Bescheidenes Wissen

22.01.1993

Kaum ein Gebiet der Datenverarbeitung, das so viel bekrittelt, belaechelt aber auch zum Anlass fuer Brave-New-World-Visionen genommen wurde wie das der kuenstlichen Intelligenz. Die Protagonisten der Szene, wie Marvin Minsky oder spaeter dann Eduard Feigenbaum, moegen ihre spektakulaeren Auftritte bis vor kurzem noch genossen haben, neuerdings geben sich praxisorientierte Expertensystem-Experten zurueckhaltender.

Voll des wissenschaftlichen Understatements verstecken die Minsky-Schueler ihre Produkte geradezu, behaupten, das beste Expertensystem sei ein solches, das gar nicht erst gebraucht wuerde. Vor lauter Schnittstellen- und Organisationsproblemen im Vorfeld des KI-Einsatzes verschwinden gleichwohl existierende Tools als bescheidene Module uebergreifender Informations- und Kommunikationssysteme irgendwo im Hintergrund.

Wenn die KI-Macher also zur Zeit ihr Licht eher unter den Scheffel stellen, so erhoffen sich manche Anwenderunternehmen dennoch von Expertensystemen einen Automatisierungsgrad bis hin zur Kunden- Selbstbedienung, der teure menschliche Beratungsexpertise im Unternehmen zur Ausnahme machen wuerde. Unrealistische Erwartungen und neue Bescheidenheit klaffen weit auseinander.

Indessen scheinen zwei "neue" Technologien die illusionaeren Erwartungshorizonte naeher heranzuruecken und miteinander verbinden zu koennen: Ansaetze bieten die Neubelebung der kuenstlichen neuronalen Netze und die Wiederentdeckung der Fuzzylogic.

So verlaeuft denn der "mittlere Weg" zwischen den beiden Aussagen des flapsigen Spontispruchs "Wissen ist Macht - nichts wissen macht auch nichts". Wissensbasierte Systeme gehen bereits ihren Weg, zahlreiche Beispiele belegen dies, doch sicherlich nicht in solchen Unternehmen, die zulassen, dass einzelne Hierarchen im Sinne von "Wissen ist Macht" Expertenwissen blockieren. Aber auch dort koennen diese neuen Anwendungen nicht Fuss fassen, wo man sich darauf verlaesst, dass das einmal fuer gut befundene wissensbasierte System seinen Dienst schon erledigen werde, ohne der menschlichen Revision zu beduerfen. "Nichts wissen macht auch nichts" wirkt sich verheerend aus: wenn sich die Experten zurueckziehen, verlieren die Systeme an Sicherheit und Wirksamkeit.

bi