Beschäftigungsgesellschaft: Wackelige Brücke zum neuen Job

09.04.2003
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Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.

Siemens finanziert keine Umschulungen

Die für Qualifizierung vorgesehene Summe sieht Petzold für viele Betroffene als vergleichsweise gering an: „Damit lassen sich Kenntnisse auffrischen, aber um eine Programmiersprache komplett zu erlernen, reicht das nicht.“ Aber gerade Ingenieure aus dem Bereich öffentliche Netze, die sich nur auf eine siemensspezifische Sprache spezialisieren mussten, bräuchten solch zusätzliches Know-how dringend. BeE-Leiterin Wagner räumt ein, dass komplette Umschulungen nicht vorgesehen sind: „Wir qualifizieren die Mitarbeiter in der beE nicht auf Vorrat oder nach dem Gießkannenprinzip, sondern stimmen die Weiterbildungsmaßnahmen mit dem Profil des Einzelnen ab. In der Regel handelt es sich um Anpassungsqualifizierungen, die die Marktfähigkeit der Mitarbeiter verbessern.“

Bisher seien vor allem kurzfristige Maßnahmen wie Kurse zu Programmiersprachen und Englisch genehmigt worden. Geplant sind aber auch, so ICN-Sprecher Eberhard Dombeck, längerfristige Veranstaltungen wie Schulungen zu SAP oder für Applikationsentwickler, allerdings nur für eine ausgewählte Zielgruppe. Wer zu dieser gehört, scheint auch Verhandlungssache zu sein - denn nicht alle Mitarbeiter in der beE bekamen ihre gewünschten Kurse genehmigt, obwohl sie auf ihre bisherige Qualifikation aufgebaut hätten und auch im Rahmen des Weiterbildungsbudgets lagen.

Laut den gesetzlichen Vorgaben haben die Mitarbeiter einer Beschäftigungsgesellschaft allerdings erst ab dem sechsten Monat Anspruch auf eine Qualifizierung. Das birgt laut IAT-Geschäftsführer Knuth durchaus die Gefahr, dass das staatlich geförderte Modell zu einer Aufbewahrungslösung mutiere: „In der Vergangenheit zeigte sich bereits die Tendenz, dass sich Firmen vorrangig von älteren Mitarbeiten trennten. Diese blieben 24 Monate in der Beschäftigungsgesellschaft, bezogen später 32 Monate Arbeitslosengeld und dann Arbeitslosenhilfe, bis das Rentenalter erreicht war.“

Magische Grenze bei 39 Jahren

Das Alter der Mitarbeiter gehört neben ihrer Qualifikation und der Nachfrage nach Arbeitskräften in der Region nach Knuths Erfahrungen zu den entscheidenden Voraussetzungen einer erfolgreichen Beschäftigungsgesellschaft. Das zeigt sich auch am Beispiel Siemens. Seit Beginn im Januar fanden bisher 84 der 418 beE-Mitarbeiter einen neuen Arbeitsplatz - zum einen Teil in anderen Konzernbereichen wie VDO Automotive, Fuijtsu-Siemens oder Siemens Business Service, zum anderen Teil auf dem freien Markt.

BeE-Leiterin Wagner führt diesen Erfolg auf die gezielte Ansprache von Unternehmen zurück, die bei Interesse Profile der beE-Mitarbeiter zugeschickt bekamen, sowie auf die Jobbörse, bei der sich 26 externe Firmen, darunter der Bundesnachrichtendienst, Linde, die Deutsche Bahn oder die Stadtwerke München, in der Garmischer Straße vorstellten und Bewerbungsgespräche führten.

Die Kehrseite der Medaille ist, dass bisher vor allem jüngere Mitarbeiter den Absprung schafften. „Die schnelle Vermittlung ist eine Frage des Alters. Oft liegt die magische Grenze schon bei 39 Jahren. Keiner sagt das, aber jeder denkt es“, kritisiert Inken Wanzek aufgrund ihrer Erfahrungen im Netzwerk NCI. Die 46-jährige Softwareentwicklerin hat ihren Arbeitsplatz bei Siemens ICN zwar behalten, aber gleich nach Bekanntgabe der Entlassungen ein Netzwerk der Solidarität gegründet. Mittlerweile haben sich 450 Siemensianer, die zum großen Teil entlassen oder in der beE sind, der Initiative angeschlossen, tauschen sich per E-Mail oder persönlich aus und helfen sich - ob nun bei Bewerbungen oder beim Gang zum Arbeitsgericht.

Für Betriebsrat Petzold und seine Kollegen hat eine Beschäftigungsgesellschaft nur Sinn, wenn in ihr die Mitarbeiter zusammengefasst werden, die auch gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. In der beE von Siemens seien aber vor allem die Jahrgänge ab 1950 bis 1960 vertreten. Eine Auswahl, die der Arbeitnehmervertreter kritisiert und die ihn befürchten lässt, dass die Vermittlungsquote in den nächsten Monaten geringer wird. BeE-Leiterin Wagner kann dieses Argument nicht ganz nachvollziehen, zumal gerade in mittelständischen Firmen das Alter der Bewerber eine geringere Rolle spiele. Außerdem komme es darauf an, wie der Bewerber seine eigenen Fähigkeiten vermarkten könne.