Interview

"Betriebssysteme könnten bald keine Rolle spielen"

30.01.1998

CW: Während sich Bill Gates und Suns Chef Scott McNealy auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas um die Aufmerksamkeit des US-Fernsehgiganten Telecommunications Inc. (TCI) streiten, verpaßten Sie dem Microsoft-Chef mit Ihrer Aussage, Betriebssysteme seien in Zukunft irrelevant, einen rhetorischen Seitenhieb. Sind Sie davon überzeugt?

Ellison: Ja, die Zeit der analogen Geräte ist abgelaufen. Ich denke, wir bewegen uns auf eine völlig neue Generation der digitalen Elektronik zu. Neue Telefonapparate, Fernseher, Auto-Navigationssysteme - alles wird in Zukunft digital gesteuert. Dementsprechend müssen moderne Applikationen auch für neue Plattformen konzipiert werden. Microsoft hätte es liebend gerne, daß genau diese fortschrittlichen Programme für Windows CE geschrieben werden. Wir glauben jedoch, daß diese Applikationen besser für eine Umgebung entwickelt werden sollten, die nicht vom zugrundeliegenden Betriebssystem abhängt. Deshalb sträubt sich Microsoft doch auch so vehement gegen Java und schwört auf ein hauseigenes MS-Java, das ausschließlich unter Windows läuft.

Sollten sich Entwickler in Zukunft dazu entschließen, hauptsächlich unter Java zu programmieren, werden Betriebssysteme keine große Rolle mehr spielen. Wir glauben, das ist der richtige Weg, vor allem auch für Unternehmen, die sich der Consumer-Elektronik verschrieben haben. Diese Firmen wollen nicht von einem Hersteller oder einer Person kontrolliert, manipuliert oder gar dominiert werden.

CW: Werden Kabel-Companies wie TCI das Zepter in Händen halten?

Ellison: TCI ist sicherlich ein Kandidat. Die Computerindustrie wurde stets über das Volumen kontrolliert. Diejenigen Anbieter, die günstige Produkte in großer Menge offerieren konnten, hatten gewonnen. So sind auch Microsoft und Intel zur Macht gekommen. Wenn es nun Geräte geben sollte, die billiger und in größerer Menge produziert werden können, als dies mit PCs möglich ist, dann sind diejenigen die Verlierer, die heute noch ganz oben stehen.

CW: Verärgert Intel nicht Microsoft, indem die Grove-Company mit Ihnen zusammenarbeitet?

Ellison: Auf jeden Fall. Zur Zeit läuft das Zusammenspiel zwischen Intel und Microsoft nicht. Vielleicht ändert sich das ja auch wieder. Aber es war nicht die Firma Intel, die die Karten neu gemischt hat, sondern Microsoft. Microsoft hat Windows CE für Nicht-Intel-Chips konzipiert. Dann gibt es da noch das Windows-Terminal, das auch ganz ohne Intel auskommt. Microsoft hat alles in allem eine Reihe von Produkten auf den Markt gebracht - die neue Generation der Consumer-Produkte beispielsweise - , die allesamt nicht auf Intels Chips angewiesen sind. Ich glaube, Intel möchte unbedingt im digitalen Low-cost-Geschäft mitmischen und arbeitet deshalb mit uns zusammen. Und wir kooperieren mit Intel. Dennoch wäre ich überrascht, wenn Microsoft und Intel nicht doch einen Weg finden würden, in Zukunft wieder enger zu kooperieren.

CW: Wie wird die Zusammenarbeit von Oracle mit Intel in den kommenden sechs Monaten aussehen?

Ellison: Wir werden neue Produkte für den 64-Bit-Merced-Chip ins Leben rufen.

CW: Wie ist die Kooperation zwischen der Oracle-Tochter NCI und Intel zu verstehen?

Ellison: Wir kooperieren mit Intel in verschiedensten Technologiebereichen. Unter anderem arbeiten wir in puncto Set-top-Box zusammen. Darüber hinaus unterstützen wir Intercast (Intels Technologie, mit der brachliegende TV-Bandbreiten für das Internet genutzt werden sollen, Anm. d. Red.). Außerdem entwickeln wir neue NCs. Und wir überarbeiten unsere Datenbank für die nächste Chipgeneration, den Merced. Alles in allem ist das eine sehr umfangreiche Partnerschaft mit Intel.

CW: Ist es wichtig für die Existenz der Programmiersprache Java, daß sie von den Kabel-Companies unterstützt wird?

Ellison: Aber sicher doch. Für Kabelfirmen existieren zwei Entwicklungsumgebungen - HTML und Java. Java kann Dinge, die HTML nicht kann. Kabel-Companies brauchen Java, und Java braucht die Kabelanbieter.