters Meinung die Hochschulen der Neuen Bundesländer. Hier ist noch die Besoldung nach Osttarif die Regel. Da die Entlohnung eines Professors nur einem Drittel des in der IT-Branche marktüblichen Gehaltes entspreche, hätten vor allem die Hochschulen der Neuen Bundesländer viele Abwanderungen zu beklagen. "Warum gibt es keine ordentlich dotierten, zeitlich begrenzte oder kündbare Professuren?", fragt Richter. "Die gegenwärtige Situation hat jedenfalls wenig mit aktiver Bildungspolitik zu tun."

Auch Clemens Marschner denkt, dass die Krise nicht mit einem Patentrezept gelöst werden kann. Wie Richter befürwortet er eine Marktausrichtung der Hochschulen. "Dazu müsste man das amerikanische System im Wesentlichen gnadenlos kopieren - Studiengebühren inklusive." So wäre die Hochschule vom Erfolg der Studierenden abhängig. Auch Kurzstudiengänge könnten den Ausbildungsmarkt beweglicher gestalten. Für Hans-Joachim Buschmann stellt sich hingegen die Frage, wie aussagekräftig ein Numerus clausus aufgrund der Abiturnote sein könne. Auch er fordert aber verstärkte Eigenständigkeit der Hochschulen. "Genauso wie jeder Ausbildungsbetrieb seine Lehrlinge aussucht, sollten sich die Hochschulen nach ihren Kriterien die Studenten wählen können" Eine gut konzipierte Aufnahmeprüfung hätte mehr Aussagekraft als die Abiturnote.

Dagegen zeigt für Christian Zalto die Abschlussnote in einer Reifeprüfung, ob sich jemand für ein Studium eignet. "Wer dieses Maß nicht erfüllt, mag das Zeug zu einer soliden Berufsausbildung haben, deren Ergebnis, das handwerkliche Können, das Können des Akademikers an dieser Stelle vielleicht sogar überträfe." Wie andere Diskutanten möchte Zalto nur die besten Abiturienten an die Universität lassen. "Warum eigentlich nicht?", findet auch L.-U. Jasogi. "Sollte jemand diesen Numerus clausus nicht schaffen, kann er ja Physik studieren und anschließend als Quereinsteiger sein Glück versuchen." Schließlich würden die vermeintlich guten Zukunftsaussichten einfach zu viele Studenten locken, "denen das Fach nichts gibt". Zahlreiche Studienabbrecher sind die Folge. "Wer jetzt Nc-frei mit der großen Masse durchgespült wird, macht diese Erfahrung nur schmerzhafter und später."

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Die Informatikmisere an deutschen Hochschulen geht in die nächste Runde. Noch vor fünf Jahren gab es zu wenig Studenten. Mittlerweile ist der Zustrom so stark, dass ihn das Lehrpersonal kaum mehr bewältigt. Es droht ein Numerus clausus für ein Fach, das derzeit wie kein zweites eine Jobgarantie verspricht. Ihre Meinung ist gefragt unter http://www.youngprofessional.de.

Meinungen

"Wieso eigentlich kein Numerus clausus? Zumindest müssten die Unis in die Lage versetzt werden, sich ihre Studenten auszusuchen. Dann wäre die Informatikerschwemme bald kein Problem mehr. Zu welcher Qualität zu hohe Studentenzahlen führen, kann man exemplarisch bei den Wirtschaftswissenschaftlern sehen." Andreas Spengler

"Die ewig Gestrigen ziehen mit Parolen wie ,Schwarze Kassen statt schwarze Programmierer? in den Wahlkampf. Das bringt Stimmen, zusätzliche Studienplätze anscheinend nicht. Dadurch, dass man Falsches tut und Richtiges unterlässt, schadet es dem Wirtschaftsstandort gleich doppelt. Stattdessen müssen die Personalkapazitäten in den Universitäten dem Bedarf angepasst werden." Peter H.

Einen Numerus clausus halte ich für total absurd. Mein Abi-Durchschnitt war 3,6. Das lag aber nicht an mangelnder Intelligenz, sondern daran, dass ich lieber programmiert habe, als die Blechtrommel zu interpretieren. Trotzdem habe ich einen klasse Job in einem Weltkonzern. Man sollte das Studium auch für Leute offenhalten, deren Leistungen nicht dem Pseudo-Lehrplan entsprechen. Antiprofi