Corporate Performance Management

„Best of Breed“ oder „Best of Suite“?

10.07.2006
Dass Office-Werkzeuge oder Abrechnungssysteme zur Unterstützung des Controllings nicht ausreichen, sondern spezifische Business Intelligence-Werkzeuge notwendig sind, steht mittlerweile außer Frage. Eine spannende Frage ist allerdings, inwieweit ein oder mehrere Technologien bzw. An-bieter ausgewählt werden sollten. Insbesondere IT-Abteilungen klagen regelmäßig, dass zu viele Lösungen verschiedener Anbieter im Einsatz sind. Das Controlling bevorzugt hingegen häufig Produkte, sie sich auf einzelne Problemstellungen konzentrieren - und davon gibt es viele Controlling: Strategische Umsetzung (BSC), Planung, Budgetierung, Reporting, Konsolidierung, um nur einige zu nennen. Diese nennt man üblicherweise „Corporate Performance Management“-Werkzeuge (CPM). Nach der Gartner-Definition betont CPM die Integration zwischen den Teilprozessen.

von Karsten Oehler*

Die Fragestellung lautet - auf den Punkt gebracht - „Best of Breed“ versus „Best of Suite“. Frei übersetzt bedeutet das: Das Beste auf dem Markt für jede individuelle Fragestellung oder alle An-wendungen von dem Anbieter, der die beste Gesamtlösung anbietet. Zwar wollen viele Entscheider weg vom Wildwuchs, wie u.a. eine aktuelle Umfrage vom CFO-Research klarstellt. Allerdings er-gibt sich für Unternehmen häufig gar nicht die Möglichkeit einer Best of Suite-Strategie, wenn etwa der Anbieter der Wahl gar nicht das gesamte Portfolio anbieten. Unbestritten ist, dass es wenig Sinn macht, jede einzelne Anforderung Lösungen eines anderen Anbieters umzusetzen. Aber was ist die richtige Anzahl verschiedener Lösungen?

Das Entscheidungsfeld ist relativ heterogen, denn es geht ja nicht nur alleine um Anwendungen aus dem Controlling. Die Frage kann unterschiedlich weit formuliert werden:

  • Bezogen auf Anwendungen des Controllings sind so genannte CPM-Suiten relevant. Eine CPM-Suite sollte nach Ansicht der Gartner-Analysten mindestens drei Funktionsbereiche unterstützen. Also etwa Planung, Konsolidierung und Balanced Scorecard. Das reicht jedoch nicht immer, um alle Aspekte der Unternehmenssteuerung abzubilden. Das Risiko-Management etwa weist spezi-fische Anforderungen auf, die mit den drei skizzierten Werkzeugen nicht ausreichend abgebildet werden können.

  • Daneben ist allerdings auch die Technologie-Komponente zu berücksichtigen: Eine Besonderheit der verfügbaren CPM-Werkzeuge ist, dass die Entscheidung viel stärker als bei ERP an die Technologie gekoppelt ist. Man kann nicht einfach die Datenbank austauschen, wie dies bei-spielsweise bei ERP der Fall ist. Insofern bezieht die Fragestellung auch Data Warehouse und BI-Werkzeuge (und unter Umständen auch die ERP-Lösung) mit ein. Nimmt man also die CPM-Komponenten eines BI-Herstellers - oder ist das CPM-Lösungsportfolio eines ERP-Anbieters passend? Der Erfolg des Business Warehouses der SAP scheint die letzte Strategie zu bestätigen.

Hier spielt die auch Motivation eine Rolle, denn es gibt eine Vielzahl von Aspekten, die für eine Entscheidung bedacht werden sollten:

  • Das augenscheinlich bestechendste Argument für eine „Best of Suite“-Lösung ist die Anforde-rung einer hohen Integration. Denn die Entwicklung von Schnittstellen ist bekanntermaßen eine teure Angelegenheit. Bei gleicher Architektur sollen die Werkzeuge besser zusammen passen. Hier ist allerdings Vorsicht angeraten: Der Integrationsbegriff im BI-Umfeld unterscheidet sich deutlich von dem im ERP-Bereich. Denn die angebotene Integration ist meistens eher technisch motiviert. So merkt etwa Nigel Pendse, ein international renommierter BI-Analyst, an: „Die In-tegration geht selten über die Benutzeroberfläche hinaus. Deshalb ist es oft ein Irrglaube anzu-nehmen, dass die Produkte eines Anbieters wirklich integriert und kompatibel seien oder auch nur die Bedienerlogik übereinstimme.”

  • Ein gemeinsames Look & Feel kann den Schulungsaufwand reduzieren. Das gleiche Systemver-halten führt zu einem erhöhten Wiedererkennungseffekt.

  • Konzeptionell sollten die Systeme einheitlich aufgebaut sein. So können sich etwa KPI-Konzepte durch alle Lösungen eines Anbieters ziehen. Berichte sind gleichermaßen in der Bud-getierung wie im Reporting verwendbar. Allerdings ist die Integrationstiefe durchaus unter-schiedlich ausgeprägt, weil gerade große Anbieter die CPM-Lösungen vielfach nur hinzugekauft haben.

  • Die grundsätzliche Steuerungsphilosophie der gewählten Lösung muss stimmen: Was nützt bei-spielsweise eine Planungslösung, die nur die klassische Budgetierung unterstützt, wenn das Un-ternehmen ein Forecasting implementieren will?

  • Beziehungen zum Anbieter. Dabei kann es ganz einfach die Einräumung von Rabatten gehen; intensivere Kontakte zum Anbieter erlauben unter Umständen aber auch, Einfluss auf die Pro-duktentwicklung zu nehmen. Hierbei spielt natürlich die Größe des Anbieters eine wichtige Rol-le. Die Chance auf eine Einflussnahme ist bei großen internationalen Anbieter natürlich geringer als bei mittelständischen, lokal verankerten Unternehmen.

  • Bei der Nutzung von CPM-Anwendungen eines Anbieters kann „Business Content“ , etwa aus dem ERP-System verwendet werden. So könnte etwa der im ERP-System verwendete Content-Rahmen oder auch Mitarbeiterlisten verfügbar gemacht werden. Die Bedeutung von den inhaltli-chen Aspekten wird indes oft überschätzt, weil er in BI-Systemen fast immer erneut auf indivi-duelle Anwenderwünsche abgestimmt werden muss.

  • Innovative Lösungen entstehen häufig bei kleinen Anbietern. Größere Anbieter springen in der Regel erst dann auf den Zug auf, wenn sich ein Markt dafür entwickelt. Im CPM-Markt gibt es noch viele Nischen, die derzeit für größere Anbieter noch nicht interessant sind.

Ein entscheidender Auswahlfaktor ist die Reife der Lösung bzw. des Marktes. Man kann sich an folgender Faustregel orientieren: Je besser die Anwendung für den Massenmarkt geeignet ist, desto geringer fällt der Wert einer „Best of Breed“-Anwendung aus. CPM ist aufgrund der Heterogenität der Einzellösungen derzeit noch schwer einzuordnen. Obwohl es einige Lösungen schon ziemlich lange gibt –insbesondere Planung und Konsolidierung - ist der CPM-Markt, der die Steuerungslö-sungen ganzheitlich betrachtet, noch recht jung - die zu unterstützenden Prozesse sind keineswegs „Common Practice“. So sind etwa Lösungen für Risiko-Management oder Compliance-Analysen noch eher unüblich und innovativ.

Eine sinnvolle Entscheidung kann natürlich nur vor dem Hintergrund der individuellen Anforde-rungen und der vorhandenen technologischen Infrastruktur getroffen werden. Aber in einer Vielzahl der Fälle empfiehlt sich eine „gemilderte Best of Breed“-Strategie: Die Reduzierung auf höchstens zwei bis drei Anbieter. Dies sehen auch Analysten und Marktkenner ähnlich. So resümiert etwa Carsten Bange, Geschäftsführer des auf BI spezialisierten Markforschungs- und Beratungsunter-nehmens BARC (Business Applications Research Center): „Eine geeignete Bebauung der Business- Intelligence-Architektur enthält in der Regel zwischen zwei und drei gezielt ausgewählte und sich ergänzende Softwareprodukte. Ein Beispiel wäre etwa ein SAP BW, eine geeignete Lösung für das Berichtswesen und eine Ergänzung um ein Tool für einen abgeleiteten Data Mart für Controlling und Vertrieb, falls Performance-Probleme die Anwender plagen.“

*Dr. Karsten Oehler ist Experte für Business Intelligence (BI) und Corporate Performance-Management (CPM). Er ist Director PreSales beim BI-Spezialisten MIS GmbH und Autor des Bu-ches „Corporate Performance-Management mit BI-Werkzeugen“.

Karsten Oehler: "Corporate Performance Management"
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