Berater - Unerwünschte Überflieger

09.10.2001
Von Kathi Seefeld
Die Zeiten der Einstellungen in großem Stil sind bis auf weiteres vorbei. Beratungsunternehmen konzentrieren sich nun verstärkt darauf, das rekrutierte Personal in Unternehmen aufzubauen. Sie bieten Mitarbeitern Pläne zur persönlichen Entwicklung anstatt steiler Karriereleitern.

Das Geschäft der Berater speist sich oft aus Unwissenheit und auch aus der Angst der Anwender. Die sitzt nicht wenigen Unternehmern im Nacken, scheitern einerseits etwa 40 Prozent aller IT-Projekte (Gartner Group) und auch 75 Prozent aller E-Business-Vorhaben. Andererseits fühlen sich von der Zwei-Mann-Firma bis hin zum großen Konzern fast alle gezwungen, weiter in ihre IT-Infrastruktur zu investieren, um im Wettbewerb zu bestehen, wie es in einer Untersuchung der Berliner Timekontor AG heißt. Laut Capital (7/2001) fallen in Unternehmen dabei für jede Mark, die sie in Hard- oder Softwarelösungen stecken, fünf bis zehn Mark Beraterhonorare an.

Zählten noch vor einiger Zeit das Jahr-2000-Problem oder die Umstellung auf den Euro zu den Fragestellungen, die Unternehmen umtrieb, sind es zunehmend Themen wie Sicherheit, Customer Relationship Management, Enterprise Resource Planning oder E-Business, bei denen IT-Entscheidungsträger ins Schwitzen geraten. Genau auf diesen Gebieten wollen sie laut Timekontor allen Negativmeldungen zum Trotz auch weiterhin aktiv werden. Nur, ihr Geld in den Sand setzen, wollen die Unternehmen nicht.

Die Konsequenzen hat die IT-Berater-Branche bereits zu spüren bekommen. Zwar ziehen Betriebe immer öfter Experten zu Rate. Bei der Entscheidung für einen Consulter werden sie allerdings immer wählerischer. Ein Indiz dafür ist laut Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU ein Wachstumsrückgang der gesamten Consulting-Branche schon im Jahr 2000. Gleichzeitig haben Beratungsprojekte zugelegt, die E-Commerce-Aspekte beinhalten. Betrug deren Anteil im Jahr 2000 noch 38 Prozent, so kletterte er in diesem Jahr auf etwa 50 Prozent. In der Nachfrage nach E-basierten Systemen sieht der BDU künftig auch den „Wachstumsmotor der Beratungsbranche“.

Als Gewinner im Wettstreit um die Anteile am IT-Beratermarkt galten bislang die von der Lünendonk GmbH, Bad Wörishofen, ermittelten 25 erfolgreichsten Unternehmen unter den IT-Beratungs- und Systemintegrationshäusern. Mehr als 43 000 hochqualifizierte Mitarbeiter wurden in 2000 von den Top 25 beschäftigt, ein Viertel mehr als noch ein Jahr zuvor. Lediglich die “Marktenge für qualifiziertes Personal“ habe laut Lünendonk eine stärkere Zunahme der Beschäftigten verhindert.

Zweifel, dass es mit dem Aufwärtstrend der IT-Beratungs- und Systemintegrationshäuser so weiter geht, hegt Dagmar Recklies, Mitbegründerin und Geschäftsführerin der Recklies Management Project GmbH Magdeburg. IT- und Organisationsberatung gelten als „Leistungen in der Wachstumsphase“. Kunden benötigten aber zunehmend Strategie- und Personalberatung. Hier kennen sich die klassischen Beratungshäuser scheinbar besser aus, die laut Lünendonk-Liste mehr als 60 Prozent ihres Umsatzes unter anderem mit Leistungenzu Strategie, Organisation, Personal und Marketing in Unternehmen realisieren.

Einige haben wie McKinsey mit dem Business Technology Office inzwischen eigene IT-Bereiche aufgebaut. Preisgünstige Konkurrenz komme zudem auf den Markt, so Dagmar Recklies, da der Begriff des Unternehmensberaters - anders als der des Wirtschaftsprüfers - weder gesetzlich geschützt, noch an ein bestimmtes Qualifikationsniveau geknüpft sei. Nicht einmal eine nennenswerte Kapitalausstattung wäre erforderlich, um IT-Berater zu werden. „Man benötigt eigentlich nur eine gute PC-Ausstattung und ein Auto.“

Dagmar Recklies: "Berater waren bis vor Kurzem noch gefragte Vorstände bei Startups."
Dagmar Recklies: "Berater waren bis vor Kurzem noch gefragte Vorstände bei Startups."

Der dritten Gruppe der Mitbewerber - Multimedia-Dienstleister oder Web-Design-Agenturen - werden dagegen im Moment nur geringe Chancen auf dem von ihnen relativ frisch entdeckten Geschäftsfeld der IT-Beratung vorausgesagt. Gerade was die E-Business-Beratung betrifft, vertrauen deutsche Manager, einer Umfrage unter Entscheidern aus DV und Logistik zu folge, lieber Consultern von KPMG, Accenture oder Cap Gemini.

Kleinere IT-Fragen klären Unternehmen darüber hinaus zunehmend mit Fachkräften, die im eigenen Haus herangezogen werden oder übers Networking mit Gleichgesinnten. Die Timekontor AG, nach eigenen Angaben „Club der IT-Entscheider“ in Berlin und Brandenburg ist ein Netzwerk, das auf 10 000 detaillierte Firmenprofile in einer Datenbank zurückgreifen kann. Unternehmen können hier nicht nur Angebote zu IT-Produkten und -dienstleistungen einholen, sondern den persönlichen Erfahrungsaustausch pflegen, was teure Beratungsleistungen mitunter spart.

Unterm Strich ist der Ruf nach mehr Fachkräften hörbar leiser geworden. Zwar werben noch immer viele IT-Beratungsunternehmen, die mehr als 60 Prozent ihres Umsatzes mit IT-Consulting, Individualsoftware-Entwicklung und Systemintegration verdienen, auf ihren Web-Seiten mit vielfältigsten Jobangeboten und Recruiting-Events für Studenten. Sie wollen, wie es bei CSC Ploenzke in Kiedrich bei Wiesbaden, heißt, der „Absolventenlücke“ begegnen, die bis zum Jahr 2003 auf Grund geburtenschwacher Jahrgänge einen Rückgang der Hochschulabsolventen um 20 Prozent mit sich bringt.

Petra Scheungraber: "Karriere macht man dann, wenn man bei Kollegen und Kunden gefragt ist."
Petra Scheungraber: "Karriere macht man dann, wenn man bei Kollegen und Kunden gefragt ist."

Neu eingestellt wird derzeit bei den wenigsten. So konnte die seit 1998 am Neuen Markt notierte PSI AG in Berlin (www.psi.de) mit mehr als 1300 Mitarbeitern zwar für das zweite Quartal dieses Jahres einen „positiven Trend“ vermelden. Neue Berater von außen, konstatierte Susanne Seffner, Senior Consultant im Bereich Personalorganisations-Entwicklung, würden trotz eines „Rekordeingangs an Aufträgen im Sommer“ allerdings nicht eingestellt. „Wir setzen viel daran, Mitarbeiter aus den eigenen Reihen so zu qualifizieren, dass sie in verschiedenen Projekten eingesetzt werden können.“ Die Fluktuation, so Susanne Seffner, sei bei PSI deshalb „ausgesprochen gering“.

Galten Consulter-Jobs unter Hinnahme langer Arbeitszeiten und einer fast hundertprozentigen Reisetätigkeit, auch bei vielen Absolventen lange Zeit als Sprungbrett auf Führungspositionen in Unternehmen, wächst momentan das Bestreben von Beratungshäusern, Mitarbeiter längerfristig zu binden. Alexander Peter, Personalreferent beim Beratungs- und Prüfungsunternehmen Arthur Andersen, erklärte, dass er es gut fände, wenn IT-Profis und Wirtschaftsingenieure länger als die üblichen fünf bis viellleicht zehn Jahre bei einem Arbeitgeber blieben.

Beim Bund der Unternehmensberater hofft man auf weniger Überflieger und dass sich die Branche, „verstärkt der Aus- und Weiterbildung widmet“. Durch die Betonung der Personalentwicklung könne möglicherweise eine längerfristige Mitarbeiterbindung erreicht werden.

CSC Ploenzke hat sich vom für Berater klassischen Karrieremodell „Up or out“ längst verabschiedet: „Sie haben dann Karriere gemacht, wenn man Sie fragt, wenn man Ihren Rat holt, wenn man Ihnen Informationen gibt, wenn man Ihnen traut und viel zutraut, wenn man Ihnen viel Spielraum lässt, wenn man Ihnen Verantwortung überträgt! Kurz, wenn Sie gefragt sind - bei Ihren Kunden und Kollegen!“, empfiehlt Petra Scheungarber, verantwortlich für Personalmarketing und Rekrutierung, potentiellen Bewerbern.

Gemeinsam mit dem Mitarbeiter werden in Kiedrich unterschiedliche Profile entwickelt und gefördert. Karriere, so Scheungarber, könne nicht nur im Management, sondern auch in hochqualifizierten Fachrollen beispielsweise als Systemarchitekt oder Projektleiter gemacht werden, hochqualifizierte Management-Berater könnten mehr verdienen als eine Führungskraft.

Eine Beraterkarriere bei McKinsey wird dagegen auch weiterhin anders aussehen. Im Business Technology Office können Akademiker als Associate ihren Aufstieg starten, bevor sie als Fellows zwei Jahre später einen Jahr bezahlten Urlaub erhalten können, um einen weiteren akademischen Abschluss zu erwerben. Erfolgreiche Absolventen des Fellowship-Programms erhalten ein Angebot, ihre Beratungskarriere als Senior Associate fortzusetzen. Als Höhepunkt gilt die Ernennung zum Associate Principal. Das bringt Verantwortung für mehr als ein Projekt und die Weiterentwicklung von Beratern und Wissen mit sich, aber auch die Beteiligung am ökonomischen Erfolg des Unternehmens. Mit der Wahl zum Principal wird man zum Miteigentümer der Firma und in, wie es bei McKinsey heißt, die traditionsreiche Partnerschaft aufgenommen.

Auch wenn sich selten ein Unternehmen bei der Personalentwicklung und -planung offen zum Up-or-out-Prinzip bekennt: Karrieren, die den Wechsel nach sich ziehen, so sie nicht binnen dreier Jahre auf eine höhere Sprosse der besagten Leiter führen, standen nach Einschätzung von Dagmar Recklies bislang ohnehin vor allem in den großen und klassischen Beratungshäusern auf der Tagesordnung.

Selbst wer nicht direkt bei einem Mandanten unterkam, habe seinen Marktwert durch eine mehrjährige Tätigkeit für ein großes Beratungshaus erheblich gesteigert und kaum Schwierigkeiten bei der Suche nach einer neuen Aufgabe gehabt. „In der Zeit des Dot-Com-Hypes wurde dieser Trend noch dadurch verstärkt, dass viele Berater von der New Economy angezogen wurden. Mit ihren Erfahrungen und Kontakten waren sie gefragte Partner, Vorstände und Mitgründer für alle Arten von E-Startups“, so Recklies.