Beratung des Herstellers kommt Anwender teuer zu stehen

11.07.1986

Die Qualität der Herstellerberatung hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Doch über das "Wie" scheiden sich die Geister der DV-Profis. So vertritt Günther Welzel vom Kölner WDR die Ansicht, daß der Hersteller vor zehn, zwölf Jahren eine reine Verkaufsmentalität besaß. Heute jedoch berate und unterstützte er den Anwender auch. DV-Leiter Siegmund Braun von der Chase Bank AG, Frankfurt, ist dagegen der Meinung, daß der Vertriebsbeauftragte früher in erster Linie eine beratende Funktion einnahm, die noch dazu kostenlos war. Heute jedoch lasse sich der Hersteller aufgrund zunehmender Konkurrenz und fallender Hardware-Preise die Beratungsleistung bezahlen. Darin sieht der Frankfurter DV-Leiter indes kein Problem: "Eine umfassende Beratung durch den Hersteller ist kaum mehr notwendig, da sich die Entscheidungsträger in den Unternehmen durch gewachsenes Know-how einen eigenen Überblick verschaffen." bk

Günther Welzel, Org./DV-Abteitung, WDR, Köln

Vor zehn, zwölf oder 15 Jahren gab es nur ein sehr einfaches Verhältnis zwischen Hersteller und Anwender, das sich wie folgt beschreiben läßt:

- Hersteller: Reine Verkaufsmentalität! Es wurden DV-Anwender geworben. Bei bestehenden DV-Anlagen wurde auf notwendige Ergänzungen/ Erweiterungen gewartet/hingewiesen.

- Anwender: Auslegung und Ausbau der DV-Anlagen nach dem Prinzip "Von der Hand in den Mund". Je Arbeitsgebiet, das neu durch selbst erstellte Programme umgestellt wurde, wurden die zusätzlich notwendigen Kapazitäten (Bänder, Platten, Zentraleinheiten) ermittelt und bestellt ("Anbausystem").

Dieses "einfache" Verhältnis hat sich qualitativ gewandelt - es wurde gezielter. Der Hersteller ist nicht mehr nur Verkäufer, sondern er berät und unterstützt jetzt auch den Anwender.

Diese Wandlung des Verhältnisses erklärt sich aus folgenden Ursachen:

- Statt selbsterstellter Programme wird überwiegend nun groß ausgelegte Standard-

(Online-) Software eingesetzt;

- große Online-Anwendungen mit dazugehörigem Terminaleinsatz (Netzwerkproblematik!);

- statt einfacher Betriebssysteme werden Betriebssoftwarekomplexe eingesetzt, deren einzelne Komponenten sich in ihrer Versionsform oft gegenseitig bedingen; genauso wie es Abhängigkeiten zu den Anwendungs-Standard-Softwarepaketen gibt, Das gilt zum Beispiel bei Siemens für BS2000, PDN, DECAM, UTM, Datenbanksystem;

- es gibt sogar auch sich gegenseitig bedingende Hard- und Software;

- bei den Anwendern ist die Qualifikation wesentlich gestiegen, siehe zum Beispiel System- und Datenbankspezialisten;

- Die Komplexität der Zusammenhänge verlangt bei den Anwendern langfristige Planungen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die DV-Anwendungen qualitativ (das quantitative Wachstum ist dabei nicht so ausschlaggebend) in Dimensionen gewachsen sind, die entsprechende Anpassung des Verhältnisses zwischen Hersteller und Anwender zwingend erforderlich machen.

Beim WDR war die Entwicklung wie folgt:

- Vor rund zehn Jahren sind wir von einer 124-KB-Anlage auf eine größere umgestiegen. Dafür erstellten wir ein Pflichtenheft, das unsere nächsten Aufgaben und Ziele beschrieb. Dieses Pflichtenheft war die Grundlage für die Angabe von Angeboten der Hersteller.

- 1982 stellten wir auf einem mehrtägigen Meeting zwischen Spezialisten des WDR und der Firma Siemens unsere nächsten Ziele und Aufgaben vor. Das Resultat dieses Meetings war ein sogenanntes" Konzept'83", das die Organisationsaufgaben- und DV-Entwicklung des WDR für die nächsten Jahre darstellte.

- So schufen wir die Grundlage für unsere jährlichen Haushaltsplanungen, natürlich immer durch entsprechende aktuelle Anpassung.

- Seit einigen Jahren hat der WDR eine mittelfristige Planung (rund vier Jahre) für die vorgesehenen/notwendigen Originalprojekte; diese Planung wird jährlich fortgeschrieben. Auf dieser Basis erfolgen auch die Gespräche/ Abstimmungen mit dem Hersteller. So haben wir nun nach mehreren intensiven Gesprächen zwischen Vertretern des Herstellers und unseren Spezialisten - die Planung des Rechenzentrums bis 1990 fertiggestellt.

- Daneben gibt es viele Gespräche zu Sonderproblemen, mitunter auch die Bildung von temporären Arbeitsgruppen zum Beispiel zu Netzwerkfragen.

Das Verhältnis zum Hersteller hat sich dahin entwickelt, daß zunächst die Sachfragen geklärt und die notwendigen Abhängigkeiten und Zusammenhänge untersucht werden - oft in aufwendigen Untersuchungs-/Abstimmungsprozeßen - und sich die Verkaufs-/ Ankaufprozedur für die notwendige Hard- und Software als Folgeprozeß daraus ergibt.

Siegmund Braun, DV-Leiter, Chase Bank AG, Frankfurt

Will man einen Vergleich zwischen der Beratungsqualität der Hersteller von heute und von vor 20 Jahren ziehen, so muß man dabei auch einen Blick auf die kontinuierlich steigenden Innovationszyklen werfen. Die DV-Welt hat sich in dieser Hinsicht verändert.

Ich denke an die Zeit, in der die Beratung des Herstellers noch bei einer Kosten-Nutzen-Analyse begann und ein Vertriebsbeauftragter in erster Linie eine beratende Funktion einnahm. Herstellerspezifische Ausbildung wurde selbstverständlich kostenlos erteilt.

Durch den Wandel der Zeit haben es die Vertriebsbeauftragten natürlich zunehmend schwerer, den Überblick über all ihre eigenen Produkte zu behalten. Die Hersteller mußten umdenken.

Da die Konkurrenz immer größer und dadurch die Hardware immer billiger wurde, verdiente man an einem Objekt dementsprechend weniger. Dieses Loch mußte durch Einsparungen in anderen Bereichen gestopft werden.

Als Lösung bot sich die Einrichtung von Beratungszentren an, die als eigenständige profitzentren arbeiten. Konnte ein VB früher zur Unterstützung bei der Kundenberatung kostenfrei auf einen Berater zurückgreifent so wird heute diese Leistung in vielen Fällen schon seiner Kostenstelle belastet.

Ich sage dies nicht mit einem bitteren Nachgeschmack, sondern sehe dies als eine logische Folgerung der Entwicklung.

Eine umfassende Beratung durch den Hersteller ist meiner Meinung nach im allgemeinen nicht mehr notwendig, da sich nicht nur die Technik weiterentwickelt hat, sondern auch die. Entscheidungsträger in den Unternehmen sich durch angewachsenes Knowhow einen eigenen Überblick -verschaffen.

DV-Einsteiger sind jedoch gut beraten, herstellerneutral informiert zu werden, da ein Hersteller verständlicherweise sehr einseitig berät und ausschließlich seine Produkte verkaufen möchte.

Oft ist eine Unterstützung durch den Hersteller nur noch bei einer Neuimplementierung gewährleistet. Aber wie lange wird dies noch der Fall sein? Kauft man heute zum Beispiel ein System IBM /136, wird erwartet, daß der Kunde die komplette Implementierung selbst vornimmt. Jeder DV-Benutzer sollte darauf entsprechend reagieren, denen dieser Trend hält an.

Klaus Böhle, Leiter Bürokommunikation, Wintershall AG/Kali und Salz AG, Kassel

Der Schwerpunkt vieler Vertriebsbeauftrager ist die Hardware. Wenn der Anwender ungefähr weiß, was er will (zum Beispiel den Ausbau vorhandener Hardware plant), sind vorwiegend technische Probleme zu lösen. Hier ist die Beratung durch die Hersteller mit der Komplexität, der Systeme gewachsen. Einige Hersteller unterstützen das Konfigurieren schon maschinell, zum Beispiel durch Dialog- oder Expertensysteme.

Beim Einsatz neuer Software sind die Anforderungen an die Herstellerberatung wesentlich höher, da die Auswirkungen auf ein Unternehmen größer sind. Von der richtigen Einführung eines Text- oder Bürosystems beispielsweise hängt es ab, ob die Anwender das Werkzeug akzeptieren und sinnvoll benutzen. Die Nebenkosten, die beim Einsatz von Anwendungs-Software anfallen, übertreffen deren Preis oft erheblich (Man denke nur an die Aus- und Weiterbildung der DV-Mitarbeiter und der Endbenutzer.) Auch bei der Software gibt es neue Formen der Unterstützung. Beispielsweise werden detaillierte Phasenkonzepte angeboten, nach denen sich Pilot- oder Einführungsprojekte durchführen lassen.

Bei der Auswahl neuer Systeme ist die Situation anders als bei der Einsatzplanung. Der Anwender will das richtige Produkt auswählen. Die Beratung des Herstellers ist dagegen am Verkaufserfolg orientiert; die Aussagen oder Nichtaussagen hängen von der Vertriebspolitik des Herstellers ab.

Die Ansprüche der Anwender haben sich erheblich gewandelt. Gefragt ist nicht mehr die Hard- oder Software, sondern Unterstützung bei der Verwirklichung der organisatorischen Ziele, zum Beispiel Deckung des lnformationsbedarfs oder effiziente Vorgangsbearbeitung. Hierzu sind zuerst organisatorische Maßnahmen im Unternehmen nötig, davon sollten sich Anforderungen an technische Hilfsmittel ableiten, Unterstützung bei solchen Projekten findet man primär bei Unternehmensberatungen; es gibt aber auch vermehrt Hersteller, die produktunabhängige Beratungsleistungen, Schulungen oder Methoden verkaufen.

Die Qualität der Herstellerunterstützung ändert sich leider manchmal mehr durch den Vertragsabschluß als durch die Veränderungen in der DV-Welt.

Ein Vertriebsbeauftragter, der die richtigen Ansprechpartner beim Hersteller kennt und vermittelt, ist bei den täglichen 0etailproblemen oft die beste Unterstützung.