Seminare! Seminare!

Betrachtungen des Casimir SitzfleischSatire

27.02.1976

Da ruft mich doch der Maurer von der Computerwoche an und meint, ich solle über meine Erfahrungen mit EDV-Seminaren schreiben. Dabei mag ich sein Blatt überhaupt nicht, denn es steht so viel drin, und dann sind die immer so kritisch, es ist richtig anstrengend. Da lob ich mir andere Zeitungen über Computer, da ist man wenigstens in zwei Minuten durch, denn man muß entweder nur die Artikel oder nur die Reklame lesen - in beiden steht fast dasselbe. Also sag ich dem Maurer, daß ich nicht kann, denn ich muß zu einem Seminar und wegen der Presse lasse ich mir den teuer erkämpften Seminarbesuch nicht verderben.

Ich sage Ihnen, meine Freunde, es wird immer schwieriger, zu einem Seminar geschickt zu werden. Kommt neulich mein Chef zu mir und meint: "Sitzfleisch", meint er, "Sie sind ja mehr bei Seminaren als bei uns", was überhaupt nicht stimmt, ich hab mir's genau ausgerechnet: die Reise eingeschlossen war ich im letzten Jahr nur 76 Tage bei insgesamt 18 Seminaren. Wenn man bedenkt, wieviel Neues es ständig in der EDV gibt, dann ist das eher noch zu wenig. Aber er meint das auch nicht so. "Ich muß Sie loben, Sitzfleisch", sagt er kürzlich, "Sie haben lhren Laden so gut organisiert, daß immer, wenn Sie nicht da sind, nichts schiefgeht." Na bitte!

"Effizient" ist immer gut!

Eigentlich sollte ich meine Leute zu den Seminaren schicken, aber die haben so viel zu tun; und außerdem ist es besser, wenn ich selber gehe, denn, so sage ich mir, man kann immer noch dazulernen, und außerdem ist es gut, wenn man vergleichen kann. Deshalb will der Maurer auch, daß ich einen Artikel für ihn schreibe.

Mein Hauptproblem ist: zu welchen Seminaren soll ich gehen. Das ist ja alles so verwirrend, sogar für mich! Die Herren Seminarveranstalter sind ja ganz rührig, ich sage Ihnen! Was die mir so alles zuschicken! Am liebsten gehe ich zu Seminaren, wo das Wort "effizienter" oder "effiziente" im Titel vorkommt. Das kriege ich dann am leichtesten bei meinem Chef durch. Und außerdem wird da immer am meisten diskutiert. Da gibt es Seminarteilnehmer, die sitzen bis elf Uhr nachts an der Bar und reden sich die Köpfe heiß. Ich mach das ja nicht mit, aber hörenswert ist es immer wieder. Und dann sind Seminare über Datenbanken auch immer gut. Ich habe jetzt im ganzen sechs Seminare darüber besucht und muß sagen, alle waren hörenswert. Was mir auch gut gefällt sind Seminare über Projektmanagement.

Lieber im Luxus-Hotel

Dabei fällt mir eine lustige Geschichte ein. War ich doch neulich bei so einem Seminar im Cobol Magna Institut. Bald darauf kriege ich eine Ankündigung für denselben Titel von der FBF-Akademie. Ich also nichts wie hin. Und was sehe ich: denselben Referenten. Obwohl dieses Seminar etwas billiger war, als das erste, hat er kein bißchen leiser gesprochen sondern fast genau dasselbe gesagt. Es war aber nicht so schön, weil es nicht in einem so schönen Hotel stattfand wie das erste. Und jetzt, halten Sie sich fest, hat dieser Referent auch noch sein eigenes Institut aufgemacht, und seine Prospekte sehen ganz ähnlich aus. Zufälle gibt's!

Am liebsten bin ich ja bei so richtig vornehmen Seminaren. Mein Chef meint zwar immer, in billigeren Seminaren würde das gleiche gelehrt, wie in teueren, Datenbank bleibt Datenbank, aber ich finde, die Atmosphäre ist sehr wichtig. Und so schwierige Themen, wie in der Akademie von Schnupperwal will man ja auch nicht immer hören. Wenn Sie mich fragen, ich finde die Seminare im BAFUO erhebend. So richtig gediegen, sage ich Ihnen.

EDV statt Management

Egal in welchem Institut, am besten gefällt mir immer der Anfang eines Seminars. Ich komme morgens meist als erster und genieße die aufgeräumte Ruhe eines leeren Seminarraumes. Die exakt ausgelegten Schreibblöcke, die Bleistifte, die Gläser. Und dann der Beginn. Die Aufgeregtheit beim Koordinator und beim Referenten. Die schönen Worte, die dann gesprochen werden, zuerst über das Institut, dann über dein Referenten, und dann die Einleitung des Referenten. Das sich Berantasten an das Thema - das manchmal Tage dauert. Nach zwei Stunden bin ich dann meistens müde und freue mich aufs Mittagessen und hinterher bin ich müde wegen des Mittagessens. Der Schluß ist auch immer schön, da machen alle so glückliche Gesichter. und alle mögen sich!

So, und jetzt muß ich abreisen, zum Seminar. Es behandelt die Strukturierte Programmierung. Ein ganz heißes Eisen, sage ich Ihnen, seit da neulich auf der ersten Seite, ich meine das war doch allerhand!

Ich bin ganz verzweifelt: ich kann mich nicht entschließen, zu welchem Seminar ich nächste Woche gehen soll. Einerseits gefällt mir das Management-Seminar des Instituts Tiefenholz sehr gut, Management ist nicht so schwierig wie EDV und viel amüsanter, oder ich gehe zu diesem englischsprachigen Institut, das mir jede Woche drei Briefe schreibt. Ich kann zwar kaum Englisch, aber schließlich kaufe ich mir seit Jahren den original Playboy in Englisch und habe auch immer meinen Spaß daran!

*Dr. Roland Henssler, Direktor des Control Data Instituts, versuchte in Form der Satire, den Typ des Seminar-Besuchers zu beschreiben, den er selber auch nicht so gerne sieht.