Bereich Kommunikation strebt starke internationale Position an Siemens schliesst den Einstieg ins Carrier-Geschaeft nicht aus

17.03.1995

HANNOVER (jha) - Die Siemens AG haelt sich weiterhin ein Hintertuerchen zum Carrier-Markt offen. Der Elektronikkonzern versteht sich derzeit noch als Systemintegrator fuer Netzbetreiber und zeigt bisher keine Ambitionen, sich in den Konkurrenzkampf mit den eigenen Kunden zu stuerzen. Gaenzlich ausschliessen wollen die Muenchner den Einstieg jedoch nicht.

"Sag niemals nie", anwortete Volker Jung, Mitglied des Zentralvorstandes der Siemens AG und verantwortlich fuer das Geschaeft mit der Kommunikation, auf Spekulationen zum Einstieg der Siemens AG in den Netzbetreibermarkt. Die ihm unterstehenden Geschaeftsbereiche Oeffentliche und Private Kommunikationsnetze, Sicherheitstechnik, Audio- und Videosysteme sowie der vor rund einem Jahr neugestaltete Bereich Vernetzungstechnik hatten im Fiskaljahr 1993/94 mit Umsatzeinbussen zu kaempfen, hauptsaechlich verursacht durch weniger Auftraege beim finanzstaerksten Posten Oeffentliche Kommunikation.

Um diesen Rueckgang auszugleichen, muessen neue Maerkte erschlossen werden - der Einstieg ins Carrier-Geschaeft boete sich an. "Wo es sinnvoll ist, werden wir es tun", sagte Jung, "von der Gesamtlinie als Systemintegrator weichen wir jedoch nicht ab." Siemens wird auch nicht als finanzkraeftiger Partner in die Bresche springen, sollten der Telekom in einigen Jahren die privaten Anbieter allzusehr zusetzen. Abgesehen davon, dass Jung die Chancen des Bonner Carriers, in einem offenen Markt zu bestehen, als gut einschaetzt, "wird Siemens sich fuer die Telekom nicht jungfraeulich erhalten", so der Siemens-Manager.

Die Erfolgsformel: Mehr Betreiber, mehr Umsatz

Um eine klare Aussage drueckte er sich jedoch. Er verwies auf bereits existierende Aktivitaeten als Dienstleister im TK-Markt. So bietet Siemens Kunden zur Integration von LANs ins unternehmensweite Netz Corporate-Network-Services an, die allerdings nicht oeffentlich offeriert werden, sondern jeweils an bestimmte Projekte gebunden sind. Die Beantragung einer Lizenz fuer oeffentliche TK-Leistungen vor 1998, dem Schluesseljahr fuer die Liberalisierung des TK-Marktes, wollte er nicht ausschliessen.

Um sich neue Absatzgebiete zu erschliessen, baut Siemens zunaechst noch auf das Wachstum des TK-Marktes sowie auf dessen Liberalisierung. Mehr Betreiber, mehr Umsatz, so lautet die einfache Erfolgs- und Hoffnungsformel des Konzerns fuer die Zukunft.

Des weiteren haben die Siemens-Manager sich einige Kernaufgaben gestellt, um die Position des Unternehmens im weltweiten TK-Markt zu festigen und auszubauen. Das erworbene Know-how als Systemintegrator will der Elektronikkonzern gezielt nutzen. Produkte sollen rationell und schnell entwickelt, gefertigt und ausgeliefert werden. Jung fuehrte als Paradebeispiel die effektive Produktionsstaette fuer Telefone in Bocholt an. Zudem baut der Elektronikkonzern auf internationale Kooperationen.

Ende des Jahres kommt das Swatch-Telefon

Mit der Italtel, einer Tochter des italienischen Carriers Stet, unterhaelt Siemens ein Joint-venture, um die eigene Praesenz im Markt fuer Mobilfunk, Vermittlungs- und Uebertragungstechnik im Mittelmeerraum, Osteuropa, China und Lateinamerika zu staerken. Mit der schweizerischen Gesellschaft fuer Mikroelektronik und Uhrenindustrie AG, die mit ihren Swatch-Uhren bekannt wurde, sollen Telefongeraete mit neuem Design fuer den Massenmarkt entwickelt werden. Erste Ergebnisse der Kooperationen erwarten die Manager fuer Ende naechsten Jahres.