Erhebung von PAC, Schätzung der Meta Group

Beraterhonorare im freien Fall

16.05.2003
MÜNCHEN (jha) - Im IT-Beratungsmarkt herrscht ein Preiskrieg. In einzelnen Bereichen sind die Tagessätze um bis zu 25 Prozent eingebrochen. Der Sparzwang in den Unternehmen und die Überkapazitäten bei IT-Consultants sorgen für einen weiteren Verfall der Honorare.

Die Tages- und Stundensätze der IT-Berater haben ihren Tiefstpunkt noch nicht erreicht. Zum Jahresende 2002 lagen die Tagessätze sämtlicher IT-Berater laut Erhebung der Marktforscher von Pierre Audoin Consultants (PAC), München, um neun Prozent unter dem Stand des Vorjahres, und am Ende des Jahres 2003 werden sie gegenüber 2002 um weitere fünf Prozent gesunken sein. Doch letzterer Wert ist lediglich eine Prognose, die auf der Annahme gründet, dass sich der Preiskampf im Lauf des Jahres beruhigt. Die Münchner Marktbeobachter erwarten einen über das laufende Jahr gemittelten Tagessatz, der um 9,5 Prozent unter dem Durchschnittswert von 2002 liegen soll. Bereits im Vorjahr waren die Tagessätze gegenüber 2001 um 3,5 Prozent abgesackt.

Die Banken knausern

Im Detail ergeben sich sehr unterschiedliche Entwicklungen. Die PAC-Forscher haben sich die derzeit in Deutschland üblichen Honorare genauer angeschaut, und zwar in den drei Beraterkategorien Junior Consultant, Consultant und Senior Consultant, den drei Tätigkeitsschwerpunkten IT-Beratung, kundenspezifische Softwareentwicklung und Implementierung von Standardsoftware in insgesamt neun Branchen. Die Auswertung wird unter anderem im Rahmen des Studienprogramms "Software and IT Services Industry" (www.sitsi.com) veröffentlicht. Es zeigte sich, dass Juniorberater, die kundenspezifische Applikationen für Banken erstellen, die höchsten Abschläge hinnehmen mussten. Hier sind die Tagessätze um knapp 25 Prozent von durchschnittlich über 900 Euro auf jetzt weniger als 700 Euro gefallen. "Dagegen kann ein Senior Consultant, der für Energieversorger eine SAP-Branchenlösung implementiert, nahezu die gleichen Tagessätze wie vor Jahresfrist erzielen", erläutert PAC-Mitarbeiter Tobias Ortwein. Von der ganzen Preisdiskussion ist zudem so mancher Freiberufler kaum betroffen, der sich in einer Nische für seinen Kunden unentbehrlich gemacht hat.

ERP-Berater kaum gefragt

Der heftige Einbruch der Beratersätze im Bankensektor ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Finanzhäuser ihre Dienstleister in der Vergangenheit am besten entlohnten. Anwenderunternehmen aus der Fertigung und dem Handel waren schon immer sparsamer. Insgesamt gleicht sich derzeit das Preisniveau in den einzelnen Branchen etwas an. "Im vergangenen Jahr haben die Banken noch am besten gezahlt, in diesem Jahr lassen sich im Durchschnitt bei Telekommunikationsanbietern die höchsten Honorare erzielen. Dort ist der Investitionsdruck am größten", schildert Ortwein.

Stark fallende Honorare der IT-Berater bestätigt auch die Meta Group. Ihre Erhebung der Listenpreise beruht zum Teil auf Schätzungen oder wurde aus Gesprächen mit Anwendern und Anbietern zusammengetragen (siehe Tabelle "Listenpreise der Berater"). Die offi-ziell genannten Stundensätze sind laut Andreas Burau, Director Consultant bei der Meta Group in Deutschland, gegenüber dem Vorjahr um etwa fünf bis zehn Prozent gesunken, die Wirklichkeit spiegeln diese Zahlen jedoch nur bedingt wider. Mehr und mehr sind bei der Beschaffung von Beratungsleistungen die zentralen Einkaufsabteilungen involviert. Sie zwingen die Anbieter zu erheblichen Zugeständnissen. "In konkreten Angebotssituationen gab es durchaus Abschläge von 30 bis 50 Prozent", so der Marktbeobachter. Relativ stabile Einnahmen können laut Burau IT-Experten verzeichnen, die mit Wissen um Enterprise Application Integration (EAI), Konsolidierung und Mobile Computing aufwarten. "Zu viele Kapazitäten bestehen im ERP-Umfeld", warnt Burau.

Auch PAC-Analyst Ortwein berichtet, dass Anwenderunternehmen ihre Dienstleister in Einzelfällen zu pauschalen Preisnachlässen von bis zu 30 Prozent gedrängt haben. "Ich bin mir sicher, dass sie diesen Wert zum Teil auch erzielt haben", kommentiert er. Ähnliche Ergebnisse bestätigte in einem Gespräch mit der COMPUTERWOCHE Alexander Röder, Konzern-CIO von mmO2, dem in Deutschland, Großbritannien, Irland und den Niederlanden aktiven Betreiber des Mobilfunknetzes O2: "Wir haben im letzten Jahr sämtliche für uns tätigen Beratungshäuser aufgefordert, ihre Preise um bis zu 15 Prozent zu reduzieren", schildert Röder. "Einige haben akzeptiert, andere haben verhandelt, andere wiederum haben abgelehnt. Bei Letzteren wurde im Einzelfall entschieden, ob wir deren Leistung auch selbst erbringen können und welche Konsequenzen die Kündigung der Verträge nach sich ziehen würde. Einige Geschäftspartner waren zu Gesprächen bereit, nachdem wir die Kündigung bereits ausgesprochen haben. Zum Teil haben wir Geschäftsverhältnisse aber auch beendet."

Preisdruck durch Offshore-Angebote

Anwender und Anbieter haben laut PAC mittlerweile einige Kniffe entwickelt, um versteckte Preisnachlässe zu erzielen beziehungsweise zu verhindern. So werden beispielsweise Tagessätze auf Basis von acht Stunden Arbeitszeit pro Tag vertraglich vereinbart, tatsächlich müssen die IT-Consultants jedoch zehn Stunden leisten. War es früher üblich, dass Kunden die Spesenrechnung und Reisekosten für eingeflogenen Experten beglichen, müssen die Anbieter diese Posten mittlerweile selbst tragen. Auf der anderen Seite ernennen die Dienstleister auch einmal einen Juniorberater für ein spezielles Projekt zu einem Consultant, um höhere Preise zu erzielen.

Obwohl es den kleineren IT-Dienstleistern oft leichter fällt, Zugeständnisse zu machen, weil sie mit weniger Gemeinkosten rechnen müssen, sieht PAC dennoch die großen Anbieter als Gewinner aus der Krise hervorgehen, denn sie verfügen über die finanziellen Mittel, um die sich noch bis zur Jahresmitte hinziehende Durststrecke zu überdauern. Zudem verlangen die Anwender zunehmend von ihren Dienstleistern zur Kosteneinsparung auch Offshore-Kapazitäten, also Unterstützung aus Billiglohnländern, in die Projektarbeit zu integrieren. Vor allem die international aufgestellten Anbieter haben mittlerweile entsprechende Ressourcen aufgebaut.

Abb.1: Durchschnittliche Tagessätze der Berater

Die Grafik stellt die unterschiedlichen IT-Beraterhonorare in diesem und im letzten Jahr dar. In einzelnen Branchen und Segmenten sind die Preise um bis 25 Prozent eingebrochen. Quelle: Pierre Audoin Consultants

Abb.2: Listenpreise der Berater

Die tatsächlich gezahlten Honorare liegen erheblich unter den offiziellen Werten. Quelle: Meta Group