Betriebsraete beschuldigen Digital-Chefs Mangelhafte Kommunikation auf dem Information-Highway

07.04.1995

MUENCHEN (hk) - Die Digital Equipment Corp. (DEC) will ein europaweites Informations- und Konsultationsnetzwerk aufbauen, um die Kommunikation mit den Arbeitnehmervertretern zu verbessern. Die Betriebsraete sehen darin jedoch den Versuch, die EU-Richtlinie zur Einrichtung von Eurobetriebsraeten zu unterlaufen.

Nach Auffassung der deutschen Arbeitnehmervertreter verletzt das Management "wesentliche" Bestimmungen der Richtlinie. Das vorgeschlagene Netzwerk sei "nur eine Verteilerliste" mit einem Namen pro Land. Jede Person auf dieser Liste erhalte zweimal pro Jahr mit elektronischer Post einen Bericht des europaeischen Managements. "Alibi-Funktion auf dem Information-Highway", lautet der Kommentar aus Muenchen.

Die EU-Richtlinie verlange dagegen, so Betriebsratschef Wolfgang Mueller, eine "echte Information der Arbeitnehmervertreter" und Konsultationen ueber Geschaeftsentscheidungen. Die Bestimmung sehe weiterhin vor, dass sich Management und Arbeitnehmervertreter einmal pro Jahr traefen. Darueber hinaus duerften nicht die Fuehrungskraefte ueber die Anzahl der Arbeitnehmervertreter entscheiden. Die Betriebsratsstaerke richte sich vielmehr nach einem Schluessel, der die Groesse der Belegschaft in den jeweiligen Laendern beruecksichtige.

Die EU-Richtlinie ueber die Einrichtung von Europabetriebsraeten in internationalen Unter-nehmen muss in allen Mitgliedstaaten bis 1996 umgesetzt werden. Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter koennen aber bereits im Vorfeld freiwillige Abkommen vereinbaren, die auch nach Abschluss des Gesetzgebungsprozesses gueltig sind.

Amerikanische Unternehmen in Europa, so Mueller, versuchen nun das EU-Gesetz zu unterlaufen, indem sie schon vorab eigene Regelungen einfuehren, die aber der EU-Richtlinie nicht entsprechen. Solche unguenstigen hauseigenen Abkommen blieben auch dann gueltig, wenn die europaeische Norm in Kraft trete, beschreibt der DEC- Betriebsrat das Besondere der Situation.

Aus Sicht der Geschaeftsleitung stellen sich die Dinge etwas anders dar. Wie ein Digital-Sprecher gegenueber der CW erklaerte, haelt sich das Management an die EU-Richtlinie, in der es im Paragraph 13 heisst, dass die Betriebe freiwillige Loesungen mit den Mitarbeitern vereinbaren duerfen, bevor Landesgesetze in Kraft treten. Deshalb koenne keine Rede davon sein, dass das Unternehmen Regelungen verletze oder unterlaufe, wie dies der Betriebsrat der Fuehrung unterstelle, so der Sprecher.

In einem Schreiben des Managements an die Mitarbeiter teilt dieses stolz mit, dass man eine "schnelle und innovative Antwort" auf die EU-Richtlinie geben werde, indem man das Digital European Information & Consultation (EIC) Network einfuehre.

Im Gegensatz zur Auffassung der Mitarbeitervertreter, die der Fuehrung unterstellen, dass sie nicht die Kommunikation suche, meinen die Manager, dass es zu intensiven Konsultationen kommen werde. Wie diese funktionieren sollen, ist indes unklar, denn das Digital-Papier sieht pro Land nur einen Vertreter im EIC vor.

Der Zeitplan der Unternehmensfuehrung besagt, dass das lokale Management im Fruehjahr die Mitarbeiter ueber das EIC informiert, die dann in den drei Monaten ab April ihre Zustimmung geben und EIC-Vertreter waehlen koennen. Ab Juli soll das neue Manager- Mitarbeiter-Kommunikationssystem in allen EU-Niederlassungen eingefuehrt werden. In einer weiteren Phase will das Digital- Management das EIC in Laendern etablieren, die nicht Mitglied der europaeischen Union sind.

BR-Chef Mueller teilt natuerlich nicht den Optimismus der Geschaeftsleitung. Er weiss von einigen Kollegen in anderen Laendern, dass diese das EIC bereits abgelehnt haben. Auch die deutschen Betriebsraete koennen sich mit dem aktuellen EIC nicht anfreunden. Zur Zeit laufen die Verhandlungen mit der Geschaeftsleitung. Mueller hofft, dass die Betriebsraete in allen Laendern den Vorschlag des Managements ablehnen, so dass dieser in der Schublade verschwindet.

Im Grunde, so der Muenchner Arbeitnehmervertreter, braeuchte das Management nur den aktuellen Eurobetriebsrat des Unternehmens anzuerkennen. Dieser existiere seit 1992, werde aber von der Geschaeftsleitung nicht zur Kenntnis genommen.