Fachhochschule München entscheidet sich für Kienzle:

Betriebswirte trainieren an der eigenen Anlage

08.06.1979

MÜNCHEN - Vor sechs Jahren wurde der erste Antrag für eine spezielle EDV

gestellt; in der vergangenen Woche konnte endlich die Kienzle 6100/6 den Studenten in der Fachhochschule München, Fachbereich Betriebswirtschaft, übergeben

werden.

Diese Fachhochschule verfügt bereits über mehr als 20 EDV-Systeme verschiedenster Größenordnungen und Baujahre, meistens sind es gekaufte Systeme, zum Beispiel eine Anlage von Zuse, Systeme von Digital Equipment, kleinere Rechner von IBM, Wang und Hewlett Packard, Olivetti und anderen Herstellern. Sie hat auch einen Anschluß an den Rechner des Kultusministeriums sowie an das Leipniz-Rechenzentrum, das allen Hochschulen Bayerns zur Verfügung steht.

Kaum kommerzielle Programme

Der Fachbereich Betriebswirtschaft fühlte sich jedoch mit seinen zirka 1500 Studenten nicht genügend gut versorgt, da vor allen Dingen kommerziell einsetzbare Programme kaum vorzufinden sind Die Studenten dieses Fachbereichs benötigen praxisnahe Demonstrationen von Programmen im Rechnungswesen, in der Personalabrechnung, Auftragsbearbeitung, Fertigungssteuerung und so weiter. Es wurde daher im Jahre 1973 erstmals der Antrag gestellt, eine eigene EDV-Anlage für diese Problemlösungen anzuschaffen.

Auf der Übergabefeier in den Räumen der Fachhochschule konnten die Studenten erstmals das neue System 6100/6 mit drei Bildschirmen, einem Drucker, einer Plattenstation und einem kleinen Lochkartenleser bewundern. Prodekan Professor A. Voigt wies in seiner Ansprache besonders auf die Aufgabenstellung der Fachhochschule hin, die in praxisbezogener Lehre besteht, was vor allen Dingen in der Industrie besonders geschätzt wird.

Programmierübungen im vierten Semester

Auf der Anlage sollen in Zukunft bereits für die vierten Semester Programmierübungen durchgeführt werden, die siebten und achten Semester erhalten eine Einführung in weitere Programmiersprachen sowie die Lösungsmöglichkeiten kommerzieller Probleme mit Hilfe von EDV-Anlagen. Weiterhin ist geplant, im Rahmen von Abschlußarbeiten die Studenten dazu anzuregen, Programme und neue EDV-Verfahren zu entwickeln.

Die Attraktivität der EDV-Anlage zeigte sich bereits in der Wahl der Studenten ihrer Schwerpunktthemen im nächsten Semester. München bietet im Bereich der Betriebswirtschaftslehre Marketing, Rechnungswesen, Produktion, Personalwesen und Organisation und Datenverarbeitung an. Während in den vergangenen Jahren das Hauptinteresse der Studenten auf eine Ausbildung im Rechnungswesen lag, ist jetzt deutlich eine Tendenz zu Organisation und Datenverarbeitung bemerkbar.

Das spiegelt nicht nur die Marktlage beziehungsweise Interessenlage der Studenten wider, sondern hier wird ein Fach gewählt, bei dem praktische Übungen und anschauliche Verfahren im Vordergrund stehen.

Parlez-vous ADA?

Es geschah zu der Zeit, als Napoleon auf St. Helena und Goethes Faust bei Gretchen landete, da sprach der britische Mathematiker Charles Babbage (1792-1871) zu seiner Assistentin: "Ada", sprach er (sinngemäß), "dafür, daß dein Vater ein Lord ist und ein Poet dazu, zeigst du in der Tat enormes Verständnis für mein neues Computersystem. "

Das heißt, "Computersystem" wird Babbage nicht gesagt haben, sondern eher "Difference Engine"; aber man weiß heute, daß der solchermaßen betitelte kuriose Kalkulator, 1812 konstruiert, ein Vorläufer der modernen Datenverarbeitung war.

Wer jedoch weiß schon etwas von der Helferin des Cambridge-Professors? Welches Manual erwähnt die frühenglische EDV-Emanze Ada Lovelace? Immerhin war sie die Tochter des großen Dichters Lord Byron. Hätten Sie's gewußt?

Jetzt hat die computerbefaßte Menschheit der Dame ein Denkmal gesetzt; die " Green Language " - so der bisherige Arbeitstitel - wurde nach ihr benannt: Ada.

Ada ist eine Art "high order language", die im Auftrag des amerikanischen Verteidigungsministeriums (DOD) für die Echtzeit-Programmierung anwendungsreif entwickelt wird. Anlaß zu dem Großprojekt, dessen Bedeutung für die Computerwelt im Siegeszug des - ebenfalls vom DOD bestellten - Cobol gemessen werden kann, gab die Tatsache, daß bei der amerikanischen Streitmacht nicht weniger als 400 Programmiersysteme Verwendung finden. (Insgesamt kennt die EDV-Szene an die 2000 verschiedene Informatik-Idiome.)

Der Verwaltungsaufwand im militärischen Software-"Park" hatte offenbar die notorische Hutschnur-Grenze einreicht: Rund sechs Milliarden Dollar beträgt derzeit das entsprechende Teilbudget im DOD-Haushaltsplan! Mit dem Einsatz von Ada im sprunghaft wachsenden Real-Time-Bereich Will man nun diese Mammutkosten senken.

Freude und Stolz herrscht indessen bei den Syntax-Experten diesseits des Atlantiks - in der von Jean Ichbiah geleiteten Forschungsgruppe bei Cii Honeywell Bull. Nach zum Teil jahrelangen Auswahl- und Prüfungsverfahren, wobei die Franzosen in Konkurrenz zur Weltelite der Software-Designer standen und 132 potentielle Anwender die diversen Lösungsvorschläge beurteilten, ging die Palme an das europäische Tüftler-Team.

So wird voraussichtlich ab 1980 die amerikanische Verteidigung mit ihrer EDV echtzeitlich Ada reden: eine französische Sprache mit englischem Wortschatz.