Berliner Polizei hadert mit Poliks

12.04.2005
Das 73 Millionen Euro teure Projekt des IT-Dienstleisters Gedas kämpft mit Startschwierigkeiten.

Das neue "Polizeiliche Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung" (Poliks) sollte die Arbeit der Berliner Polizisten eigentlich erleichtern. Die Ordnungshüter könnten künftig schneller arbeiten, hatte Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch anlässlich der offiziellen Einführung des Systems am 1. April versprochen. Politiker wie Innensenator Ehrhart Körting von der SPD priesen die neue Software gar als Meilenstein: "Damit hat bei der Berliner Polizei ein neues Informationszeitalter begonnen."

Begonnen haben nach der Einführung von Poliks jedoch erst einmal die Probleme. Von einem sekundenschnellen Zugriff auf Daten könne keine Rede sein, klagten die Beamten in den ersten Tagen des aktiven Betriebs. Allein für die Anmeldung bei Poliks benötige man bis zu einer halben Stunde.

Anfragen und Eingaben könnten seit Anfang April nur mit erheblichen Verzögerungen vorgenommen werden, räumte ein Berliner Polizeisprecher ein. "Die teilweise stark erschwerten Arbeitsbedingungen stellen die Geduld der Mitarbeiter in besonderem Maß auf die Probe." Nur durch deren hohes persönliches Engagement sei die Bekämpfung der Kriminalität nach wie vor gewährleistet.

Das Poliks-Projekt beschäftigt die Berliner Polizeiverantwortlichen schon seit Jahren. Anfang der 90er Jahre machte man sich in der Hauptstadt auf die Suche nach einem Nachfolger für das damals bereits 20 Jahre alte "Informationssystem Verbrechensbekämpfung" (ISVB). Das Host-basierende Altsystem sollte durch eine moderne Client-Server-Architektur abgelöst werden. Doch bis zum Jahr 2000 kamen die Planer nicht viel weiter. Softwareprodukte aus anderen Bundesländern schienen nicht geeignet. Eine ursprünglich geplante Kooperation mit dem Land Brandenburg scheiterte.

Im Jahr 2000 beauftragten die Berliner den IT-Dienstleister Gedas als Generalunternehmer mit der Entwicklung von Poliks. Ein Kernteam von rund 20 Softwareexperten hat rund fünf Jahre benötigt, um Poliks zu programmieren, teilte die IT-Servicetochter des Volkswagenkonzerns mit. Das gesamte Projekt umfasste rund 180 000 Arbeitsstunden. Rund sieben Millionen Altvorgänge wurden mit Hilfe von Oracle aus ISVB in das Poliks-System migriert, 1000 Host-Terminals und 4000 Schreibmaschinen außer Dienst gestellt sowie rund 8000 PCs in den Amtsstuben der Berliner Polizei installiert.

Zu den Startproblemen mit Poliks wollten die Gedas-Verantwortlichen keine Stellung beziehen. Die Berliner Polizei habe den Dienstleister gebeten, die Schwierigkeiten nicht zu kommentieren, entschuldigte sich Gedas-Sprecher Michael Richter.

"Man muss eine gewisse Eingewöhnungsphase überstehen", sagte Ulrich Bechem, Leiter der Informations- und Kommunikationsabteilung der Polizei, am 11. April im Berliner Fernsehen. In den ersten Tagen habe es Hardwareprobleme gegeben. Einzelne Komponenten hätten versagt. Gerade bei einem neuen System sei es jedoch schwierig gewesen, die Fehler zu identifizieren und zu beheben. Inzwischen laufe die Software einwandfrei, behauptete Bechem.

Test nicht ernst genommen

Vorwürfe, Poliks sei unausgegoren an den Start gegangen, weist der IT-Leiter zurück. Es habe Tests sowie eine vierwöchige Pilotphase gegeben. Auch die Übernahme der Altdaten hätte keine Schwierigkeiten verursacht. "Die Belastung des Systems am Tage war das Problem." Abends und nachts habe Poliks reibungslos funktioniert.

"Mit dem System läuft das gar nicht so schlecht, wie alle meinen", erklärte auch ein Mitarbeiter der Projektgruppe Poliks bei der Berliner Polizei, der namentlich nicht genannt werden möchte. Jedem hätte klar sein müssen, dass sich bei den großen Datenmengen vieles erst einspielen muss. Die Probleme führt er darauf zurück, dass einige offenbar die Tests des Systems nicht ganz so ernst genommen hätten. Wenn außerdem Polizeibeamte jetzt verbreiteten, dass einige Funktionen nicht verfügbar seien, könne dies auch daran liegen, dass diese Kritiker sich nicht ausreichend weitergebildet hätten. Dazu habe es in den zurückliegenden zwei Jahren genug Möglichkeiten gegeben. "Vielleicht war der eine oder andere etwas zu schwerfällig."

Schwerfällig verlief jedoch allem Anschein nach auch das Gesamtprojekt. Laut dem Jahresbericht 2001 des IT-Dienstleistungszentrums Berlin, das für den Betrieb von Poliks verantwortlich zeichnet, sollte das System bereits Mitte 2003 ISVB ablösen. Im darauf folgenden Jahr nannte der Rechenzentrumsbetreiber den April 2004 als Starttermin.

Die Startschwierigkeiten ha- ben mittlerweile auch die Politik auf den Plan gerufen. Es sei viel Geld geflossen ohne sichtbare Ergebnisse, beklagte beispielsweise Volker Ratzmann, Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Die Verantwortlichen hätten es abgelehnt, ein funktionierendes System aus einem anderen Bundesland zu übernehmen. Stattdessen sei in Großmannssucht ein eigenes System entwickelt worden. (ba)