Katalogformate bereiten noch Kopfzerbrechen

Bestellung via Web entlastet Einkäufer und die Finanzen

04.06.1999
CW-Bericht, Frank Niemann Im E-Commerce macht ein neues Schlagwort die Runde: Electronic Procurement - zu Deutsch elektronisches Bestellwesen. Unternehmen erhoffen sich von diesem Verfahren Einsparungen, weil Online-Shops ihnen dabei helfen, Verwaltungskosten zu senken. Allerdings sollten sowohl Kunden als auch Lieferanten den Integrationsaufwand in ihre bestehende IT-Umgebung nicht unterschätzen.

Das herkömmliche Bestellen von Waren, wie beispielsweise Büromaterial, verursacht in vielen Firmen interne Verwaltungskosten, die den Wert der Artikel übersteigen. Nach Angaben des US-Marktforschungsunternehmens Forrester Research fallen bei jedem traditionellen Beschaffungsprozeß im Durchschnitt 142 Dollar an Verwaltungskosten an, während über das Web erteilte Aufträge nur mit sieben Dollar zu Buche schlagen. Daher liebäugeln mittlerweile viele Firmen mit E-Procurement-Lösungen: Laut Forrester Research sollen bereits in einem Jahr 55 Prozent der weltweiten Beschaffung über das Internet abgewickelt werden.

Beim E-Procurement ordert der Anwender beispielsweise Büromaterial direkt am PC und umgeht damit die sonst üblichen Verfahrenswege der Beschaffung. Der Käufer bestellt die Produkte über einen Online-Shop, indem er sie aus den elektronischen Katalogen der angebundenen Lieferanten auswählt.

Hohe Verwaltungskosten bewog auch die Deutsche Telekom zu ihrem Projekt "T-Einkauf". Bisher verursacht jede Bestellung sogenannter C-Artikeln, zu denen auch Produkte des Bürobedarfs zählen (siehe Kasten "Hilfsgüter"), dem Bonner Telefonkonzern zwischen 200 und 250 Mark an internen Prozeßkosten - ein enormer Betrag im Vergleich zum Wert der bestellten Waren. Dies erklärt auch den Umstand, warum bei der Telekom C-Artikel nur einen Anteil von fünf Prozent am gesamten Bestellvolumen ausmachen, obwohl rund die Hälfte aller georderten Güter unter diese Kategorie fällt.

Mit T-Einkauf will der TK-Riese nun seine internen Bestellprozesse schlanker gestalten. Nicht mehr nur die Einkaufsabteilung, sondern die Mitarbeiter in den verschiedenen Abteilungen und Niederlassungen sollen bestimmte Warengruppen elektronisch bestellen können. Dabei geht es jedoch nicht um die Beschneidung von Kompetenzen. "Die Einkäufer verlagern nicht die Verantwortung, sondern lediglich manuelle Tätigkeiten, um sich stärker auf konzeptionelle Arbeiten zu konzentrieren", erläutert Detlef Hartmann, Supply-Chain-Ma- nagement-Experte bei der Unternehmensberatung KPMG. Noch befindet sich der Bonner Telekommunikationskonzern mit dem Projekt in der Startphase. Später einmal sollen 20000 Anwender an das interne Procurement-System angebunden sein.

Im Gegensatz zur Telekom hat die Union Bank of Switzerland (UBS) ihr E-Procurement-System bereits realisiert. Zum Bestellen von Verbrauchsgütern müssen die Banker keine Papierformulare mehr ausfüllen, sondern besuchen dafür einen Online-Shop im Intranet. In diese virtuellen Läden haben sich Lieferanten des Finanzkonzerns eingemietet. Sie sorgen außerdem für die Aktualität der Produktkataloge.

Was sich so einfach anhört, birgt einen erheblichen technischen Aufwand. Der Ärger beginnt bereits bei den elektronischen Katalogen. Anwenderunternehmen haben meist mit mehreren Zulieferern Verträge abgeschlossen, und jeder Lieferant verwendet ein anderes Katalogformat. Beim E-Procurement-Projekt des Chemiekonzerns Novartis galt es beispielsweise, 130 Lieferantenkataloge intern abzubilden.

Ein einheitlicher Standard für elektronische Kataloge existiert bisher nicht. Daher gehen die Anbieter von E-Procurement-Systemen das Problem auf ihre Weise an. Bei Ariba, einem amerikanischen Anbieter entsprechender Lösungen, müssen die Produktkataloge beispielsweise in ein spezielles Format konvertiert werden. Im Gegensatz dazu verfolgt der E-Commerce-Spezialist Harbinger (http://www.harbinger.de) ein anderes Konzept: Das Unternehmen vermittelt als Content-Broker zwischen Kunden und Lieferanten. Dabei werden die Daten der verschiedenen Lieferanten auf externen Systemen von Harbinger konsolidiert.

Doch nicht nur für die Anwender bedeutet der Einstieg ins E-Procurement einen erheblichen Integrationsaufwand. Auch Lieferanten müssen einige technische und organisatorische Hürden nehmen, bevor ihre Kunden Waren elektronisch bestellen können. Dies bekam auch der in München angesiedelte Bürobedarfshändler Kaut-Bullinger zu spüren. Einige ausgewählte Firmen können im Rahmen eines Pilotprojekts auf nur ihnen zugänglichen Bereichen der Web-Site des Fachhändlers Produkte ordern. Mit der bisherigen Lösung ist Kaut-Bullinger jedoch nicht zufrieden und hat deshalb einen Neuanfang beschlossen.

Probleme bereitete das Bereitstellen von kundenspezifischen elektronischen Katalogen im Internet, erläutert Ursula Schambeck. Die Marketing-Leiterin ist mitverantwortlich für die E-Commerce-Aktivitäten von Kaut-Bullinger. Da nicht alle Online-Kunden die gleichen Produkte benötigen und zudem unterschiedliche Preise zahlen, muß der Fachhändler praktisch für jeden einen speziellen Katalog einrichten. Doch dies setzt voraus, daß der Bürobedarfslieferant die speziellen Produktlisten kostengünstig aus seinem Basiskatalog generieren kann, da andernfalls die Lösung für ihn wirtschaftlich nicht tragbar wäre. "Wenn wir zwischen 10000 und 15000 Mark für jeden kundenspezifischen Online-Shop investieren müssen, ist das Ganze für uns uninteressant", bringt Schambeck das Problem auf den Punkt.

Bevor Kunden und Zulieferer per Internet Geschäftstransaktionen abwickeln können, müssen sie die elektronischen Einkaufssysteme in ihre betriebswirtschaftlichen Anwendungsprogramme einbinden. Besonders schwierig dürfte sich die Anbindung an selbstentwickelte Warenwirtschaftssysteme gestalten. Beispielsweise mußte das Stuttgarter Systemhaus Danet Internet Solutions die E-Commerce-Software "Intershop 3" an die speziell für die Landespolizei Baden-Württemberg programmierte Verwaltungssoftware anpassen. Dennoch hat sich der Aufwand gelohnt: Nun können die 25 000 Beamten ihre Uniformen über einen Online-Shop im Intranet der Behörde beziehen, ohne sich, wie früher notwendig, dafür auf eine Dienstreise begeben zu müssen.

Auch die Anbieter von Enterprise-Resource-Planning-(ERP-) Lösungen haben sich des Themas E-Procurement angenommen, wenn auch nur zögerlich. "Peoplesoft und Baan bieten noch keine solchen Produkte an, dagegen sind Oracle und SAP schon weiter", beschreibt Alexander Drobik, Research Director beim amerikanischen Marktforschungsunternehmen Gartner Group, die Situation. So erweiterte der Walldorfer Softwarekonzern sein R/3-System mit dem "SAP Business to Business Procurement" (BBP) um eine Funktion für den elektronischen Einkauf. Auf diese Weise können die Benutzer Bestellungen auch ohne "Sapgui"-Kenntnisse über einen Web-Browser auslösen.

Im Gegensatz zu den ERP- Anbietern, die E-Procurement lediglich als Zusatzprodukt offerieren, haben sich Firmen wie Commerce One und Ariba ganz dem E-Procurement-verschrieben. Über Aribas "Operating Resource Management System" (Orms) ordert beispielsweise der Netzwerkhersteller Cisco Systems seinen Bürobedarf. Außerdem betreibt Ariba einen elektronischen Marktplatz im Internet, der Lieferanten und Kunden zusammenbringt. Diesen Service will zukünftig das in der Schweiz angesiedelte Reise- und Transportunternehmen Sair Group nutzen. Die Käufer können dabei über die Web- Site http://www.ariba.com auf Produktkataloge von Zulieferfirmen zugreifen und Bestelltransaktionen auslösen - vorausgesetzt, alle Beteiligten nutzen Orms. Nach einem ähnlichen Schema arbeitet Marketsite.net des Anbieters Commerce One.

Online-Marktplätze bieten einige Vorteile: Kunden müssen nicht zu jedem einzelnen Lieferanten eine Verbindungen einrichten. Außerdem hat der Käufer so eine bessere Übersicht, welcher Anbieter was bietet - und vor allem zu welchem Preis.

So schön alle diese Konzepte auch sein mögen: Wenn nicht die wichtigsten Lieferanten eines Unternehmens ihre Katalogdaten auch online zur Verfügung stellen können, nutzen die besten E-Procurement-Anwendungen recht wenig.