Virtual Desktop Infrastructure

Betriebskosten der VDI - die große Unbekannte

02.06.2014
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Anwendungsfall bestimmt Kostenrechnung

Es sei quasi unmöglich, eine "Passt-schon"-Erfahrung für alle Anwendungsfälle zu schaffen, stellt Forrester-Analyst Johnson fest. Was für fortgeschrittenes CAD und Engineering als gut genug gelten dürfe, bedeute für die meisten anderen Unternehmensbereiche schlicht "Overkill" . Ein System, das speziell für nicht persistente Desktops entwickelt wurde, sei für die "Knowledge Worker" mit einiger Sicherheit nicht flexibel genug. Und wer ein Video-Collaboration-Werkzeug einsetze, könne mit einem System, das sich durch die rechenzentrums-übliche Bandbreite knabbern müsse, wenig anfangen. Kurzum: Eine VDI erfolgreich zu nutzen heißt, die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter und die daraus entstehenden Bedürfnisse zu kennen und zu erfüllen, mahnt der Analyst. Die Produktivität der Mitarbeiter gegen inkrementelle Effizienzgewinne der IT einzutauschen sei schlicht unökonomisch.

Jede Komponente trägt zur Bilanz bei

In den meisten Industriesystemen werden die Betriebskosten eines Gesamtsystems von der Summe aus den Betriebskosten jeder einzelnen Komponente abgeleitet, so untermauert Forrester seine Argumentation. Beispielsweise wählten die Hersteller von Traktoren die Einzelteile vor allem nach Robustheit aus, weniger nach hoher Leistung oder niedrigem Gewicht. Die verwendete Dieselmaschine habe vielleicht nur 50 PS. Aber dafür laufe sie 10.000 Stunden wartungsfrei.

Nun könnte der Hersteller stattdessen einen billigeren und noch dazu leistungsfähigeren Benzinmotor einbauen, aber dann müsste der Traktor vermutlich alle 1000 Stunden eine Werkstatt anlaufen, so die Marktbeobachter. Dieser Vergleich lasse sich auf die Desktop-In-frastruktur übertragen: Die Komponenten eines VDI-Systems müssten ja ebenfalls auf den jeweiligen Anwendungsrahmen abgestimmt werden. Um einen Überblick über die tatsächlichen Aufwände zu erhalten, sei es deshalb wichtig, die Lifecyle-Kosten aller Komponenten zu kennen und in die Gesamtrechnung einzubeziehen.

Allerdings sind die Komponenten einer VDI - anders als unabhängige PCs oder Laptops - keine Commodity-Teile, die man einmal installiert und dann vergisst. Sie haben alle unterschiedliche Lebenszyklen - die Cluster-Server, Speicher-Infrastrukturen, Netzkomponenten, WAN- und Speicher-Optimierer, Workspace-Virtualisierung etc. Nicht jede dieser Komponenten wird in jedem Fall nötig sein, aber wenn sie eingesetzt werden, müssen sie in die Berechnung einfließen.

Was Forrester den Anwendern empfiehlt

Unter dem Strich stellt eine VDI für viele Arbeitsstile wohl keine Möglichkeit zum Kostensparen dar. Ob die Vorteile, die sich damit erzielen lassen, die erhöhten Betriebskosten aufwiegen, ist in jedem Einzelfall separat zu ermitteln.

Wer einen Business Case erstellen will, sollte sich die Lifecycle-Kosten der wichtigsten Infrastruktur-Komponenten anschauen, dann die unterschiedlichen Szenarien und Architekturen, mit deren Hilfe das Unternehmen operationale Vorteile erzielen will. So werden vorintegrierte Software, Server, Speicher und Komponenten die Installation und den Betrieb vereinfachen. Aber dieser Vorteil wird durch Kompromisse erkauft. Und die können monatelang unentdeckt bleiben, bis sich die begrenzten Möglichkeiten plötzlich als Hindernis für eine Erweiterung des Systems erweisen. Erfahrungsgemäß steigen die Leistungsanforderungen eher , als dass sie fallen. Deshalb müssen die Hardware und die gesamte Infrastruktur zukunftssicher, sprich: anpass- und erweiterbar, sein.

Last, but not least sollte jeder verantwortungsbewusste IT-Manager vor der endgültigen Entscheidung einen Schritt zurücktreten und sich folgende Frage stellen: Lassen sich die angestrebten Verbesserungen des PC-Managements möglicherweise auch durch Automatisierung und neue Network-Security-Modelle erzielen, die eine VDI aus ökonomischer und technischer Perspektive obsolet erscheinen lassen?