Wie IT-Experten ihre aktuelle Situation meistern

Beruflich vorankommen in der Rezession

29.08.2003
MÜNCHEN (CW) - Stagnation am Arbeitsmarkt, Wirtschaftsflaute, geringe Karrierechancen - dieser Eindruck verfestigte sich in den letzten Jahren bei vielen, die mit der IT zu tun hatten. Doch es gibt auch Beispiele, die optimistisch stimmen.

Pit Löllmann ist Geschäftsführer der LF Consult GmbH. Die Stuttgarter Firma entwickelt, verkauft und betreut Software für mittelständische Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe. Löllmann spricht von der "Drei-Liter-PPS", einer Produktionsplanungs- und Steuerungssoftware für dezentrale Herstellungsprozesse. Der Geschäftsführer hat mit seiner Crew den Sprung vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung ins eigene Unternehmen zwei Jahre sorgfältig vorbereitet und ihn im September 2002 trotz des konjunkturellen Gegenwinds gewagt.

"Der Zeitpunkt war nicht optimal, aber es gab keine andere Möglichkeit, wollten wir unseren innovativen Vorsprung nicht verspielen", beschreibt er die Lage. Ihm und seinen vier Kollegen, Maschinenbauingenieuren und Informatikern, kommt zugute, dass sie bereits als Beschäftigte des Fraunhofer-Instituts gelernt haben, Aufträge zu akquirieren und zu kalkulieren.

Löllmann ist optimistisch: "Wir wissen aus Kundenbefragungen, dass es eine Nachfrage für unser Produkt gibt. Wir haben das System schon mehrfach installiert und kennen daher die Punkte, an denen Probleme entstehen können." Ohne diese Erfahrung wäre die Firmenausgründung im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld fahrlässig, meint der junge Geschäftsmann.

Personal- und Arbeitsmarktexperten sind sich einig, dass Mitarbeiter "nicht mehr gottergeben darauf warten können, was in ihrem Unternehmen passiert," wie es der Ex-Oracle-Personalchef und heutige Berater Thomas Heyn formuliert. Jeder müsse sich selbstkritisch fragen, ob er noch die richtigen Fähigkeiten besitze. Heyn erinnert in diesem Zusammenhang an die vielzitierte "Employability": Passt das persönliche Profil auf die Anforderungen des Arbeitsmarkts? Arbeitnehmer sollten sich ständig fragen, ob ihr Wissen auch für einen anderen Arbeitsplatz reicht - unabhängig davon, ob ihre gegenwärtige Position gefährdet ist oder nicht. "Die Jobs kommen und gehen, und wenn ein Softwarehaus schließt, nützt das ganze Engagement wenig, wenn man die falschen Qualifikationen besitzt", versucht der Münchner Personalexperte die Kandidaten wachzurütteln. Mit der nötigen Portion Selbstvertrauen und dem Blick auf Markt und Kunden, lasse sich auf jeden Fall der Sprung in die Selbständigkeit erfolgreich meistern.

Berater Heyn sympathisiert mit Seiteneinsteigern und hält nicht viel von "stromlinienförmigen Karrieretypen", obwohl er weiß, dass viele Personaler - aufgrund der großen Auswahl an Bewerbern - lieber den jungen, auslandserprobten Einser-Kandidaten bevorzugen. Diese Erfahrung kann die Kölner Karriereberaterin Dagmar Schimansky-Geier von der Unternehmensberatung 1a Zukunft bestätigen. Sie empfiehlt keine unüberlegten Wechsel - vor allem in eine fremde Branche, da Firmen wenig Lust auf Experimente hätten. Am besten helfen praktische Erfahrungen weiter, das Beispiel von Ageliki Lucchesi gibt ihr recht.

Arbeiten statt Lernen

Schreiben, Dinge auf den Punkt bringen - das liebt Lucchesi, das zieht sich wie ein roter Faden durch ihre verschlungene Berufsbiografie. In diversen Jobs hat sie vom Telefon-Support über die Qualitätskontrolle bis zum Vertrieb verschiedene Bereiche der Softwareherstellung kennengelernt. Das hilft ihr, jetzt als Technikredakteurin die Produkte aus der Position des Nutzers zu sehen und zu erklären. Egal, ob Lucchesi eine Anleitung schreibt, wie Störungen an Telekommunikationsanlagen zu beseitigen sind oder eine Online-Hilfe für Computerprogramme oder ein Handbuch über die Funktionsweise eines Geldautomaten - ihre Arbeitsweise ist immer die gleiche: "Ich löchere die Leute so lange, bis ich verstehe, wie beispielsweise ein Geldautomat funktioniert. Nur wenn ich selbst durchblicke, kann ich verständlich schreiben."

Rund zehn Jahre hat sich Lucchesi als Freiberuflerin durchgeschlagen. Seit 1997 ist die Autodidaktin bei der Comet Computer GmbH in München fest angestellt. Lucchesi kann ihre Berufserfahrung nicht durch Zeugnisse und Zertifikate, wohl aber durch Arbeitsproben nachweisen. Manchmal überlegt sie, ob es nicht gut wäre, ein ordentliches Diplom zu besitzen. "Aber dann frage ich mich: Steht der Aufwand dafür?" Und bislang lautet die Antwort: Nein. Sie hält sich lieber an den Wahlspruch: "Quer denken bringt gerade Sicht." Damit liegt sie richtig, bescheinigt ihr Karriereexpertin Schimansky-Geier. "Unternehmen wollen Mitarbeiter, die gearbeitet und nicht solche, die eine Menge Kurse belegt haben."

Dass sich Lernen dennoch lohnt, zeigt das Beispiel von Peter Schmitt. Der junge Fachmann für Elektrotechnik verbringt seine Freizeit mit dem berufsbegleitenden MBA-Studium der Business Integration an der Universität Würzburg.

Ein paar Stufen hat er bereits genommen: Diplomabschluss, internationales Trainee-Programm bei Audi, Arbeit in der Fertigungsplanung des Konzerns, Aufstieg in die Abteilung Strategieplanung. Für den MBA-Studiengang bei den Würzburger Wirtschaftsinformatikern entschied er sich, weil er dort lernt, wie sich Betriebsabläufe und Geschäftsprozesse mit informationstechnischen Mitteln optimieren lassen. Schmitt verknüpft das betriebliche Pilotprojekt "Wissens-Management" mit den laufenden Studieninhalten.

Was er lernt, kann er gleich anwenden: "Im Studium schärft sich der Blick, um zu sehen, wo es bei den Geschäftsprozessen hapert. Und ich bekomme die Werkzeuge an die Hand, in kleinen Schritten Veränderungen anzugehen und selbst zögernde Mitarbeiter mitzunehmen." Das technische Know-how ist als Basis wichtig, um bei Neuerungen von den Kollegen akzeptiert zu werden, glaubt der Ingenieur: "Ich kenne alle Tools und kann mit gutem Beispiel vorangehen." (hk)

Immer am Boden bleiben

Bernhard Schicht ist mit seinen 28 Jahren bereits ein erfahrener Unternehmer. Schon während des Informatikstudiums in München gründete er seine ersten Firmen, zunächst allein und dann, 1999, zusammen mit Studienkollegen die d-bug GmbH. Es war die Zeit, in der praktisch jeder, der ein IT-Unternehmen starten wollte, mit Risikokapital rechnen durfte. Das d-bug-Team entschied sich jedoch, ohne fremdes Geld den Sprung vom studentischen PC-Notdienst zum IT-Rundum-Dienstleister zu schaffen.

Die Rechnung ging auf. Zwar ist die Firma nach wie vor ein Low-Budget-Unternehmen: Die Büroräume sind schlicht; die Ausstattung ist improvisiert; die ausführenden Arbeiten in den Projektteams erledigen studentische Hilfskräfte. Dahinter steht ein Konzept, sagt Schicht: "Die Firma wächst langsam - mit uns. Sie trägt sich selbst. Wir können davon leben. Alles, was darüber hinaus erwirtschaftet wird, stecken wir in neue Projekte." Beispiel ERP: Schicht suchte für den Wasseraufbereitungsbetrieb seines Vaters ein brauchbares Warenwirtschaftssystem. Fast alle getesteten Systeme erwiesen sich als zu unflexibel, um eingespielte Geschäftsprozesse abzubilden, kritisiert der Informatiker. Schließlich fand er das Richtige für Papas Firma und auch für die eigene. Nun ist er sogar Vertriebspartner des ERP-Anbieters geworden.