IT-Forschung/Forschen für die Informationsgesellschaft

Berliner Gigabit-Wissenschaftsnetz in Betrieb genommen

28.07.2000
Von einer "nahezu unbegrenzten Bandbreitennutzung und Übertragungskapazität" sollen via Gigabit-Wissenschaftsnetz (G-WIN) die deutsche Wissenschaft, aber auch die Wirtschaft demnächst profitieren. Petra Adamik* skizziert die attraktive Kommunikationsinfrastruktur, die mehr bieten soll als das amerikanische "Internet 2".

Maßstäbe für die Informationsgesellschaft setzen soll das Gigabit-Wissenschaftsnetz G-WIN, für das am 30. Juni im Berliner Konrad-Zuse-Institut der Startschuss fiel. Neueste Netztechnologie, flexible Bandbreitennutzung und nahezu unbegrenzte Übertragungskapazität bieten deutschen Wissenschaftlern eine Infrastruktur, die derzeit sogar das amerikanische "Internet 2" in den Schatten stellt. Wovon heute in erster Linie Wissenschaftler profitieren, davon sollen künftig auch Internet-Industrie und kommerzielle Dienstleister einen Nutzen haben.

Netze, die ausschließlich der Wissenschaft vorbehalten sind, gibt es in Deutschland seit rund 20 Jahren. Das neue Wissenschaftsnetz, das der Verein zur Förderung eines Deutschen Forschungsnetzes, kurz DFN, jetzt in Berlin in Betrieb nahm, stellt die bisherigen bei weitem in den Schatten: Auf Glasfaserbasis lassen sich Übertragungsraten von 2,5 bis zu zehn Gigabit pro Sekunde erzielen. G-WIN basiert auf Wellenlängen-Multiplextechnik (WDM). Über ein einziges WDM-System lassen sich gleichzeitig 80 Datenströme zu je 2,5 Gigabit pro Sekunde oder 40 Verbindungen zu je zehn Gigabit pro Sekunde abwickeln. Zwei unabhängige Leitungswege verbinden die 27 Kernnetzstandorte mit dem Wissenschaftsnetz.

"Im Zeitalter des Internet spielt die multimediale Kommunikation für erfolgreiche Forschung eine immer größere Rolle", begründete Professor Eike Jessen, Vorsitzender des DFN, den Bedarf der Wissenschaft nach schnellen Netzen. Mit den hohen Übertragungsraten sei man jetzt in der Lage, zwischen allen angeschlossenen Knoten Multimedia-Anwendungen zu übertragen. "In einer Zeit, in der ein Internet-Jahr aus drei Monaten besteht, ist es die besondere Aufgabe der Wissenschaft, die Grundlagen für die Gestaltung der Zukunft ganz bewusst und zielorientiert bereitzustellen", betont Jessen. Mit G-WIN habe man jetzt eine Plattform, die modular mit den steigenden Bedürfnissen wachsen könne. So lasse sich die Übertragungskapazität von Glasfaser über Jahre hinaus dem Kommunikationsbedarf nahezu kostenneutral anpassen, führt der DFN-Vorsitzende weiter aus. "Ganze Jahrgänge des akademischen Nachwuchses werden so mit neuester Internet-Technologie vertraut gemacht."

Neben der Wirtschaft - beispielsweise unterstützte Cisco den Aufbau des Netzes durch die Schenkung eines Netzknotens - fördert das Bundesforschungsministerium den zügigen Aufbau der schnellen Kommunikationsinfrastruktur mit einer kräftigen Finanzspritze. Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung, kündigte an, ihr Ministerium werde für den weiteren Ausbau und die Entwicklung neuer Anwendungen, Dienste und Sicherheitsstrategien in den nächsten drei Jahren etwa 160 Millionen Mark zur Verfügung stellen. Dabei hat Bulmahn eine Reihe von Internet-Startups im Auge, die sich in den vergangenen Jahren als Vorreiter für kommerzielle Anwendungen erwiesen hätten. Als Vertreterin der Bundesregierung erklärte die Ministerin, man erwarte von der Erschließung neuer Anwendungen mittelfristig auch Impulse für den deutschen Arbeitsmarkt. Derartige Lösungen und eine entsprechende Infrastruktur seien eine wichtige Voraussetzung für die Ausbildung hochqualifizierter Arbeitskräfte und darüber hinaus geeignet, die Profis im Land zu halten: "Nur wenn wir den jungen Leuten attraktive Chancen bieten, können wir letztendlich den Herausforderungen der Informationsgesellschaft begegnen."

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, plant der Bund gemeinsam mit den Ländern ein intensives Förderprogramm. Dessen Ziel ist der Zugang zum Internet von mindestens 40 Prozent aller Bürger bis zum Jahr 2005. Im Rahmen dieses Programms, dessen Volumen bei 400 Millionen Mark liegt, werden auch den Hochschulen weitere Gelder zur Verfügung gestellt, damit hier neue Medien eingesetzt, aber auch optische Netze und Funknetze entwickelt werden können.

Ein weiterer Partner war die Deutsche Telekom, deren Tochter Detesystem das Projekt innerhalb von acht Monaten realisierte. Im Endausbau werden rund 700 Zugangsleitungen zu Hochschulen und Forschungseinrichtungen an G-WIN angeschaltet. Über das Netz lassen sich sowohl IP-, als auch ATM- und Punkt-zu-Punkt-Verbindungen realisieren. Für den Betrieb der Hochgeschwindigkeitsplattform zeichnet das Netz-Management-Center der Telekom verantwortlich. Darüber hinaus wurde speziell für den DFN-Verein das Web-Portal Giovanna (G-WIN-integrated-Online-Service-Management) entwickelt.

*Petra Adamik ist freie Journalistin in München.