Berlecon: Der CIO als Servicedirigent

12.12.2005
Der IT-Manager von morgen orchestriert eine Vielzahl intern und extern erbrachter Dienstleistungen. Mit der wachsenden Komplexität steigen auch die Anforderungen an das Personal.
Quelle: Berlecon Research Sieht so die Zukunft aus? Der CIO koordiniert Outsourcing-Dienste und Funktionen der Service-orientierten Architektur (SOA).
Quelle: Berlecon Research Sieht so die Zukunft aus? Der CIO koordiniert Outsourcing-Dienste und Funktionen der Service-orientierten Architektur (SOA).

Eine Aufgabe wird die CIOs in den kommenden Jahren besonders in Anspruch nehmen: die Verbindung und das Management vieler einzelner Services. Daraus soll ein flexibles, aber trotzdem harmonisches Ganzes entstehen. Zu den Services zählen einerseits von Dritten bezogene Dienstleistungen wie der Betrieb von Rechenzentren, anderer-seits Funktionen der eigenen IT-Infrastruktur, die im Rahmen einer Service-orientierten Architektur als Service bereitgestellt werden.

Hier lesen Sie …

• wie sich die Rolle des CIO verändert;

• warum Outsourcing und Service-orientierte Architekturen weiter an Bedeutung gewinnen;

• welche Anforderungen IT-Verantwortliche künftig erfüllen müssen.

Der CIO entwickelt sich damit zum Dirigenten, der nicht nur seine Mitarbeiter, sondern auch die verschiedenen Komponenten seiner IT-Infrastruktur orchestrieren muss. Gegenüber dem bisherigen Bild des CIO als oberstem Architekten, der die Infrastruktur entwerfen und dann implementieren lässt, ist die Dirigententätigkeit sehr viel dynamischer; sie stellt deshalb andere Anforderungen an die CIOs und ihre IT-Abteilungen. Management wird wichtiger als Architektur.

Statische Infrastruktur wird zum Bremsklotz

Der vielleicht wichtigste Grund für die wachsende Bedeutung von Services ist der Wunsch nach einer flexibleren und trotzdem verlässlichen IT-Infrastruktur. Denn der härter werdende globale Wettbewerb verlangt von Unternehmen immer schnellere Anpassungen an veränderte Rahmenbedingungen. Eine statische IT-Infrastruktur alter Prägung mit hohen Kosten für jede Anpassung wird dabei schnell zum Bremsklotz.

Gleichzeitig nimmt die Bedeutung der Informationstechnik für das Funktionieren des Unternehmens zu. Damit steigen auch die Anforderungen an ihre Verlässlichkeit: Jeder größere Ausfall legt mittlerweile weite Teile des Unternehmens lahm, mit entsprechenden wirtschaftlichen Konsequenzen.

Eine Art von Services, die Unternehmen mehr Flexibilität liefern können, sind IT-Outsourcing-Dienstleistungen. Berlecon Research erwartet, dass Auslagerungsprojekte für deutsche Unternehmen auch im kommenden Jahr an Bedeutung gewinnen werden. Dabei dürfte der Schwerpunkt weniger als in der Vergangenheit auf Mega-Deals liegen, bei denen große Teile der IT-Infrastruktur komplett an einen Anbieter übergeben wurden. Denn wie eine Reihe gescheiterter Deals gezeigt haben, ist das Risiko bei solchen Vorhaben beträchtlich.

Selektives Outsourcing gewinnt an Bedeutung

Selektives Outsourcing einzelner Teile der IT-Infrastruktur, womöglich noch mit relativ kurzen Laufzeiten, hat im Vergleich dazu einige Vorteile: Das Risiko für ein Anwenderunternehmen ist beherrschbarer, da beim Versagen eines Dienstleisters nur Teile der IT betroffen sind und sich für kleine Servicepakete leichter Ersatz finden lässt als für große. Außerdem sorgen kurze Laufzeiten für einen anhaltenden Innovationsdruck beim Dienstleister: Er muss damit rechnen, nach relativ kurzer Zeit wieder im Wettbewerb zu stehen. Und schließlich lässt sich die Zusammensetzung der Services einfacher an neue Rahmenbedingungen anpassen, ohne dass man alle Eventualitäten schon im Vorfeld berücksichtigen muss. Unternehmen erhalten auf diese Weise mehr Flexibilität, weshalb diese Ausprägung der Outsourcing-Strategie an Bedeutung gewinnen dürfte.

Allerdings stellt selektives Outsourcing hohe Ansprüche an die Dirigentenfähigkeiten des Auftraggebers. Kurze Laufzeiten bedeuten, dass ständig Verträge auslaufen, die gewünschten Dienstleistungen an neue Rahmenbedingungen angepasst und neu ausgeschrieben werden müssen. Zahlreiche kleine Outsourcing-Verträge führen dazu, dass die unterschiedlichen Services koordiniert und aufeinander abgestimmt werden müssen, insbesondere, wenn sie eng miteinander verflochten sind. Das Verwalten dieser Schnittstellen zwischen verschiedenen extern eingekauften Leistungen und zwischen externen und internen IT-Komponenten wird den Erfolg eines CIO in Zukunft mitbestimmen.

SOA verspricht mehr Flexibilität für die IT

Eine weitere Art von Dienstleistungen, die IT-Verantwortliche herausfordern werden, sind die im Rahmen einer Service-orientierten Architektur (SOA) zur Verfügung gestellten Funktionen. SOAs versprechen ebenfalls mehr Flexibilität für die IT-Infrastruktur, da sich aus Services zusammengesetzte Prozesse leichter modifizieren lassen als die in traditionellen Standardanwendungen oder Eigenentwicklungen abgebildeten. Dabei dürfte besonders die ab 2006 geplante schrittweise Verwirklichung der Business Process Platform von SAP das Thema stärker in den Blickpunkt rücken.

Nicht nur bei SAP steht dieses Thema auf der Prioritätenliste weit oben. Auch die anderen großen Anbieter von Enterprise Applications - IBM, Microsoft und Oracle - verfolgen solche Ansätze. Besonders Microsoft und Oracle hinken in der Umsetzung SAP noch hinterher. Die wachsende Bedeutung von Service-orientierten Architekturen stellt alle Hersteller vor große Herausforderungen. Denn die eigenen, vormals geschlossenen Systeme so zu öffnen, dass sie sich in eine SOA einbinden lassen, verlangt erhebliche Entwicklungsarbeiten. Die lassen sich in einem tendenziell stagnierenden Markt nur schwer finanzieren.

Kleinere ERP-Anbieter bekommen Probleme

Vor allem die kleineren Anbieter von ERP- und ähnlicher Unternehmenssoftware wird dies vor Probleme stellen. Die Konsolidierung in diesem Markt wird deshalb wohl auch im kommenden Jahr weitergehen. Dabei dürfte für kleinere Anbieter von Unternehmenssoftware auch die Möglichkeit interessant sein, sich als Spezialist für bestimmte Branchen oder Prozesse in die "Ökosysteme" der großen Anbieter einzuklinken. Sie profitieren damit von der Plattformfunktionalität der großen Systeme und können zugleich die eigene Nische weiter bedienen. Denn die immer größeren Anbieter von Unternehmenssoftware, allen voran SAP und Oracle, werden nicht in der Lage sein, alle Nischen abzudecken. So steckt etwa SAP derzeit sehr viel Energie in den Ausbau des Partnernetzwerks; Microsoft zeigt schon seit Jahren, dass ein solches Ökosystem so funktionieren kann.

Verbreitung von Services bringt auch Nachteile

Die zunehmende Verbreitung von Services in den Unternehmen wird aber nicht nur Vorteile haben. Bislang ist noch weitgehend unklar, wie gut sich eine aus vielen kleinen Komponenten bestehende Infrastruktur wirklich beherrschen und wie sich Wildwuchs verhindern lässt. Die im Zuge der IT-Konsolidierung in vielen Unternehmen entdeckten Unmengen an Access-Datenbanken und Excel-Makroanwendungen zeigen, dass Flexibilität und einfache Modifizierbarkeit nicht nur positive Auswirkungen haben. Hier werden erneut die Dirigentenfähigkeiten des CIO gefragt sein. Um ein harmonisches Zusammenspiel der Services zu sichern, muss er dem einen oder anderen Ausreißer mit dem Taktstock auf die Finger klopfen.

CIOs müssen die wachsende Komplexität beherrschen

So wird 2006 für die CIOs ein Jahr mit Chancen, aber auch mit Herausforderungen. Zwar haben sie nun bessere Möglichkeiten, die notwendige Flexibilisierung der Unternehmens-IT zu verwirklichen. Doch zugleich stehen sie vor der Aufgabe, die wachsende Komplexität der Systeme auch zu beherrschen. Trösten können sie sich damit, dass dieses Problem auch die IT-Anbieter umtreibt. (wh)