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Besser leben im Netz - Deprimierte fliehen oft in die virtuelle Welt

22.11.2006

Ein Mensch wie Sebastian B. passe genau in dieses Bild, sagte te Wildt. Der 18-Jährige fühlte sich in der Realität zum „ständigen Verlierer“ und als „Doofmensch“ abgestempelt. Im Internet konnte er sich dagegen in Kampfvideos auf seiner Homepage als mächtiger Mann darstellen oder in Internetforen seine Meinungen äußern, ohne dass ihn jemand unterbrach oder auslachte.

Im Internet sehen die Betroffenen eine Möglichkeit, vor ihrer Krankheit wegzulaufen. „Es ist ein Lösungsversuch. Online finden sie oft, was ihnen im richtigen Leben fehlt: Kontakte, ein Gruppengefühl, vielleicht sogar eine Romanze“, sagt te Wildt. Bei manchen Menschen führe das so weit, dass sie sich etwa mehr als 15 Stunden am Tag in Online-Rollenspiele zurückziehen und dabei verwahrlosen. „Ich kenne Fälle, da wurde bis zur Räumungsklage keine Miete mehr gezahlt, nicht mehr gegessen und nicht mehr ans Telefon gegangen.“

Das erlebte auch der junge Mann, der in den Medien nur Herr M. genannt werden will. Als der Akademiker arbeitslos wurde, stieg er bei dem weltweit erfolgreichen Online-Rollenspiel „World of Warcraft“ ein. Anfangs spielte er vier Stunden täglich, dann acht und am Ende oft mehr als 16. „Ich habe morgens den Computer angeschaltet, bevor ich die Kaffeemaschine anmachte. Gegessen habe ich höchstens ein Mal am Tag“, sagt M.. Die Welt der Orks und Elfen habe ihn nicht mehr losgelassen, er habe sich für nichts anderes mehr interessiert. Seine Freunde klingelten vergeblich an der Wohnungstür, er bekam ja genügend Anerkennung von Mitspielern im Internet. Seine Abhängigkeit hatte einen guten Grund: „Heute weiß ich, dass eine Depression bei mir vorliegt.“