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Bericht: Toll Collect intern völlig zerstritten

25.02.2004

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Hamburger Wochenzeitung "Die ZEIT" berichtet in ihrer morgigen Ausgabe über erhebliche Zwistigkeiten innerhalb des Toll-Collect-Konsortiums. Das Milliardenprojekt sei vor allem durch "den andauernden, lähmenden Konflikt zwischen den beteiligten Industriepartnern" gefährdet. DaimlerChrysler und Deutsche Telekom, jeweils zu 45 Prozent an Toll Collect beteiligt - zehn Prozent hält der französische Autobahnbetreiber Cofiroute -, verfolgten "unterschiedliche Interessen". Die Konzerne würden sich "belauern und beharken" und bremsten "dabei den Versuch, die nach wie vor bestehenden technischen Probleme zu lösen," schreibt die Wochenzeitung. Von Anfang an sei die Zusammenarbeit von Misstrauen begleitet gewesen.

Besonders problematisch war nach den Recherchen der Hamburger Journalisten die Verteilung von Aufträgen an die beiden Konsortialpartner. Die Telekom habe besonders davon profitiert, dass sie nicht nur Konsortialgesellschafter ist, sondern auch einer der wichtigsten Technologielieferanten. Das etwas brisante Fazit: Ein Großteil der Milliarden, die das Mautprojekt verschlingt, fließt postwendend wieder zurück - in die Kasse der Deutschen Telekom. Daimler-Chrysler hingegen zahlt - an den Partner. So übernimmt die Telekom über ihre Tochter T-Mobile Teile der Datenübertragung per Mobilfunk, die Festnetzsparte T-Com wiederum stellt die Verbindung zu den rund 3500 Terminals her. Besonders große Aufträge seien an T-Systems gegangen, die unter anderem ein sehr großes Rechenzentrum in München betreibt. Dort werden die erfassten Mautkilometer abgerechnet. Allein dieser Auftrag habe ein Volumen von 800 Millionen Euro, zitiert das Wochenblatt einen Insider.

Daimler-Chrysler hingegen bringe zwar sein Wissen um Telematiksysteme ein, produziere aber keine Gerätschaft oder Software für das Mautsystem.

Die Arbeit am Mautprojekt soll dermaßen von den gegensätzlichen Interessen der beiden Konsortialpartner bestimmt sein, dass die Toll-Collect-Führungsriege kaum eigene Entscheidungen treffen könne, werden Mitarbeiter zitiert. Neben der schwachen Führung bemängeln "Kenner des Mautkonsortiums", das technische Knowhow liege verstreut bei den diversen Zulieferern, bei Toll Collect selbst hingegen kaum. Diesem Umstand sei womöglich geschuldet, dass die Verantwortlichen des Konsortiums bis zuletzt völlig unrealistische Vorstellungen von dem Zeitrahmen hatten, innerhalb dessen das Riesenprojekt zu realisieren sei. Bei den Mautbetreibern würden viele "die eigene Führungsspitze deshalb als "Kasperltheater" bezeichnen".

"Die ZEIT" schreibt ferner, auch die technischen Probleme seien bislang keinesfalls alle behoben. Ein fast 100 Seiten starkes Dokument aus dem Lenkungsausschuss von Toll Collect vom 19. Februar 2004 verzeichne mehr als 500 ungelöste Fehler im Mautsystem mit der Tendenz "noch immer leicht steigend". (jm)