Trainee-Programme: Unternehmen investieren in IT-Nachwuchs

Beste Startchancen mit Schlüsselqualifikationen

19.12.1997

Lebenslanges Lernen, Handlungs- und Wandlungsfähigkeit - dieses Anforderungsprofil gilt bei der TDS GmbH in Heilbronn. Personalleiterin Dagmar Zimmer, vor gut einem Jahr bei dem IT-Dienstleister mit dem Ziel angetreten, das Unternehmen unter qualifizierten IT-Fachleuten populär zu machen, rührt unentwegt auf Kontaktbörsen, Absolventenmessen und Hochschultagen die Werbetrommel. Erfreut nimmt sie inzwischen zur Kenntnis, daß sich unter den Professoren etwas bewegt: "Viele kommen aus ihren Elfenbeintürmen heraus." An den Hochschulen habe man die Verantwortung für die Vorbereitung des Nachwuchses aufs Berufsleben erkannt.

Auf der Suche nach gutem Nachwuchs befindet sich auch TUI. Europas größter Touristikkonzern, der die Ware Urlaub erfolgreich verkauft, hat sich inzwischen zu einem riesigen Informationsdienstleister entwickelt. In ihrem konzerneigenen Systemhaus TUI Infotec bündeln die Touristikexperten mit inzwischen 220 Mitarbeitern ihr IT-Know-how für den weiteren Ausbau des boomenden Reisegeschäfts. Wie die für IT zuständige Personalreferentin Martina Fuhrmann gegenüber der CW betont, habe die TUI bei Internet-Nutzung oder Data-Warehousing Standards für die Branche gesetzt.

Mit einem neuen IT-Einstiegsprogramm wolle der "Urlaubskonzern" qualifizierte Hochschulabsolventen für sich begeistern und auf attraktive Aufgaben in einer zukunftsorientierten Branche vorbereiten.

Um sich beim Ringen um die Besten erfolgreich in Szene zu setzen, greifen die Unternehmen zu unterschiedlichen Methoden. Während TUI die Bewerber durch ein Assessment Center lotst, beläßt es TDS beim traditionellen Einstellungsgespräch. Hochschul-Marketing steht bei vielen Arbeitgebern hoch im Kurs. Wer bereits zu Studienzeiten Kontakte zur Berufswelt knüpfen will, ist bei Unternehmen willkommen. IT-Einstiegsprogramme für Absolventen gab es bei Anwenderunternehmen wie TUI bisher eher selten. "Hatten wir früher vorwiegend berufserfahrene Praktiker eingestellt, wollen wir nun verstärkt den Hochschulnachwuchs auf uns aufmerksam machen", skizziert Fuhrmann die Personalpolitik ihres Arbeitgebers.

Die vielbeschworene Investition in die Zukunft ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht unbestritten ein Risiko, zumal die Absolventen in der Regel erst mittelfristig zur Produktivität beitragen können.

1998 sollen etwa acht, bis zum Jahr 2000 insgesamt 20 bis 25 IT-Einsteiger unterkommen. Pro ausgeschriebene Stelle flattern Personal-Managerin Fuhrmann gut 50 Bewerbungen auf den Tisch, während auf Absolventenmessen jeweils rund 70 interessierte Kandidaten das Gespräch suchen.

Den endgültigen IT-Einstieg vor Augen hat zum Beispiel Kirsten Schulz. Obwohl die Wirtschaftsinformatikerin von der Technischen Universität Ilmenau ihrer Diplomarbeit noch den letzten Schliff geben muß, hat sie bereits den TUI-Arbeitsvertrag in der Tasche. Schulz, die auch einen Abschluß in Textildesign vorweisen kann, hat in den Semesterferien reichlich Praktika absolviert.

Ihren kommenden Arbeitgeber lernte sie in einem Praxisseminar über den Tourismusmarkt näher kennen und bewarb sich dann auch gleich auf einer Absolventenveranstaltung.

Nach erfolgreichem Assessment-Center tritt sie im Januar zunächst eine Assistentenstelle an und nimmt dann ab Anfang Mai am IT-Einstiegsprogramm teil. Sie interessiert sich vor allem für die Modellierung von Anwendungssoftware, Qualitätssicherung und Ergonomie.

Josef Bertl hat bereits ein Trainee-Programm beim Dienstleister Compunet hinter sich. Der Niederbayer reiste nach dem Abitur zunächst nach Mexiko und lernte dort Spanisch. So konnte er an der Hochschule für Europäische Betriebswirtschaft in Madrid studieren. Parallel zum Studium paukte er in Fernkursen Anthropologie und Psychologie und verdingte sich als Praktikant bei Mercedes-Benz.

Pro Jahr stellt Compunet rund 100 Trainees ein. Die zukünftigen Vertriebs-Manager und Systemberater des rapide wachsenden IT-Dienstleisters müssen sich mit ihrer Persönlichkeit stark aus der Masse abheben. Schon im Stellenangebot heißt es: "Sie sind ein Unternehmer und bringen überdurchschnittliche Lern- und Leistungsbereitschaft mit." Bewerber wie Bertl oder ein anderer Kandidat, der, wie sich Compunet-Personalentwickler Robert Hobelsberger erinnert, "im Outfit eines Fahrradkuriers zum Vorstellungsgespräch erschien, aber im Kopf hellwach war", sind trotz fehlender IT-Vorkenntnisse willkommen. Obwohl er das Trainee-Programm erst vor einem Jahr abgeschlossen hat, betreut Bertl bereits heute Kunden wie Viag, DG Bank oder BMG Ariola und gibt sein Wissen in Seminaren an den Trainee-Nachwuchs weiter.

Im Unterschied zu Compunet, wo Online-Bewerbungen noch nicht an der Tagesordnung sind, bringen sich manche Young Professionals bei TDS übers Internet ins Gespräch. Auf diese Weise hat sich zum Beispiel Betriebswirt Clemens Fricke erfolgreich für die Trainee-Ausbildung zum SAP-Systemberater beworben. Dabei profitierte der 27jährige Absolvent der Universität Göttingen von den Hochschul-Marketing-Aktivitäten der TDS-Personalleiterin.

Fricke hatte sich auf Wirtschaftsinformatik spezialisiert und unter Federführung des SAP-Hochschulkreises an Projekten für mittelständische Unternehmen mitgearbeitet. So lernte er das von SAP autorisierte Beratungshaus kennen und erfuhr zum ersten Mal von den Trainee-Programmen des Heilbronner Systemhauses. Heute lernt er von der Analyse über die Konzeption bis zur Projektrealisierung alle wesentlichen Arbeitsphasen der SAP-Einführung. Die Ausbildung ist auf die individuellen Vorkenntnisse jedes Teilnehmers abgestimmt. Alle Zwischenziele werden von Personalentwicklern, Paten und Trainees festgelegt und können je nach Bedarf korrigiert werden.

Personalchefin Zimmer meint dazu: "Die Ausbildung ist stark von den Führungskräften abhängig." Für den Karrierestart muß ein Unternehmen dem Nachwuchs mehr bieten als überkommene Rollenzuweisungen. Einsteiger brauchen Zeit, um sich zu entfalten, Verantwortung und herausfordernde Aufgaben, um sich beweisen zu können.

Fricke und sein TDS-Trainee-Kollege Oliver Bunzheim, der zuvor fünf Jahre bei einem Gerüstspezialisten arbeitete, gehen schon zum Kunden, erstellen wichtige Programmteile oder arbeiten an Handbüchern mit. Die Berater und Systemspezialisten in spe wirken zuversichtlich, ob sie es vorsichtig formulieren wie Fricke "Lernen und vorwärts kommen"; oder selbstbewußt-forsch wie Bunzheim: "Mit einem Bein im SAP-Markt, das ist die halbe Miete" oder entspannt-optimistisch wie Bertl: "Ich habe keine besonderen beruflichen Ziele, sondern will hauptsächlich Spaß haben.

*Winfried Gertz ist freier Journalist in München.