Ein Berliner Anwender stellt sich um

Berliner Systemhaus setzt unter Windows Peer-to-peer-Netze ein

27.08.1993

Workgroup-Computing mag fuer manchen Unix-Anwender eine Selbstverstaendlichkeit sein, fuer viele kleine und mittelstaendische Firmen stellt sich die Frage nach groesseren Workstations oder gar Mainframe-Loesungen erst gar nicht. Hier bietet die Kombination aus Windows und einem PC-Netz meist die effizienteste Loesung. Thomas Schweer* schildert die Erfahrungen der Systemhaus Saar GmbH mit Sitz in Berlin.

Noch vor wenigen Jahren wussten nur Insider, was man mit Fenstern, grafischen Oberflaechen und Maeusen so alles anstellen kann. Hier und da konnte man von begeisterten Mac-Usern erfahren, wie einfach doch die Bedienung von Programmen auf solchen Rechnern sei.

Der Grossteil der Anwender hackte jedoch weiter seitenweise DOS- Kommandos in die Tastatur und freute sich schon ueber die einfachen Menuestrukturen, die die Programmierer mit einigen Tricks zur Verfuegung stellten. Von Vernetzung war insbesondere in kleineren Unternehmen ob der hohen Kosten eher selten die Rede. Redundanz in der Datenhaltung und ein eher langsamer Informationsfluss gehoerten zum Alltag.

Noch Mitte der 80er Jahre standen PC-Einzelplatz-Systeme im Vordergrund, auf denen gelegentlich ein Brief geschrieben oder eine Berechnung durchgefuehrt wurde. Informationen und Daten im direkten Zugriff fuer womoeglich ganze Abteilungen zur Verfuegung zu halten, stand in keiner Weise zur Debatte.

Nur groessere Unternehmen konnten sich diesen Luxus zum Beispiel in Form von Unix-basierten Mehrplatz-Systemen leisten. Derweil wurden PC-Disketten mit Texten und Daten manuell von Abteilung zu Abteilung getragen.

Mit der Zeit setzten sich jedoch LANs durch. Damit liess sich auf lokaler Ebene die Vernetzung mehrerer, normalerweise unabhaengig agierender PCs ermoeglichen. Man konnte bei relativ geringen Investitionen zum Beispiel zentrale Vertriebsapplikationen unter Dbase allen Mitarbeitern zur Verfuegung stellen.

Um eine intensive Schulung der Mitarbeiter aber kam kein Anwenderunternehmen herum, denn letztlich wurde die Applikation an alle Spezialfaelle der Firma genau angepasst. Jedes Informationsproblem bekam seine eigene, zum Teil beim Kunden programmierte Software uebergestuelpt.

Die Rentabilitaet damaliger Systeme war abhaengig von den konzeptionellen Vorgaben und dem Koennen der eingesetzten Programmierer. Mit der ueberaus schnellen Verbreitung der grafischen Anwenderoberflaeche Windows verschoben sich die Anforderungen und mit ihnen die Ansprueche an die auf dem Markt befindlichen Softwareprodukte relativ schnell.

Am Beispiel der Systemhaus Saar GmbH, Berlin, ein mittelstaendisches Unternehmen, das selbst in der DV-Branche agiert, lassen sich die Probleme beim Sprung in die Welt vernetzter Systeme, unterstuetzt durch grafische Anwendungsoberflaechen, schnell verdeutlichen. Nicht immer ist es ohne sehr grossen Aufwand moeglich, aeltere Datenbestaende nach einem Umstieg auf zeitgemaesse Anwendungen in LANs weiterhin zu nutzen.

Angefangen hatte alles 1982 mit Turbo-DOS, einem Multiuser- System, das heute kaum noch bekannt ist. Spaeter wechselt das Unternehmen auf ein Altos-Unix-System und schliesslich auf ein Novell-Netzwerk, mit dem eine Dbase-Anwendung unter DOS aufgebaut werden konnte. Die Umstellungen verliefen jeweils parallel zu den Erfordernissen und technischen Innovationen des Marktes.

Unter den Stichworten "offene Systeme" und "heterogene Netze" brach auch bei den Berlinern der Trend zur Integration an, bei der die Benutzeroberflaeche Windows eine wesentliche Rolle spielte. Die Verantwortlichen suchten nach einer Moeglichkeit, mit der die vorhandenen Datenbestaende ohne grosse Umstellungsschwierigkeiten in der neuen Umgebung weiter genutzt werden konnten - nur eben handlicher, uebersichtlicher und effektiver.

Fuer die Systemhaus Saar GmbH ist Windows die "eierlegende Wollmilchsau" der DV-Branche, und das nicht nur im Hinblick auf Multimedia, Netzwerkanwendungen auf Peer-to-peer-Basis oder steigende Hardware-Anforderungen. Der fruehe Einstieg in grafisch orientierte Benutzersysteme und in das Konzept lokaler Netze hat sich fuer das Systemhaus Saar schnell ausgezahlt.

Fuer einen Teil der kleinen und mittelstaendischen Firmen, die zu seinem Kundenkreis zaehlen, stellt sich die Frage nach groesseren Workstations oder Mainframe-Loesungen erst gar nicht. In diesem Marktsegment sind PCs schon aus Kostengruenden die effizienteste Loesung. Hinzu kommen ein enormer Rationalisierungseffekt in lokalen PC-Netzen und die relativ einfache Ausbaufaehigkeit: Lokale Netzwerke koennen mit den steigenden Anforderungen der Unternehmen wachsen.

Vorstellbar ist der Einstieg in die Netzwelt ueber ein Peer-to- peer-System auf der Basis von Novell Lite oder Windows fuer Workgroups, das zu einem spaeteren Zeitpunkt mit einem eigenstaendigen Server auf der Basis von Windows NT oder Novell 4.0 zu einem regulaeren LAN aufgeruestet wird.

Diese Art von Flexibilitaet ist natuerlich auch im Bereich der Software-Anwendungen gefragt. Letztere sollen keine Nischenloesung darstellen, sondern moeglichst mehrere Unternehmensbereiche unterstuetzen und gleichzeitig den steigenden Anforderungen gewachsen sein. Die Loesung fand die Systemhaus Saar GmbH in einem integrierten Daten- und Dokumenten-Manager einer kleineren Berliner Softwarefirma.

Das netzwerkfaehige Windows-Programm "Organice" erwies sich als die geeignete Integrationsplattform, die die Einbindung der alten Datenbestaende problemlos erlaubte. Die Entscheidung fuer dieses Produkt kam nicht von ungefaehr. Es ist ein gutes Beispiel fuer die Vorteile, die das Zusammenspiel von LAN-Funktionen mit Windows in sich bergen kann: Weg vom Inseldasein der Software (und mit ihr natuerlich der Bearbeiter) und hin zur energiesparenden Nutzung synergetischer Effekte.

Eingesetzt wird die Software zur Zeit im Vertrieb und fuer die gesamte Kundenverwaltung. Das Angebotswesen und die Verwaltung der Telefonate, die Vertriebssteuerung, Mailings und die Adressenorganisation werden im Unternehmen nahezu komplett aus einer Anwendung heraus gesteuert. Moeglich wurde dies durch die konsequente Nutzung des in Windows integrierten Dynamic Data Exchange (DDE). Auf die Beduerfnisse des Bueroalltags abgestimmt, ermoeglicht die Software diesen Vielfachnutzen durch die freie Konfigurierbarkeit und die moegliche Anpassung an die individuellen Beduerfnisse der Netzbetreiber.

In den USA werden Netzwerke schon seit laengerem extensiv auf breiter Basis genutzt. In der Bundesrepublik werden die 90er Jahre den Durchbruch in diesem Bereich bringen. In Kleinbetrieben lassen sich erhebliche Effizienzgewinne mit dem Einsatz durchdachter Netzloesungen erzielen. Das gilt insbesondere, wenn dabei eine einheitliche grafische Oberflaeche wie Windows zum Einsatz kommt.

Um mit Netzen umgehen zu koennen, muss man weder Systemadministrator sein noch Informatik studiert haben. Da ist die Nutzung einer aufgebauschten Textverarbeitung mit ihren unzaehligen Funktionen zum Teil komplizierter als die Einrichtung eines Peer-to-peer-Netzes.

Netze auf Peer-to-peer-Basis eignen sich besonders fuer kleinere Bueros mit mehreren PC-Arbeitsplaetzen. Typische Benutzer koennten Architekten, Rechtsanwaelte und andere Freiberufler sein.

Ob mit Novell Lite, Windows fuer Workgroups oder Lantastic, die Zahl der lokal vernetzten kleinen und mittleren Betriebe wird kraeftig ansteigen. Wer sich in diesem Bereich schnell organisieren will, hat nach Auswahl der geeigneten Software eine solide Basis, von der aus er der Zukunft beruhigt entgegensehen kann. Mit Novell 4.0 und Windows NT stehen die grossen Brueder schon bereit, mit denen aus dem Peer-to-peer-Netz ein regulaeres LAN mit allem, was dazugehoert, entstehen kann.

*Thomas Schweer ist Mitarbeiter der Berliner Agentur fuer Informationsdienstleistungen ID Praxis.