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Berlin hat mit Meso nichts zu melden

18.10.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Wer in Berlin auf dem Bürgeramt etwas erledigen muss, sollte viel Zeit mitbringen. Seit die Behörden am 4. Oktober dieses Jahres in 46 Ämtern der Bundeshauptstadt die neue "Meldung Einwohner Software" (Meso) eingeführt haben, müssen sich die Bürger auf lange Warteschlangen einstellen. Behördenleiter sprachen von katastrophalen Verhältnissen und einem Ausnahmezustand.

Meso wurde von T-Systems und dem Berliner Softwarehersteller HSH entwickelt. Die Software löste ein System ab, das seit 1976 im Meldewesen eingesetzt wurde. Die Berliner Politiker versprachen sich Einsparungen in Höhe von mehreren hunderttausend Euro im Jahr. Meso sei leichter zu bedienen und günstiger zu warten, lobte Innenstaatssekretär Ulrich Freise das neue Programm. Damit würden Steuergelder gespart und die Bearbeitungszeiten verkürzt.

Mit dieser Prognose lag der Politiker jedoch daneben. Berliner Presseberichten zufolge muss man auf den Bürgerämtern Wartezeiten zwischen vier und fünf Stunden einplanen. Trotz Schulung benötigten die Mitarbeiter deutlich länger für die Bearbeitung der verschiedenen Fälle. Statt fünf bis sechs Vorgängen pro Stunde mit dem alten System seien mit Meso aktuell nur etwa drei Fälle pro Stunde zu schaffen. Die Folge sind lange Schlangen vor den Schaltern. Teilweise mussten die Ämter schließen oder die Ausgabe der Wartenummern stoppen, weil die Büros hoffnungslos überfüllt waren. Für die Beamten sind Überstunden an der Tagesordnung.

Dazu kommen technische Schwierigkeiten. Etliche Daten seien mit dem neuen System nicht verfügbar, berichten betroffene Beamte. Darunter leidet beispielsweise die Arbeit der Polizei. Konnten die Beamten früher von allen 9000 Rechnern der Polizeibehörde Anfragen an die Meldesysteme starten, sind aktuell nur Standardinformationen verfügbar. Komplexere Abfragen seien nur von 26 speziell dafür eingerichteten Rechnern möglich. Vertreter der Polizeigewerkschaft sprachen von erschwerten Arbeitsbedingungen und warnten vor einem Ermittlungsstau.

"Berlin setzt immer wieder auf neue teure Programme, die sich schließlich als wenig effizient oder untauglich erweisen", monierte Thomas Birk, Sprecher von Bündnis90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Bereits im April dieses Jahres hatte Berlin mit Einführung des 73 Millionen Euro teuren Poliks-Systems für die Polizei zu kämpfen. Verzögerungen beim Datenzugriff haben die Arbeit der Behörde im Frühjahr erschwert.

Im Büro des Innensenators Ehrhart Körting, der auch für die informationstechnischen Belange der Hauptstadt zuständig ist, bemüht man sich derweil um Schadensbegrenzung. Bei den Schwierigkeiten handle es sich um kurzfristige Startprobleme, wie sie häufig bei Softwareumstellungen vorkämen. Dies dürfe jedoch nicht davon ablenken, dass die neue Software langfristig die Arbeit der Behörden erheblich erleichtern werde.

Wann dies sein wird, ist aber nicht abzusehen. In den Bürgerämtern gehen die Verantwortlichen davon aus, dass die Probleme bis mindestens Ende Oktober andauern werden. Manche Behördenleiter rechnen sogar damit, dass sich die Situation erst Ende des Jahres entspannen wird. (ba)