Universität Frankfurt:

Betriebsinformatik in Workshop-Seminaren

22.06.1979

Am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Frankfurt (Fachbereich Wirtschaftswissenschaften) können Studenten der Betriebswirtschaftslehre seit 1972 auch die Spezialisierungsrichtung der Betriebsinformatik nach dem Vordiplom einschlagen.

Der Geschäftsführende Direktor des, Instituts - Professor Dr. Niedereichholz - hat innerhalb dieser Spezialisierungsrichtung von Anfang an auf eine breite, praxisorientierte Palette von Angeboten Wert gelegt. So kann der Student wählen (nach einführenden Veranstaltungen und Ausbildung in den wichtigsten Programmiersprachen) zwischen

a) Fertigungssteuerung mit EDV

b) Datenbanksystemen

c) Simulationsmodellen und -sprachen

d) DV-Auswahl und -Organisation

e) Softwaretechnologie

Nach dem Besuch einer Vorlesung in einem dieser Bereiche wird ein Seminar hierzu besucht. Bei diesen Seminaren gilt am Institut für Wirtschaftsinformatik die Devise:

- Workshop-artige Durchführung

- Gesunde Kombination von Theorie und Praxis.

Was dies bedeutet, hat eine Vielzahl von Absolventen (etwa 30 pro Semester) erfahren. Nicht zuletzt aufgrund der Workshop-Seminare haben die Absolventen, die mit dem Grad des Diplom-Kaufmanns ihr Examen abschließen, bestmögliche Anfangschancen. Workshop-Seminare werden in allen oben angeführten Bereichen durchgeführt. Die Teilnehmerzahl liegt zwischen zehn und 15. Alle Teilnehmer müssen mindestens zwei Programmiersprachen (beispielsweise Fortran und Cobol) gut beherrschen, was in vorangehenden Semestern erledigt wird. Die Vorgehensweise wird an einem im WS 78/79 durchgeführten Seminar zu c) veranschaulicht.

Für ein sternförmiges Rechnernetz mit einem Zentralrechner sollte als Grundmodell ein kostenminimales Leitungsnetz ermittelt werden. In einer ersten Erweiterung sollten dann die Auswirkungen unterschiedlicher Auslastungen auf die Leitungskonfiguration untersucht werden. Die Untersuchung des Geschehens am Zentralrechner bildete eine zusätzliche Modellerweiterung. Die Transaktionslast entstammte den Bedingungen eines Online-Verwaltungssystems von Landesuniversitäten und -hochschulen.

Für die praktische Arbeit wurden die in der Vorlesung "Simulationsmodelle" neben anderen vermittelten Kenntnisse der Sprache GPSS vorausgesetzt. Auf die Initiative einiger Teilnehmer hin programmierten diese das Modell in Simscript II.5. Das Seminar wurde von elf Studenten besucht - für einen Workshop eine fast optimale Zahl. Von dem zeitlichen Ablauf her gesehen war es in zwei Hauptteile gegliedert: Im ersten Hauptteil wurde in Referaten zur Warteschlangentheorie, zu GPSS-Spezifika, zu DFÜ-Techniken und zur Topologie von Rechnernetzen relevantes Wissen für die Durchführung der Fallstudie vermittelt und diskutiert. Der zweite Hauptteil bestand aus zehn Sitzungen mit Fortschritts- und Abschlußberichten der Programmiergruppen zu den einzelnen Modellen oder Modellteilen.

Parallel zu den Seminarsitzungen trafen sich die Programmiergruppen; außerdem wurden je nach Bedarf Beratungsgespräche durchgeführt.

Der Vergleich der Simulationsergebnisse war für alle Beteiligten der interessanteste Aspekt der Seminararbeit, wobei durch die parallele Programmierung in zwei Sprachen ein besonderer Reiz daraus entstand, daß zwei mächtige Simulationssprachen verglichen werden konnten. Die Simulationsergebnisse legten im ganzen gesehen gleiche Schlußfolgerungen für die Gestaltung des DFÜ-Netzes nahe.

Wenn die Sprachen als solche und deren Qualitäten verglichen werden, sind die geringere Laufzeiteffizienz von GPSS und der geringe Standard-Output von Simscript II.5 bemerkenswert. Für die Teilnehmer wie für die Verantwortlichen des Institutes wurden so vergleichende Beurteilungen von Simulationssprachen und deren Anwendungen ermöglicht, erweitert und verfestigt.

Andere Workshop-Seminare zu c) in vergangenen Semestern betrafen die Simulation einer strategisch gesteuerten Tankerflotte, eines Luftfracht-Cargoabfertigungssystems und einer komplexen Job-Shop-Simulation. Bei Seminaren zu e) wird beispielsweise eine Softwarekonstruktionsaufgabe an eine Seminargruppe herangetragen. In vergangenen Semestern wurden durchgeführt:

- Schreiben eines Cross-Assemblers für eine pdp8 auf einer Univac 1108 mit Spezifikationsphase, Programmierphase, Testphase und Dokumentation.

- Schreiben eines Fortran-Paketes zum Abspeichern magerer Matrizen nach mehreren Komprimierungsstrategien.

- Design und Spezifikation eines Codasyl-Datenbanksystems für Prozeßrechner.

Alle Seminarteilnehmer sind sich darüber einig, daß das Abweichen von dem üblichen (meist langweiligen) Referatsstil in Seminaren hin zur Live-Projektarbeit an EDV-Projekten einen großen pädagogischen Gewinn darstellt. Diese Vorgehensweise wird weiter ausgebaut werden. Zu jedem Seminar wird eine Institutsdokumentation angelegt.

*Prof. Dr. J. Niedereichholz ist an der Frankfurter Universität Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere für Informationssysteme und Datenverarbeitung.